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„Je größer der äußere Druck in der Schule wurde, desto größer wurde mein innerer Widerstand gegen das ganze System“, so fasst Claus Schlaack (65), heute Oberst im Ruhestand in Lohne, die Erfahrungen seiner Jugend- und Schulzeit in Rostock in Mecklenburg zusammen. 1961, zwei Wochen vor dem Mauerbau, verlässt Schlaak, damals gerade 17 Jahre alt gemeinsam mit seinem 15 Jährigen Bruder die DDR in Richtung  Westdeutschland. Vor Schülern des Fachgymnasiums im Jahrgang 12 des Religionskurses von Schulpfarrerin Sabine Arnold war dies ein Bericht eines Betroffenen, der viele zeitgeschichtliche Informationen noch einmal ganz lebendig werden ließ. Das Kursthema lautet: Die friedliche Revolution von 1989 und der Beitrag der Kirchen.
„Es macht einfach einen Unterschied, ob man komplizierte Texte zum Thema Kirche und Religion im Sozialismus erarbeitet oder einen Menschen erlebt, der die Auswirkungen der sozialistischen Ideologie in Grundschule, Schule und außerschulischem Bereich hautnah erlebt hat“, fasste Pfarrerin Arnold den Unterichtsbesuch zusammen.
Claus Schlaack erzählte anschaulich von den Ferienbesuchen auf dem Lande, wo er durch die Großeltern einen intensiven Kontakt zu Kirche und Gottesdienst bekam, der ihn zeitlebens prägte und berichtete von der dauernden Betonung der marxistisch- leninistischen Ideologie im Schulalltag. An jedem Montag musste die Klasse geschlossen zum Fahnenappell auf dem Schulhof erscheinen. Die Wochenlosung wurde ausgegeben und die Fahne der DDR gehisst. Anschließend musste die Klasse nach militärischer Ordnung in den Klassenraum marschieren.
In allen Fächern wurde bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, dass die herrschende Ideologie des Sozialismus dem Kapitalismus weit überlegen sei. „Wir mussten uns bestimmte Kernsätze angewöhnen, um im Schulalltag bestehen zu können. Sonst hätten wir schlechte Noten wegen politischer Unzuverlässigkeit riskiert. Im schlimmsten Fall hätten wir die Schule verlassen müssen.“
In einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, hatte Claus Schlaack auf normalem Wege keine Chance das Abitur zu machen: „Freie Berufswahl gab es nur für Kinder von Parteigenossen. Wenn ich nicht einen erstklassigen Fürsprecher gehabt hätte, wäre ich Metallarbeiter auf der Werft geworden. Es war ein großes Glück, dass unser Nachbar sich dafür eingesetzt hat, dass ich die Erweiterte Oberschule (EOS) besuchen durfte. “
„Zuhause haben wir nur den NWDR aus Hamburg gehört, aber mein Vater schärfte uns fünf Jungs ein, nur vom Sender „Stimme der DDR“ zu erzählen. Westradio war absolut verboten. Wer es doch hörte, riskierte Ärger oder sogar Verhaftung.“, skizzierte Schlaack die politische Stimmung, die vielfach durch Angst und Verunsicherung geprägt war.
„In den 50er Jahren war es normal, dass Schüler im Klassenraum verhaftet wurden und Tage oder Wochenlang verschwanden. Manche wurden auch schlimmen Prozessen und absurd hohen Strafen ausgesetzt, weil sie sich angeblich zum Teil lächerlicher Vergehen schuldig gemacht hätten.“
Kristof Nordmann, Schüler des Fachgymnasiums Wirtschaft aus Wildeshausen zeigte sich zufrieden mit dem Besuch: „Es ist einfach aufschlussreich, jemanden live zu sehen. Es ist etwas Anderes als eine Fernsehsendung oder ein Zeitungsartikel. Aber: Zum Glück habe ich in der Zeit nicht gelebt!“
Kristin Schultz, Schülerin des Fachgymnasiums Gesundheit, merkte an: „Ich habe Herrn Schlaack gerne zugehört, er hat viele Beispiele genannt, die mich zum Fragen motiviert haben.“
Auch Claus Schlaack war begeistert von den Schülern: „Sie haben sich erstklassig benommen, keine Mützen, keine Flegeleien. Die Schüler waren interessierte  Zuhörer und haben gute Fragen gestellt. Ich habe das erste Mal vor einer Klasse erzählt, es hat mir Spaß gemacht.“

Sabine Arnold
01.09.09