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In der Urlaubszeit nutzen viele Menschen die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen, Rechenschaft abzulegen über Standpunkte, Ziele und Perspektiven, über Erreichtes und unerreichbar Scheinendes. Mit der „Politikerkanzel: Was treibt mich?“ in der Banter Kirche in Wilhelmshaven geht die Bilanz gleich in Serie. An zehn Abenden, immer mittwochs, steht jeweils ein Politiker / eine Politikerin im Mittelpunkt und berichtet über seine /ihre Überzeugungen und die Motivation für das politische Engagement. Den Auftakt machte jetzt am Mittwochabend, 10. Juli, der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) aus Lingen. Er sprach von politischer Verantwortung, Vielfalt des Lebens, der Lust auf Zukunft und seinem persönlichem Glauben.

Für die Politikerkanzel arbeiten Ideengeber Bruder Franziskus Aaron vom Rogate Kloster (Berlin), der in Wilhelmshaven lebt, mit dem evangelischen Kirchenkries Friesland-Wilhelmshaven und der evangelischen Erwachsenenbildung zusammen. Hintergrund ist, beispielhaft mehr über Politiker und ihre Beweggründe für gerade diese Arbeit zu erfahren. Darüber hinaus haben die Zuhörer im Anschluss Gelegenheit, mit dem jeweiligen Politiker ins Gespräch zu kommen.

Zum Auftakt der Reihe begrüßte Bischof Thomas Adomeit knapp 50 Interessierte. Die Reihe gebe Gelegenheit, Politikerinnen und Politiker von einer neuen, menschlichen Seite zu sehen und dabei nicht nur zu erfahren, was sie antreibe, sondern vor allem, was sie trage und tröste und welche Weltanschauung dahinter stehe. Mit der zehnteiligen Reihe wolle die Kirche „Respekt zeigen vor denen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen“, so Bischof Adomeit. Das Projekt einer „Politikerkanzel“ sei bereits vor zehn Jahren im Berliner Rogate-Kloster erprobt worden, erläuterte der Bischof.

Frank Moritz, Pastor der Kirchengemeinde Bant, der die Liturgie übernahm, erklärte, die Reihe sei ein geeignetes Format, um miteinander ins Gespräch zu kommen und sich zuzuhören.

Finanzminister Hilbers, der selber aus der kirchlich-katholischen Jugendarbeit kommt, berichtete, dass er viel Kraft aus dem Glauben schöpfe, hier vor allem ein verlässliches Regulativ, eine Art Kompass, sehe. Deshalb sei ihm auch der Gottesdienstbesuch am Wochenende wichtig. Als Politiker setze er vor allem die begeisterte „Lust, das morgen zu gestalten“ und eine große Leidenschaft für die Sache voraus. Christinnen und Christen seien Optimisten und von daher prädestiniert dafür, sich einzumischen und die Gesellschaft positiv zu gestalten. Angst sei ein schlechter Ratgeber, „nur mit dem Mut, neue Themen anzugehen, wird es uns gelingen, ein positives Morgen zu gestalten“, so der Finanzminister. Dabei habe der Politiker eine den Menschen und der Gesellschaft dienende Funktion. „Wer sich selbst verwirklichen will, soll lieber was anderes machen“, sagte er.

Hilbers rief an diesem Abend zu entschlossenem Handeln auf, wenn Menschen in Deutschland wegen ihrer Herkunft herabgesetzt und ausgegrenzt würden. „Wir müssen entschieden einschreiten, wenn Hass geschürt und Aggression auf die Straße getragen wird“, betonte Hilbers. „Wir leben in einem Land der Vielfalt“, so Hilbers. Dies erfordere Neugier, Austausch und Interesse an anderen Menschen. „Auch um das Bedrohliche zu nehmen, das manche dabei empfinden.“ Wo Vielfalt herrsche, werde auch die Frage nach dem Verbindenden wichtiger, sagte der Minister. „Demokratische Reife beweist eine Nation nur, wenn sie sich ihrer Fundamente sicher ist, die Vielheit annimmt und trotzdem zu gemeinsamem Handeln kommt: durch Kompromiss und für alle tragbare Entscheidungen.“

