Zwei Tage lang tagte die II. Wissenschaftliche Konferenz zum Thema: Identität und Integration der Deutschen aus Russland in Augsburg. Vom 8. bis 9. November hatte dazu der Förderverein der Deutschen aus Russland in Augsburg e.V. in Zusammenarbeit mit dem Göttinger Arbeitskreis e.V. eingeladen. Gastgeberin war die Stadt Augsburg, deren Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl das Grußwort sprach.
Es sei ihm eine große Ehre, den Ratssaal und den historischen Goldenen Saal zur Verfügung zu stellen, um ein wichtiges Kapitel deutscher Wanderungsgeschichte aufzuarbeiten, so Oberbürgermeister Gribl. In der Tat, so schloss sich der Vorsitzende des Präsidiums der Tagung, der Göttinger Historiker Dr. Alfred Eisfeld, an, könne man sich diesem Kapitel nun neu widmen, weil die Ukraine die Archive geöffnet habe. Es sei jetzt z.B. möglich, die Deportationsakten der Ukrainerdeutschen in Nikolajev aus den 1930er/1940er fast vollständig auszuwerten.
Prof. Dr. Natalia Venger aus Denepropetrovsk fügte ihre Forschungsergebnisse über die mennonitischen Unternehmer-Dynastien an, Prof. Dr. Arkadij German aus Saratov seine teilweise schockierenden Analysen aus der Zeit der sowjetischen Wolgarepublik 1918-1941, in denen junge Deutsche als Pioniere und Mitglieder der Jugendorganisation geradezu Spitzeldienste für die Partei in den Dörfern übernahmen, um die Zwangskollektivierungen und politisch erzeugten Hungerperioden zu überwachen. So stelle sich die heutzutage häufig verklärte Rückschau auf die Wolgadeutsche Zeit auch in ein neues Licht der systematischen Zerstörung der Identität der deutschen Siedlungsgebiete durch Sowjetisierung und Enteignung. Die sei schon unter Lenin ab 1921 lange vor der Deportation 1941 geschehen.
Neben vielen weiteren Spezialthemen sprach der Theologe PD Dr. Christian Eyselein aus Neuendettelsau über Russlanddeutsche in Kirche und Gesellschaft. Er unterstrich das tiefe Wissen dieser Kirchenglieder ums Brückenbauen und Neuanfangen und warb darum, diese innovativen Kräfte für die Kirchen zu nutzen und die Aussiedler als eine der dynamischsten Gruppen der EKD zu unterstützen.
Dem schloss sich auch der Aussiedlerbeauftragte der oldenburgischen Kirche, Pfarrer Dr. Oliver Dürr, an. Dabei sei es an der Zeit, die jüngste Generation der 20- bis 35-Jährigen in den Blick zu nehmen und zu fragen, was denn nun eigentlich für sie die große historische Gedächtniskultur leisten solle?
Man muss uns Jüngeren auch Luft zum Atmen geben. Wir haben auch schon eine eigene Geschichte in Deutschland, die mit Russland und Kasachstan wenig zu tun habe, so brachte es eine 30jährige Teilnehmerin für sich auf den Punkt.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion gaben die politischen und kirchlichen Vertreter ihre Sicht der geglückten Integration noch einmal anschaulich zum Besten, wünschten sich allerdings in Kirche und Gesellschaft noch mehr Engagement der Deutschen aus Russland. So zeigte einer der bayerischen Landtagsabgeordneten auf, dass es in Augsburg acht Prozent der Bevölkerung mit russlanddeutschem Hintergrund gebe, aber nur einen Stadtrat.
Pfarrer Dürr ergänzte, dass in Oldenburg jedes achte Mitglied der Ev.- Luth. Kirche russlanddeutsch sei, jedoch kein einziges Mitglied der Synode angehöre und bis jetzt nur wenige in den Gemeindekirchenräten säßen. Da gebe es kräftigen Nachholbedarf.
Ein Beitrag von Pfr. Dr. Oliver Dürr, Aussiedlerbeauftragter der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg.