Unter dem Thema: „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ (Lukas 1,79) ist jetzt ein friedensethischer Konsultationsprozess in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg gestartet worden. Der erste Vortrag mit anschließender Diskussion fand am Mittwoch, 14. Februar, in Rastede-Wahnbek zum Thema: „Die Friedensbotschaft der Bibel und die Frage nach militärischer Gewalt als letztem Ausweg“ statt.
„Es ist eine Ehre, hier im Gemeindehaus in Wahnbek die Vortragsreihe im landeskirchenweiten Konsultationsprozess eröffnen zu dürfen." Mit diesen Worten begrüßte Gemeindepfarrer Gundolf Krauel nicht nur die Referenten des Abends, sondern auch Synodenpräsidentin Sabine Blütchen und den Referenten für theologische und gottesdienstliche Grundsatzfragen, Pfarrer Nico Szameitat, im Publikum.
Passen die Friedensbotschaft der Bibel und die Befürwortung von militärischer rechtserhaltener Gewalt als letztem Ausweg zusammen? Mit „Ja" beantwortete Dr. Roger Mielke, Oberkirchenrat bei der Evangelischen Kirche in Deutschland, diese Frage. Mit einen ebenso eindeutigen „Nein" antwortete Dietrich Becker-Hinrichs, Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Baden.
Dr. Roger Mielke machte in seinen theologischen Ausführungen deutlich, dass mit der Macht des Bösen in dieser Welt zu rechnen sei. Auch wenn das Evangelium in seinem Kern für eine Praxis der Gewaltlosigkeit plädiere, seien im Blick auf konkrete Entscheidungen doch Abwegungsprozesse angemessen und erforderlich. Christliche Friedensethik zeichne sich dadurch aus, dass sie auf der Bibel fuße, Konflikte ernst nehme und im Diskurs angemessene Antworten finde. Hierbei seien theologisch sowohl die schöpfungstheologische Dimension, die jedem Menschen die gleiche Würde und ein unbedingtes Lebensrecht zuspreche, der Bezug auf die Ethik Jesu, die die Praxis der Gewaltlosigkeit beinhalte und die Tatsache zu berücksichtigen, dass wir in einer Welt leben, die im Blick auf das Reich Gottes im Bezugsrahmen des "schon jetzt" und "noch nicht" zu verstehen sei. In diesem Zusammenhang sei die Bergpredigt Jesu ein zentraler, aber nicht der einzige theologische Begründungszusammenhang, so Mielke.
Dietrich Becker-Hinrichs hob in seinen Ausführungen dagegen hervor, dass die Bergpredigt Jesu eine Ethik biete, die praktikabel und anwendbar sei. Im Gesamtzusammenhang einer biblischen Theologie ergebe sich so ein klarer und eindeutiger Handlungsrahmen. Leider habe es in der Geschichte der Bibelauslegung immer wieder Interpretationen gegeben, die diese Einsicht überlagert hätten. Umso dringender sei eine erneute Beschäftigung mit den biblischen Texten und den neueren Ansätzen der Bibelexegese geboten. Dass die Beschäftigung mit der biblischen Botschaft unabdingbar erforderlich sei, wenn Christinnen und Christen Antworten auf friedensethische Fragestellungen suchen, betonten beiden Referenten.
„Theologie ist auch aus der jeweiligen Zeit heraus zu verstehen. So gab es im letzten Jahrhundert bellizistische Theologien, die sich durchaus als biblische Theologien verstanden", erklärte Oberkirchenrat Mielke in seinem Eingangsvortrag. Davon sei die heutige Befürwortung des Einsatzes von Militär als letztem Ausweg, wenn alle gewaltärmeren Möglichkeiten ausgeschöpft seien, und ausschließlich als rechtserhaltene Gewalt, aber weit entfernt. Das Evangelium sei in seinem Kern gewaltfrei, böte aber immer eine Reihe unterschiedlicher Optionen, um in der uns umgebenden Welt handeln zu können.
Dietrich Becker-Hinrichs verwies in seinem Statement auf die tatsächlichen Folgen der Anwendung militärischer Gewalt. „Sobald der Einsatz beginnt, läuft alles anders als geplant und gewollt." Es sei eine Illusion zu glauben, militärischer Einsatz würde Gewalt in Konflikten minimieren und Opferzahlen reduzieren. In Libyen habe es unter dem Diktator Gaddafi einige tausend Tote gegeben, mit dem militärischen Eingreifen der USA und europäischer Staaten habe sich diese Zahl verzehnfacht. Das Land sei alles andere als befriedet und der Krieg in Mali eine unmittelbare Folge. In Afghanistan habe es 2001 viele, aber im Verhältnis zu heute eigentlich nur wenige Terroristen gegeben. Der „Krieg gegen den Terror" habe sich hier eher als „Terrorzuchtprogramm" erwiesen. Das Festhalten am Einsatz von Militär als letztem Mittel der Friedenssicherung habe sich immer wieder als Illusion erwiesen.
Becker-Hinrichs zitierte aus Willy Brandts Friedensnobelpreisrede von 1971: „Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Es geht darum, Kriege abzuschaffen, nicht nur, sie zu begrenzen. Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio."