Hilbers rief Christinnen und Christen auf, sich in der Politik zu engagieren. „Der christliche Glaube ist ein fester Bestandteil meines Lebens. Er gibt mir Kraft, ist eine wichtige Stütze, gibt mir Halt und zeigt mir den Weg. Und man könnte sich nun fragen, ob sich der Glaube und politisches Wirken ausschließen. Ich kann dazu ganz klar sagen: Nein! Im Gegenteil! Politik und Glaube haben mehr Berührungspunkte als man denkt. Für mich sind mein christlicher Glaube und mein politisches Handeln fest verbunden. Ich lasse mich von den christlichen Werten leiten diese fließen natürlich auch in mein politisches Handeln ein. Wir Christen sind aufgerufen, uns in der Welt einzusetzen. Nicht nur an den Werten, auch am Praktizieren des Glaubens soll man uns erkennen. Auch an den Taten!“

Der Glaube könne dabei ein Kompass sein: „Kirche legt den Finger in die Wunde, setzt sich für die Menschen ein, die sich nicht so gut Gehör verschaffen können.“ Der Minister erinnerte dabei auch an die friedliche Revolution in der DDR, bei der sich die Kirchen für die Opposition geöffnet hätten. „Das Gottvertrauen gab den politischen Mut.“

Das Angebot zum anschließenden Gespräch nahmen allerdings nur wenige der Besucherinnen und Besucher wahr. Hier sprach Hilbers auf Nachfrage auch über seine große Sorge gegenüber zunehmenden rechtsradikalen Kräften. Er sehe es als erste Aufgabe der CDU, ein wertekonservatives Profil zu schärfen, damit in der Bevölkerung klar werde, wofür diese Partei stehe. Die Gesellschaft müsse sich aus der bürgerlichen Mitte heraus erneuern und dabei auch die Menschen mitnehmen, die sich an den Rand gedrängt fühlten.

Als weitere Gäste werden unter anderem Sozialministerin Carola Reimann (SPD), Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU), Landtagspräsidentin Gabriele Andretta (SPD), der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erwartet.

Ein Beitrag von Annette Kellin.


Die nächsten Termine der Politikerkanzel:

Mittwoch, 17. Juli 2019|19:00 Uhr, Politikerkanzel: „Was mich treibt?“ mit Amira Mohamed Ali, MdB. Lektor*innen: N.N. und Ratsherr Florian Wiese. Orgel: Kirchenmusikdirektor Klaus Wedel, Jever. Ort: Banter Kirche, Werftstr. 75, Wilhelmshaven-Bant. Bus-Line 2, Haltestelle „Banter Kirche“.

Mittwoch, 24. Juli 2019|19:00 Uhr, Politikerkanzel : „Was mich treibt?“ mit Bürgermeister und Kultursenator Dr. Klaus Lederer (Die Linke), Berlin. Orgel: Stadtkantor Markus Nitt. Lektor*innen: Ingrid Klebingat und Ratsherr Florian Wiese. Ort: Banter Kirche.
Die Politikerkanzel ist ein Gemeinschaftsprojekt des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven, des Rogate-Klosters Sankt Michael (Berlin/Wilhelmshaven) und des Demokratieprojekts „Wangerlandsofa? Hör mal zu!“.

Weitere Informationen unter: www.Politikerkanzel.de 

Eröffnung der zehnteiligen Gottesdienstreihe „Politikerkanzel: Was mich treibt.“ in Bant (von li. nach re.): Landtagsabgeordneter Holger Ansmann, Finanzminister Reinhold Hilbers, Pfarrer Frank Moritz, Bischof Thomas Adomeit und Bruder Franziskus Aaron. Foto: privat
Eröffnung der zehnteiligen Gottesdienstreihe „Politikerkanzel: Was mich treibt.“ in Bant (von li. nach re.): Landtagsabgeordneter Holger Ansmann, Finanzminister Reinhold Hilbers, Pfarrer Frank Moritz, Bischof Thomas Adomeit und Bruder Franziskus Aaron. Foto: privat
Bischof Thomas Adomeit begrüßte die Zuhörerinnen und Zuhörer. Alle weiteren Fotos: ELKiO/Annette Kellin
Finanzminister Reinhold Hilbers während seines Referats.
Die Politikerkanzel findet bis zum 11. September immer mittwochs statt.