Sie treffen sich bei vielen Terminen, übernehmen zusammen Schirmherrschaften, etwa für das „Bündnis gegen Depression Weser-Ems“, und nächstes Jahr wollen sie gemeinsam anlässlich des Reformationsjubiläums nach Wittenberg fahren: Die Zusammenarbeit von Bischof Jan Janssen und Weihbischof Heinrich Timmerevers ist ein Paradebeispiel für gelebte Ökumene.
Am Samstag, 9. April, kamen der katholische Weihbischof Heinrich Timmerevers vom Bischöflichen Offizial Vechta und der Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, Jan Janssen, für ein Podiumsgespräch zusammen. „500 Jahre Reformation und 50 Jahre Zweites Vatikanum – Einblicke und Ausblicke zur Ökumene im Oldenburger Land“ lautete das Motto in der Oldenburger Forumskirche St. Peter. Das angeregte und sehr persönliche Gespräch moderierte der Journalist Jürgen Westerhoff.
„Welche Schritte sind schon gegangen, welche sind noch nötig?“, begrüßte Pfarrer Michael Rupieper die Zuhörerinnen und Zuhörer in der gut besuchten Forumskirche. „Wir wollen heute hören, wie es um die Ökumene im Oldenburger Land steht.“ Anlass des Gesprächs sind das Reformationsjubiläum 2017 sowie das vor gut 50 Jahren vom II. Vatikanischen Konzil verabschiedete Dekret zur Ökumene.
Von Beginn an war das Oldenburger Land Vorreiter in der Verständigung von katholischer und evangelischer Kirche in Deutschland. Bereits kurz nach dem Dekret trafen sich hier 1966 Vertreterinnen und Vertreter der katholischen und der evangelisch-lutherischen Kirche zum Austausch, der seitdem immer enger und vertrauensvoller geworden ist. „Das ist eine echte Oldenburger Erfolgsgeschichte“, so Moderator Jürgen Westerhoff, der die Bischöfe fragte, wie sie sich diesen Erfolg erklären.
„Wir haben hier natürlich den Vorteil der räumlichen Nähe“, so Jan Janssen. „Weihbischof Timmerevers und ich treffen uns oft bei Terminen, aber wir überlegen auch speziell, was wir zusammen auf die Beine stellen können. Seit acht Jahren begehen wir zum Beispiel den 1. Advent, den Beginn des Kirchenjahrs, zusammen in einem Gottesdienst in wechselnden Gemeinden der Region.“ Demnächst planten sie in Hasbergen bei Delmenhorst den ökumenischen Pilgerweg ein Stück zusammen zu gehen, ergänzte Heinrich Timmerevers. „Was uns ganz allgemein prägt, ist, dass wir uns im Glaubenszeugnis gegenseitig stärken.“ Und das sollte Schule machen, findet Bischof Janssen: „Ich fordere Sie alle auf: Suchen Sie sich einen Partner, eine Partnerin der jeweils anderen Konfession und fahren Sie im nächsten Jahr zusammen zum Reformationsjubiläum nach Wittenberg, so wie Weihbischof Timmerevers und ich es tun.“ „Und danach fahren wir dann gemeinsam nach Rom“, scherzte Timmerevers, der damit den Applaus der Zuhörerinnen und Zuhörer erntete.