Das fatale sei, dass das Festhalten an der ultima ratio, die ja auch von deren Befürworter für das letzte eine Prozent der Krisen- und Konfliktlösung vorgesehen sei, mehr als 90 Prozent der finanziellen Mittel, der Forschung, der Strategieentwicklung binde. 37 Milliarden Euro Militärausgaben stünden drei Milliarden für zivile Maßnahmen gegenüber, erläuterte Dietrich Becker-Hinrichs. Es gehe darum, den „Vorrang für zivil" auch tatsächlich Vorrang einzuräumen, der sich in den finanziellen Mitteln, im Personal und in Forschungs- und Strategieanstrengungen widerspiegeln müsse. Dem pflichtete Mielke sofort bei. „Die Kirchen haben in diesem Bereich eine große Aufgabe. Nach meiner Beobachtung erwartet die Politik hier von uns, dass wir das immer wieder einfordern."
„Wo sehen Sie uns in der oldenburgischen Kirche in fünf Jahren?" fragte der Moderator des Abends, Kreispfarrer Lars Dede, zum Schluss die beiden Referenten. „Ich hoffe, Sie haben dann viele lebendige Debatten gehabt, sind der Frage der Gerechtigkeit nachgegangen – Ungerechtigkeit ist die Ursache für fast alle Konflikte – und haben Ressourcen freigemacht, um gezielt für Gerechtigkeit und Frieden arbeiten zu können." so Dietrich Becker-Hinrichs. „Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass wir stärker als bisher bei den gesellschaftlichen Herausforderungen, die an uns herangetragen werden, die friedenstheologische Brille aufsetzen und dass vor allem auch in den Gemeinden eine Selbstverpflichtung eingegangen wurde und wird, Kirche des gerechten Friedens zu werden", betonte Roger Mielke in seinem Schlusswort.
Die Vortragsreihe wird am Donnerstag, 1. März, im Gemeindehaus Ohmstede Butjadinger Straße 59, 26125 Oldenburg, fortgesetzt. Um 19:00 Uhr wird Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach sprechen zum Thema: „Den Blick verändern: Friedenslogik statt Sicherheitslogik". Kreispfarrerin Ulrike Hoffmann wird durch den Abend führen.
Friedensethischer Konsultationsprozess
Mit der Reihe von insgesamt sechs Vorträgen und Veranstaltungen lädt die oldenburgische Kirche dazu ein, über Fragen und Aspekte des Leitbilds eines „gerechten Friedens“ miteinander ins Gespräch zu kommen.
Der Friedensethische Konsultationsprozess wurde von der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg initiiert. Sie hatte sich im Vorfeld mit aktuellen friedensethischen Fragen befasst und einen Beratungsprozess angeregt. Insbesondere in den Jahren 2018 und 2019 sollen sich die Kirchengemeinden und Einrichtungen im Oldenburger Land schwerpunktmäßig mit dem Thema Frieden auseinandersetzen.
Die Vorstellung eines „gerechten Friedens“ ist in den Kirchen der weltweiten Ökumene weitgehend als Leitbild akzeptiert. Nun entfaltet jedes Leitbild seine Wirkung erst durch Umsetzung in die Praxis. Unterschiedliche Kirchen kommen hier zu unterschiedlichen Handlungsperspektiven.
Zentrale Fragen für den oldenburgischen Konsultationsprozess sind: Was bedeutet das Eintreten für „gerechten Frieden“ in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg? Welche Vorstellungen ruft dieses Leitbild bei uns hervor? Der Friedensethische Konsultationsprozess fragt auch danach, wie der Gedanke des gerechten Friedens für die Gemeinden und Einrichtungen der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg fruchtbar gemacht werden kann.
Laut Pfarrer Olaf Grobleben, Beauftragter für Ethik und Weltanschauungsfragen der oldenburgischen Kirche, sind die Ziele des Friedensethischen Konsultationsprozesses: „sich der friedensfördernden Impulse unserer eigenen biblischen und theologischen Tradition bewusst zu werden, eine eigene friedensethische Position zu erarbeiten und die Förderung des Friedens als kontinuierliche Aufgabe in der Kirche zu verstehen und zu verstetigen.“
Praktisch solle damit erreicht werden, „dass Friedensthema in unterschiedlichen Weise regelmäßig zu thematisieren, z. B. in den Gemeinden und in der Familien- und Erwachsenenbildung, in der Akademie oder in der Jugendarbeit, im interreligiösen Gespräch oder in der Arbeit mit Flüchtlingen“, so Grobleben.
Mit dem Friedensethischen Konsultationsprozess stellt sich die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg laut Grobleben in eine Reihe mit anderen evangelischen Landeskirchen wie der Ev. Kirche in Baden, der Evangelischen Landeskirche in Württemberg oder der Nordkirche. In der weltweiten christlichen Ökumene ist die Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Friedensthemas insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten stetig gewachsen.
So endete 2011 eine vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) ausgerufene „Dekade zur Überwindung von Gewalt“. 2013 sprach die ÖRK-Vollversammlung eine Einladung aus, sich an einem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens zu beteiligen. Mittlerweile ist die Vorstellung eines gerechten Friedens weltweit in den christlichen Kirchen als Leitbild akzeptiert.
Ein Beitrag von Peter Tobiassen, Evangelisches Bildungswerk Ammerland.