Briefe sind ein ganz besonderer Schatz. Persönliche Briefe sind etwas, das bleibt, auch über den Tod hinaus. Dennoch: Briefeschreiben ist aus der Mode gekommen, eine kurze Nachricht per SMS oder WhatsApp, so funktioniert heute Kommunikation. Leider oft auch zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen oder Hochzeitstagen. Und oftmals werden so sogar Liebesbeziehungen beendet. Dabei kann ein Brief, bei dem jeder Satz wohl überlegt ist, ein echtes Geschenk sein, und zwar für Schreibende und für Empfänger.
Um solche Briefe ging es in einem ökumenischen Theatergottesdienst, der im Rahmen der Sommerkirche jetzt in der katholischen St. Marien-Kirche in Schillig stattfand. Gestaltet wurde er von den Pastorin Sabine Kullik (evangelisch-lutherisch) und Pastor Lars-Jörg Bratke (katholisch) sowie von den Schauspielern Stephanie Baak und René Schack aus Oldenburg.
Unter dem Motto „Wir wohnen Wort an Wort“ begrüßte Pastorin Kullik die Besucherinnen und Besucher in der Marienkirche. Sie zitierte ein Gedicht von Rose Ausländer: „Wir wohnen Wort an Wort – sag mir dein liebstes, Freund – meines heißt: Du“.
Pfarrer Bratke berichtete in einer kurzen Predigt von Situationen, in denen die Ruhe am Schreibtisch oder Küchentisch einfach nötig sei, um das, was zu sagen sei, aufzuschreiben. „Was dabei herauskommt, ist allemal besser als eine SMS mit: Du kannst mich mal“, meinte er.
Wie interessant, aktuell und anrührend Briefe aus vergangenen Jahren auch nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten noch sein können, erlebten die Besucherinnen und Besucher bei einer szenischen Lesung mit den beiden Schauspielern. Gelesen wurden Briefe aus verschiedenen Epochen und mit unterschiedlichen Themen. So unterhielt sich unter anderem John Steinbeck per Brief mit seinem 14-jährigen Sohn Thom über dessen erste Liebe. Deutlich zu spüren war das Verständnis des Vaters, der mit praktischen Ratschlägen dem Sohn mehr Sicherheit zu geben versucht.
In einem weiteren Brief gibt Clementine Churchill ihrem Ehemann Winston einen Rat. In politisch sehr turbulenten Zeiten steht der Mann stark unter Druck und hat wohl das Maß für den Umgang mit Mitarbeitenden verloren. Auf sehr liebevolle aber auch bestimmte Art liest sie ihm die Leviten und bewahrt ihn so vor möglichen negativen Konsequenzen.
Es ging aber auch um die tiefe Liebe zwischen Mann und Frau, eine Liebe, die zum Beispiel bei Richard Feynman ein Leben lang hielt, obwohl seine Frau Arline bereits mit 25 Jahren verstarb. Ein Brief, den er in mittleren Jahren schrieb und seitdem bis zu seinem Tod bei sich trug, bewies das. Gekonnt setzten die Schauspieler die Texte in Szene, sodass es in der Kirche mucksmäuschenstill war (bis auf ein Handy, das zwischendurch klingelte).
Sabine Kullik und Lars-Jörg Bratke flankierten die Briefe jeweils mit biblischen Texten, die inhaltlich auf die Briefe abgestimmt waren. Michael Wintering hatte dazu passende Musikstücke ausgewählt, die er auf dem Klavier präsentierte. So wurde der Theatergottesdienst eine runde Sache, eine Botschaft zur Entschleunigung und zur gegenseitigen Wertschätzung.
Ein Beitrag von Annette Kellin.