Die Synode der oldenburgischen Kirche kam am 9. März 2024 zu einer 2. außerordentlichen Tagung zusammen. Die Beratungen fanden in dem Gemeindehaus der St.-Johannes-Kirche in Oldenburg im Stadtteil Kreyenbrück statt.
Eröffnung der Synode
Synodentagung eröffnet
Mit einem Dank an Pfarrer Nico Szameitat und an alle Mitwirkenden für den Gottesdienst in der St.-Johannes-Kirche eröffnete Synodenpräsidentin Sabine Blütchen die Beratungen der 2. außerordentlichen Tagung der 49. Synode in Oldenburg-Kreyenbrück. Zuvor hatte die Synode bereits nichtöffentlich als Ausschuss getagt. Sie begrüßte vor allen die Zuschauerinnen und Zuschauer, die die Synode per Live-Stream verfolgten.
Anschließend verpflichtete die Synodenpräsidentin als neue Synodale: Pfarrer Lars Löwensen (Kirchenkreis Delmenhorst/Oldenburg Land) und Pfarrer Dr. Thomas Ehlert (Kirchenkreis Wesermarsch) als Ersatzsynodale.
Bericht aus dem Gemeinsamen Kirchenausschuss
GKA Bericht
In Ergänzung zum schriftlich vorgelegten Bericht aus dem Gemeinsamen Kirchenausschuss (GKA) von Bischof Thomas Adomeit, informierte Bischof Adomeit über die aktuelle Situation des Diakonischen Werkes und Oberkirchenrätin Gudrun Mawick über die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie.
A. Information zur aktuellen Situation des Diakonischen Werkes
Um einen drohenden gravierenden Schaden für das Diakonische Werk insgesamt abzuwenden, seien in den vergangenen Monaten für insgesamt vier Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg Anträge auf Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht gestellt worden. Häufig seien insbesondere die angespannte herausfordernde Personalsituation und der Mangel an Fachkräften in den Einrichtungen mitverantwortlich für die wirtschaftlich schwierige Situation. Dabei sichere die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens zunächst die Lohnfortzahlung für die Mitarbeitenden durch die Arbeitsagentur bzw. durch das Jobcenter. Gleichzeitig sei es das Anliegen des jeweils bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters, mögliche Perspektiven und Maßnahmen auszuloten, die in der Regel eine Fortführung der betroffenen Einrichtungen zum Ziel haben, betonte Oberkirchenrat Mucks-Büker in seinem schriftlich vorgelegten Bericht.
Seitens des Oberkirchenrates sowie des Aufsichtsrates des Diakonischen Werkes bleibe zudem nichts unversucht, um dem neuen Vorstand der Diakonie jegliche nur denkbare Unterstützung bei der Bewältigung der mehr als herausfordernden Situation zukommen zu lassen. Die oldenburgische Kirche wisse sich nicht nur innerlich und strukturell eng mit ihrer Diakonie verbunden. Vielmehr sei sie sich dessen bewusst, dass sie mit dem weiten Feld vieler diakonischer Einrichtungen auf dieses weithin sichtbare und gesellschaftlich anerkannte Handlungsfeld der Kirche auch zukünftig angewiesen sei und bleibe. „Auch wenn die aktuelle Lage nicht nur in der Diakonie, sondern auch allgemein in der Sozialwirtschaft unseres Landes äußerst labil ist – die vielen Insolvenzen auch anderer Einrichtungen als in der Diakonie zeugen davon – hoffen selbstverständlich alle Beteiligten in Kirche und Diakonie, dass es uns gelingen möge, die für unsere Gesellschaft so notwendigen Angebote auch weiterhin aufrechtzuerhalten und dauerhaft fortführen zu können.“ Denn nur so werde ein sozialer Friede als Grundlage für ein gelingendes Miteinander in unserer Gesellschaft gestaltbar sein und erhalten werden können. „Daran wollen wir uns als Kirche mit ihrer Diakonie aktiv und nach unseren Möglichkeiten beteiligen.“
B. Information zur ForuM-Studie