„Man merkt, dass Sie sich auch persönlich gut verstehen“, stellte Moderator Jürgen Westerhoff fest. „Es geht uns eben nicht nur um die große Kirchenpolitik, sondern auch darum, uns persönlich auszutauschen. Das tut gut“, so Janssen. Und Timmerevers: „Wir nehmen Anteil aneinander, am Leben mit Kirche. Das ist bereichernd und bewegend.“
Zwar finden heute ganz selbstverständlich ökumenische Gottesdienste und Trauungen statt, was vor 50 Jahren noch undenkbar war. Doch natürlich bleiben Punkte, in denen sich die Konfessionen unterscheiden – etwa bei der Beichte und dem Abendmahl. „Es gibt die Sehnsucht nach einer ökumenischen Tischgemeinschaft beim Abendmahl, aber die Unterschiede sind da, und sie sind nicht so leicht zu überbrücken“, erklärte Weihbischof Timmerevers. „Daran müssen wir noch weiter arbeiten. Aber wir kommen nicht zu mehr Ökumene, wenn wir unsere Konturen abschleifen.“
„Wenn wir noch nicht zu einem ökumenischen Abendmahl gefunden haben, dann respektiere ich das“, so Bischof Janssen. „Man darf nicht vergessen, dass wir in vielen Belangen in den letzten 50 Jahren sozusagen den Turbo eingelegt haben. Die ersten ökumenischen Gespräche im Oldenburger Land haben vor 50 Jahren ohne gemeinsames Gebet begonnen – das hat dann nochmals neun Jahre gedauert. Bis zum gemeinsamen Abendmahl brauchen wir noch etwas Geduld.“
Auf die Frage, ob es Themen gebe, in denen die Kirchen stärker wahrgenommen werden sollten, antwortete Janssen: „Im Moment sehe ich eine Aufgabe in der Integration der Menschen, die nicht von hier stammen. Unsere Kirchen schulen Ehrenamtliche, das ist ein großer Beitrag.“ Er sehe eine Herausforderung darin, die Zukunft des Religionsunterrichts mitzugestalten, über die derzeit diskutiert werde, so Timmerevers. „Wir arbeiten gemeinsam daran und wollen mit den Verantwortlichen in der Politik zusammenkommen.“
Aus dem Publikum wurden unter anderem die Massentierhaltung in der Region und der Dialog mit anderen Religionen wie dem Islam angesprochen.
„Unterschwellig werde ich häufig mit der Angst konfrontiert, dass unsere Kultur an den Rand gedrängt wird“, kommentierte Weihbischof Timmerevers. Viele Menschen befürchteten angesichts der vielen Flüchtlinge eine Islamisierung der Gesellschaft. Diese Einschätzung teile er nicht, so Timmerevers. Er halte es da mit Bundespräsident Joachim Gauck, der gesagt habe: „Ich habe keine Angst vor einem starken Islam, ich habe Angst vor einem schwachen Christentum.“ Er finde es wichtig, dass Christinnen und Christen zu ihrem Glauben zu stehen, betonte Timmerevers.
„Wir können dabei aus der Ökumene lernen“, so Bischof Jan Janssen. „Wichtig ist ein gesellschaftliches und soziales Miteinander, so wie die Caritas und die Diakonie beide für die Gesellschaft tätig sind. Kernpunkt ist für mich ein christlicher Respekt, ein behutsames Kennenlernen.“
Die Massentierhaltung habe in seinen Augen, so Timmerevers, der selbst aus der Landwirtschaft stammt, beunruhigende Formen angenommen: „Es gibt einen Strukturwandel. Die Politik hat meiner Meinung nach in den letzten zwanzig, dreißig Jahren nicht immer den richtigen Kurs gesetzt.“ Beide Bischöfe sprachen auch die Rolle der Verbraucher an. „Als Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg bieten wir etwa das Projekt ‚Zukunft Einkaufen‘ an, das Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen beim bewussten Einkaufen unterstützt“, sagte Janssen.
Abschließend fragte Moderator Westerhoff nach den Zielen für die weitere Zusammenarbeit in der Ökumene. „Weiter die Gemeinsamkeiten suchen und zueinanderfinden in Unterschiedlichkeit und Einheit“, sagte darauf Weihbischof Timmerevers. „Ich denke an das Wort Gottes zu Abraham: ‚Geh in das Land, das ich dir zeigen will‘“, so Bischof Janssen. „Ich wähle dieses Bild bewusst: Dass wir lernen, wieder und wieder zu neuen Aufbrüchen bereit zu sein.“
Zur Veranstaltung eingeladen hatte der Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung, Bezirksgemeinschaft Oldenburg, in Kooperation mit dem Forum St. Peter sowie der Katholischen Erwachsenenbildung und der Evangelischen Erwachsenenbildung. Bereits im Februar hatten beide Kirchen das 50-jährige Jubiläum der Oldenburger Ökumenischen Gespräche in Vechta gefeiert. Die Bischöfe und Kirchenleitungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und des katholischen Bistums Münster trafen sich am 8. Januar 1966 erstmals zu einem ökumenischen Gespräch auf regionaler Ebene. Vergleichbare Gespräche gab es bis dahin in Deutschland nicht.
Ein Beitrag von Antje Wilken.