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Die Kirchen in Europa müssten für ein Europa als Wertegemeinschaft eintreten, sagte der österreichische Bischof Hon.-Prof. Dr. Michael Bünker am Montagabend, 10. Dezember, anlässlich des Adventsempfangs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg in der Oldenburger St.-Lamberti-Kirche. „Das bedeutet Einsatz für Dialog, für Respekt und Verständnis zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen und eine größere Sensibilität im Umgang mit religiösen Überzeugungen.“ Dazu gehöre der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Bereitschaft zur Solidarität, die nicht an den Grenzen einzelner Staaten ende und über die Grenzen Europas hinausreiche, betonte der Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich, der seit 2007 auch Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) ist.

Der europäische Protestantismus bringe die Erfahrung von Vielfalt und in vielen Fällen auch die der zahlenmäßigen Minderheiten mit, analysierte der Theologe in seinem Vortrag zum Thema „Evangelisch in Europa“. Damit sei eine Analogie zur allgemeinen Situation Europas gegeben, denn auch Europa sei durch die Spannung von Vielfalt und Einheit gekennzeichnet. Für die Kirchen der GEKE sei dafür die Formulierung der „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ zu einem Leitgedanken geworden. Mit dieser Formulierung werde zuerst das Verhältnis der evangelischen Kirchen untereinander beschrieben, dann sei es auch das Leitbild für die Ökumene der christlichen Kirchen und schließlich mag es als eine produktive Beschreibung für das Zukunftsprojekt Europa brauchbar sein.

„Die gegenwärtige Krise hat das Misstrauen vieler Menschen gegenüber den europäischen Institutionen verstärkt“ und stärke nationalistische und populistische Tendenzen und Parteien, so Bünker. Darum sprächen sich die evangelischen Kirchen der GEKE „für eine Umkehr zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, zu stabilen Sozialsystemen, zur Bereitstellung bedarfsgerechter öffentlicher Güter wie der Bildung und zu einem nachhaltigen, die Schöpfung erhaltenden Wirtschaften“ aus.

„Die Europäische Union leistet einen wichtigen Beitrag zu Frieden, Freiheit und Wohlstand in Gerechtigkeit in Europa. Diesen Zielen wissen sich auch die evangelischen Kirchen verpflichtet. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – wie die Globalisierung, der Klimawandel, der demographische Wandel, die Veränderungen in der Weltwirtschaft, der politische Transformationsprozess in den Nachbarregionen Europas – verlangen nach einem freien und geeinten Europa, dessen Bereitschaft zur Solidarität nicht an den Grenzen einzelner Staaten endet und über die Grenzen Europas hinausreicht.“

Wenn das Modell einer „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ nicht nur für die Gemeinschaft von Kirchen, sondern auch für das zusammenwachsende Europa passe, freue es ihn, wenn in diesem Sinn Europa etwas „evangelischer“ werde. „Bei alledem sehen sich die evangelischen Kirchen aber nicht in der Rolle der Lehrmeisterin, sondern wissen, dass sie selbst in vielfältiger Weise und aktiv in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik eingebunden sind. Sie werden sich selbstkritisch den eigenen Verstrickungen in die Krise stellen. Dadurch wird glaubwürdig vermittelt, dass sich die evangelischen Kirchen als Akteurinnen in der europäischen Zivilgesellschaft verstehen und ihren Beitrag dazu leisten, dass die Krise auch als Chance wahrgenommen wird, die Zivilgesellschaft in Europa insgesamt zu stärken.“

Das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 biete zudem Gelegenheit, „die befreiende Wahrheit des Evangeliums als inspirierenden Impuls für das Europa der Zukunft zu kommunizieren“, schloss Bünker.
 
Der Oldenburger Bischof Jan Janssen erinnerte in seiner Ansprache an den Tag der Menschenrechte, den die Vereinten Nationen am 10. Dezember begehen. Menschen warteten immer noch überall auf der Welt voll „durstiger Sehnsucht“, dass sie zu ihren Rechten als Menschen kämen, auf Würde, auf Freiheit und Nahrung, so Janssen. Er rief dazu auf, kritischer zu denken und konstruktiver mitzuwirken, wenn es um die immer noch ausstehende Menschwerdung des Menschen gehe.

Oldenburg sei eine Stadt, die voller Stolz wachse und sich die zweitdynamischste in Deutschland nennen dürfe, so Bischof Jan Janssen. Das Umland stehe wirtschaftlich so gut da, wie lange nicht, mit geringen Arbeitslosenzahlen und innovativen Standorten in der Energiewende. Die Region stehe bei alledem treu zu ihrer Kirche und die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg habe auf ihrem Zukunftskongress im Juli dieses Jahres das Engagement und die Gestaltungslust der Christenmenschen erlebt und gezeigt.

Mit Blick auf Europa betonte Janssen, dass das Wohlergehen trotz allen Bemühens unterschiedlich verteilt bleibe und mehr und mehr Menschen von außen Zuflucht und Heimat suchten. Janssen forderte dazu auf, Verantwortung wahrzunehmen im Blick darauf, dass „es uns so gut und anderen schlecht geht. Geben wir ab, teilen wir fröhlich, nehmen wir diejenigen mit, die der Apostel Paulus in der Jahreslosung 2012 gemeint hat, wenn Gott sagt: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Im Anschluss an den Vortrag von Bischof Bünker bestand Gelegenheit zu Begegnung und Gesprächen. Der alljährliche Adventsempfang der oldenburgischen Kirche wurde musikalisch gestaltet mit Musik aus der Welt der Sinti und Roma des Ensembles Chapeau Manouche. Angelehnt an die Swingmusik der 1920er- und 1930er-Jahre umfasst das Repertoire der Band Chanson- und Swingklassiker dieser Zeit. Im Jahr 2010 gewann das den Jazzpreis des Summerjazz-Festivals in Pinneberg.

Adventsempfang 2012 der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg: Bischof Michael Bünker (li.) und Bischof Jan Janssen. Fotos: ELKiO/D.-M. Grötzsch
Adventsempfang der oldenburgischen Kirche in der Oldenburger St.-Lamberti-Kirche
Adventsempfang 2012
Bischof Hon.-Prof. Dr. Michael Bünker von der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich
Musik aus der Welt der Sinti und Roma mit dem Ensemble Chapeau Manouche
Ökumenische Gäste aus Togo und Ghana