In ihrem Berichtsteil über die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie betonte Oberkirchenrätin Gudrun Mawick, dass vieles, was in der Studie beschrieben werde, bekannt gewesen sei. „Aber die Massivität der Ergebnisse ist dennoch erschütternd.“ So sei es auch "bei uns in der oldenburgischen Kirche. Die Strukturen mit Pfarrhäusern, einem starken Pfarramt, den Machtverhältnissen in Konfirmandenarbeit, Jugendarbeit und Kirchenmusik haben sexualisierte Gewalt begünstigt. Sie gehören noch nicht der Vergangenheit an.“
Die Ergebnisse der Studie müssten Folgen haben und Änderungen nach sich ziehen, sagte Mawick. Zugleich seien die Ergebnisse auch hilfreich, bereits in der oldenburgischen Kirche existierende Gesetze und Präventionsangebote besser wahrzunehmen und zu nutzen. Sie verwies dabei auf die verbindlichen Schulungen im Bildungsbereich „Prävention“, die mögliche Begleitung der Schutzkonzeptentwicklung durch Bildungs-Multiplikatorinnenausbildung und Bildungs-Multiplikatoren sowie auf das bereits verabschiedete Gesetz, dass bis zum 31. Dezember 2025 alle Kirchengemeinden und Einrichtungen verpflichtet seien, ein Schutzkonzept zu entwickeln.
Von allen Kirchen in der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsens werde nun eine regionale Aufarbeitung geplant. Ziel der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission sei es, die Anzahl von Fällen sexualisierter Gewalt noch genauer zu erheben, die Strukturen zu identifizieren, die sexualisierte Gewalt ermöglichen und begünstigt haben und den verfahrensrechtlichen Umgang mit Betroffenen sowie weiteren Beteiligten in den beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden erleichtern. Wichtig sei, dass es im Bereich der EKD „verlässliche und einheitliche Standards“ bei der Intervention, Prävention und Aufarbeitung gebe, so Mawick. „Diese können und müssen nicht zentral organisiert sein, aber ein abgestimmtes Vorgehen ist wichtig.“ Das Beteiligtenforum sexualisierte Gewalt der EKD habe der Kirchenkonferenz ein umfangreiches Paket mit Empfehlungen und daraus abgeleiteten Maßnahmen vorgelegt. Diese sollen der EKD-Synode in ihrer Novembersitzung zum Beschluss vorgelegt werden. „Auch wir in der ELKiO werden deutlich mehr Personal für die anstehenden Aufgaben benötigen“, kündigte Mawick an. Möglicherweise gelinge es, hier mit den Nachbarkirchen zu kooperieren.
Neuausrichtung der Verwaltung in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
Neuausrichtung der Verwaltung
In der Vergangenheit seien die Abläufe in der Kirchenverwaltung immer wieder kritisiert worden. In der Wahrnehmung vieler Kirchengemeinden würden Anliegen nicht wie erwartet bearbeitet. Sowohl die Zeitabläufe als auch die Qualität der Ergebnisse seien verbesserungswürdig, berichtete Bischof Thomas Adomeit in seiner Einbringung. Gleichzeitig kämen Mitarbeitende in der Verwaltung „durch Aufgabenveränderung, Aufgabenzuwachs und manche Uneindeutigkeiten in ihrem Tun aber oft ihre Grenzen“. „Wir haben in den letzten Jahren eine Reihe von Überlastungsanzeigen erhalten, die aus den unterschiedlichen Arbeitsbereichen der Gemeinsamen Kirchenverwaltung (GKV), viele aus den Regionalen Dienstellen (RDSn), eingegangen sind“. Auch RDSn, in denen es nach außen gut laufe, sendeten solche Notsignale. Um diese Situation zu verbessern, habe die Kirchenleitung den in Verwaltungsfragen sehr erfahrenen Oberkirchenrat i.R. Detlev Fey gebeten, Handlungsempfehlungen zur Neuausrichtung der Verwaltung der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg zu erstellen. Diese Ergebnisse hätten sich der Oberkirchenrat (OKR) und der Gemeinsame Kirchenausschuss (GKA) zu eigen gemacht und würden der Synode nun empfehlen, den Vorschlägen des Gutachtens zu folgen. Es sei „eine Richtungsentscheidung, kein fertiges Konzept“, betonte Bischof Thomas Adomeit in seiner Einbringungsrede.
