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„Wir wollen uns erinnern und mahnen, dass wir uns für den Frieden einsetzen“, so führte Pastor Bernhard Busemann in den Gottesdienst zum Volkstrauertag ein. Erinnern und mahnen ist auch der Titel einer Veranstaltungsreihe der Evangelischen Kirche zum Ersten Weltkrieg, der sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal jährt und die insgesamt 16 Veranstaltungen umfasst.


Bischof Jan Jassen sprach am Sonntag in der vollbesetzten Christus- und Garnisonkirche zu Jeremia 8, Vers 4 bis 7: „Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gerne wieder aufstünde. Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme.“


„Heute, am Volkstrauertag, umgeben von alten und neuen Kriegsnachrichten, rühren die Worte noch tiefer an: So viele von uns, die bis heute in ihrer Familiengeschichte ein Erbe dieses Irrsinns der Weltkriege mit sich tragen, würden all diese Irrwege gerne zurückdrehen. Und wer weiß, ob nicht jeder Mensch, der hinter den Masken der Killer steckt, die aktuell in den Nachrichten aus Nahost Angst und Schrecken verbreiten, auch von diesem Irrsinn weg und sich wieder im Leben zurechtfinden will? Können wir uns den Nachrichten und Bildern noch stellen? Selbst wer nah dran ist, wendet sich ab – und wir können es nicht mal mehr aus der Ferne mit ansehen. Überall geht die Gewalt in Stellung. Das Leben steht und fällt mit dem Frieden – viel mehr, als Ihr es Euch in Eurem Alltag noch klarmacht.


Dieser Volkstrauertag ist nicht mehr nur ein Gedenktag für die Vergangenheit, gar ein Event der Ewiggestrigen. Die gegenwärtig Lebenden aller Generationen stehen nicht mehr nur unter dem Eindruck der Folgen der Weltkriege. Sie leben mit den permanenten Kriegsnachrichten aus dem so genannten Nahen und Mittleren Osten, dem Raum zwischen Israel und Afghanistan. Und wir könnten es mit dem berühmten Antikriegsroman Erich Maria Remarques fast jeden Tag wieder sagen: Im Osten? Nichts Neues!
Halte an im ewigen Kreislauf, halte inne mit der Logik der Gewalt, wach auf aus der bleiernen Betriebsamkeit, werde aufmerksam, komm zur Besinnung! Dass selbst Glaube und Gottesdienst nicht gefeit sind vor Missbrauch durch Falschheit und Feindschaft, daran erinnert die Christus- und Garnisonkirche und manche Veranstaltung der Gedenkreihe - heute, 100 Jahre nach dem ersten Krieg, für dessen Soldaten sie einst gebaut wurde. Wieder und wieder geht es in den gleichen Irrsinn. Lernt die Menschheit eigentlich etwas? Friede ist vielsprachig und fordert zu einer internationalen Verantwortung auf - in einer Welt, die frei von Feindbildern ist, in der uns der Nahe Osten noch näher gekommen ist, in der sich um den Mittleren Osten herum so viele Fragen drehen.“


Janssen zitierte aus Jeremia 8 Vers 7: „Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.“ (Jer 8,7). Er mahnte: „Es sind die Zugvögel, die uns hier an der Küste im Herbst und im Frühjahr so vertraut sind, die wissen, wann es an der Zeit ist – anders als der Mensch, der nun endlich zur Besinnung kommen soll. Eigentlich, wenn wir ehrlich sind, wollen wir es doch auch: Aufstehen nach dem Fall, Zurechtfinden nach dem Irrweg. Frieden nach all der Feindschaft. Leben nach all dem Tod. Mensch, halt ein!, so ruft Gottes Wort bei Jeremia uns zu. Lernt, euch neu, in entgegengesetzter Richtung, auf den Weg zu machen, und miteinander weiterzuziehen, im Auftrieb und im tragfähigen Auf und Ab der Flügel.“


Im Anschluss an den Gottesdienst fand die Gedenkfeier zum Volkstrauertag statt, zu der der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., eingeladen hatte. Oberbürgermeister Andreas Wagner rief dazu auf, als Gesellschaft zur Gewaltfreiheit beizutragen: „Der Volkstrauertag ruft zur Versöhnung über den Gräbern auf. Unser Bemühen um Frieden ist ohne jegliche Alternative.“ Eindrucksvoll zitierten anschließend Rieke Gruber, Julian Mülder und Florian Neumann vom neuen Gymnasiums in Wilhelmshaven aus Briefen von Soldaten. Nach der Totenehrung durch Kapitän zur See Frank Vehoff wurden am Grab des unbekannten Soldaten Kränze niedergelegt. Die Musiker des Luftwaffenmusikkorps begleiteten die Gedenkveranstaltung.

Anke Kück

Bischof Jan Janssen rief bei seiner Predigt dazu auf, endlich zur Besinnung zu kommen und aus der Geschichte zu lernen: „Halte an im ewigen Kreislauf.“
Bischof Jan Janssen rief bei seiner Predigt dazu auf, endlich zur Besinnung zu kommen und aus der Geschichte zu lernen: „Halte an im ewigen Kreislauf.“
Pastor Bernhard Busemann entzündete eine Kerze: „Ein Licht für alle derer wir gedenken.“ Fotos: Anke Kück