Der Antrag des Gemeinsamen Kirchenausschusses (GKA) sieht vor, die Verwaltungsarbeit für die Kirchengemeinden und Kirchenkreise zukünftig an einem zentralen Ort unter einer Leitung zu bündeln. Zur effektiven und zeitgemäßen Aufgabenerledigung bei weiter sinkenden Mitgliederzahlen und Finanzmitteln sollen Kompetenzen gebündelt und Kosten reduziert werden. Einer weiterer Aspekt ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Kirchenbüros. Neben der Kernverwaltung an einem zentralen Ort sollen gut ausgestattete Kirchenbüros die Verwaltungsarbeiten in den Kirchengemeinden und den Kirchenkreisen besser unterstützen. Damit sollen die Haupt- und Ehrenamtlichen von kleinteiligen Verwaltungsaufgaben entlastet und die Möglichkeit für eine Präsenz „vor Ort“ geschaffen werden.
„Kurze Wege im Inneren, Prozessangleichungen, Leistungs- und Leitungsfähigkeit“ seien „möglich und zu erwarten“, heißt es dazu in den Empfehlungen von OKR i.R. Fey. „Dabei besteht zudem die Chance der Reduzierung des Einsatzes finanzieller Mittel durch eine reduzierte Bürokapazität sowie Einsparung von Energiekosten. Der Ort Oldenburg bietet sich aus verschiedenen Gründen dafür an: Nähe zum OKR, Mitte des Kirchengebietes, Verkehrsanbindung, Raumkapazitäten.“ Das Projekt könne bis 2027 abgeschlossen sein. „Durch die Konzentration können um die 20 Stellen eingespart werde (Wegfall von Leitungsstellen, Assistenzstellen, Stellen im Finanzbereich)“, prognostizierte Fey. Mögliche Nachteile für vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten, so Frey, „durch einen Sozialplan ausgeglichen oder abgemildert werden. Für die Gestaltung des Sozialplans empfehle ich eine Orientierung an dem anlässlich der Gründung des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung ausgehandelten Sozialplans, da dieser aus Arbeitnehmersicht einen sehr guten Sozialplan darstellt. - Für geeignete Personalfälle können Übergangsregelungen getroffen werden.“
Der Beirat der Gemeinsamen Kirchenverwaltung (GKV) empfahl hingegen, dass drei Kirchenverwaltungsverbände mit je einem Kirchenkreisamt (für jeweils zwei Kirchenkreise und die jeweiligen Kirchengemeinden und Einrichtungen) und eine eigenständige Verwaltung des OKR gebildet werden. Bei der Neuausrichtung sollen Verwaltungsstrukturkonzeptionen anderer Landeskirchen, insbesondere der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, mit zu Rate gezogen werden.
Der konkrete Vorschlag des Beirats war, so der Synodale Jost Richter, drei regionale Kirchenkreisämter (Verwaltung der Kirchengemeinden und Kirchenkreise) sowie eine gesamtkirchliche Verwaltung (strategische Aufgaben, Verwaltung des OKR) zu bilden. Die Verwaltungsstruktur der Kirchenkreisämter habe sich in der hannoverschen Kirche und in den anderen Landeskirchen bewährt und sei dort kontinuierlich weiterentwickelt worden. Sie entspreche „dem Geist unserer Kirchenordnung und unserer kirchlichen Struktur. Dabei ist der große Vorteil dieser Lösung, dass sie bei uns auf gewachsene Strukturen aufsetzen kann.“ Gesetzliche Grundlagen, die Kennzahlen und die Zuständigkeitsverordnungen könnten von der hannoverschen Kirche oder anderer Kirchen weitestgehend übernommen werden.
Die Bildung von drei Kirchenverwaltungsverbänden hatte OKR i.R. Fey als „Übergangslösung“ verworfen, da sie „zu sehr vom Status Quo inspiriert“ sei und „nach Jahren eine weitere Konzentration der Verwaltung zur Folge haben dürfte“.
Das berufene Synodenmitglied Björn Thümler stellte den Antrag, die Entscheidung über die Verwaltungsstruktur der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg zu vertagen. Damit solle den Kirchengemeinden, den Kirchenkreisen, den Ausschüssen der Synode und den Regionalen Dienststellen Gelegenheit gegeben werden, zu den Anträgen des Gemeinsamen Kirchenausschusses und des Beirates der GKV Stellung zu nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen solle die Synode auf ihrer 10. Tagung im November 2024 erneut über die eingebrachten oder aufgrund der Stellungnahmen abgeänderten Anträge entscheiden, so der Antrag. Der Oberkirchenrat soll beauftragt werden, die Stellungnahmen einzuholen und diese dem Gemeinsamen Kirchenausschuss und dem Beirat der GKV bis zum 15. September 2024 zuzuleiten.
Es folgte eine ausführliche Diskussion im Kirchenparlament. Am Ende der Diskussion folgte die Synode mehrheitlich der Vorlage des Synodalen Björn Thümler.
Resolution zur ForuM-Studie
Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg verpflichtet sich zur Aufarbeitung und Prävention
Auf Antrag des Synodalen Tobias Frick verabschiedete die Synode der oldenburgischen Kirche eine Resolution zu den Ergebnissen der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie.
Die Resolution hat folgenden Wortlaut:
Die Ergebnisse der ForuM-Studie legen ein jahrzehntelanges Versagen auch der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg offen. Betroffene Personen wurden nicht ausreichend gehört, Taten nicht aufgearbeitet, Täter geschützt und Verantwortung nicht übernommen. Sexualisierte Gewalt gehört zur Realität auch unserer Kirche. Diese Einsicht nimmt uns in die Pflicht. Wir übernehmen die Verantwortung. Das Ergebnis der ForuM-Studie macht deutlich, dass wir oft nicht betroffenenorientiert und nicht mit der nötigen Initiative vorgegangen sind. Wir werden uns in unserer Synode und vor Ort in unseren Kirchenkreisen und Gemeinden mit den Ergebnissen der ForuM-Studie und ihrer Bedeutung für unsere Kirche transparent und offen auseinandersetzen.
Betroffene erlebten in der Vergangenheit oft zu wenig Unterstützung und mangelnde Sensibilität, wenn sie bei kirchlichen Stellen Taten anzeigten. Ihre Darstellung wurde allzu oft angezweifelt, die Beschuldigten geschützt. Betroffene wurden zudem mit Wünschen nach Vergebung konfrontiert, ohne dass eine angemessene Auseinandersetzung mit der Tat stattfand. Ein Ergebnis der ForuM-Studie zeigt, wie lange kirchliche Strukturen eine Aufarbeitung verhindert haben.
Die Synode hofft, dass sich Betroffene sexualisierter Gewalt in Vertrauen auf die Ernsthaftigkeit unserer Haltung bei unseren Ansprechpersonen melden.
Die Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg stellt unmissverständlich klar, dass unsere Kirche eine klare und transparente Haltung zur Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt anstrebt, die sie verpflichtet, mit großem Engagement eine Kultur der Prävention zu entwickeln. Die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg hat sich bereits auf diesen Weg begeben, wissend, dass dies ein langer Weg ist. Dennoch weiß die oldenburgische Kirche um die Notwendigkeit dieses Prozesses.
Oldenburg, 9. März 2024
Abschluss der Synodentagung
Abschluss
Der Synodale Jost Richter dankte Synodenpräsidentin Sabine Blütchen für die Leitung der Synodentagung.
Nach Gebet und Segen durch Bischof Thomas Adomeit schloss Synodenpräsidentin Sabine Blütchen die Verhandlungen der 2. außerordentlichen Tagung der 49. Synode.
Zu ihrer 9. Tagung wird die 49. Synode vom 15. bis 17. Mai 2024 im Evangelischen Bildungshaus Rastede zusammenkommen.
Von der Synodentagung berichteten Esben Fest, Dirk-Michael Grötzsch, Pfarrer Hans-Werner Kögel, Luise Pahl, Sabine Schlösser und Lucas Söker.