0800 - 111 0 111 und 0800 - 111 0 222: Rund um die Uhr ist über diese Nummern ein Mensch zu erreichen. Ein Mensch, der ein offenes Ohr hat und ohne Vorbehalte zuhört. Ein Mensch, der nicht gleich eine Antwort parat hat, der vielleicht aber gerade deshalb Ratlose, Einsame, Verzweifelte, Verängstige, Lebensmüde einlädt, eine Antwort in sich selbst zu finden.
Diese Menschen haben ihre Herzen geschult. Sie schweigen, lassen reden, teilen Leid – Tag für Tag, Nacht für Nacht, Jahr für Jahr: Am Sonnabend feierte die TelefonSeelsorge Friesland-Wilhelmshaven ihren 30. Geburtstag.
Und da waren sie, die Menschen, die sich ehrenamtlich für vertrauliche, anonyme Gespräche zur Verfügung stellen. Auch die, die im Hintergrund koordinieren und organisieren, die die Telefonseelsorge fördern und am Leben erhalten, die sichtbar und unsichtbar Aufgaben übernehmen, die Unterstützer, Förderer und Fürsprecher. Sie alle waren zum Festgottesdienst in die Banter Kirche, Wilhelmshaven, gekommen, um zu danken, zu würdigen und im Segen zu bleiben.
Innere Haltung erzeugt Leid
Christian Scheuer, Kreispfarrer, und Christhild Roberz, Leiterin der TelefonSeelsorge, gingen in einer Dialogpredigt auf das Gleichnis vom bittenden Freund (Lukas 11,5-9) ein, und der Oldenburger Schauspieler René Schack setzte die Botschaft in ausdrucksstarke Bewegung um. Pantomimisch agierte er aus, was Leid bedeuten kann: eine düstere Sicht auf das Leben, das auf diese Weise wie unüberwindbare Mauern, wie eine Gefangenschaft in sich selbst erlebt wird. Es folgte – in einem zweiten Teil – der schwierige Schritt, eine Nummer zu wählen, eine Mail zu schreiben, sich mitzuteilen, sich „die eigene Sicht der Welt von der Seele zu reden“, wie es später Oberkirchenrätin Annette-Christine Lenk formulierte. Das Gespräch mündete schließlich – in einem dritten pantomimischen Auftritt – in einer veränderten Sicht auf die Situation, die im Grunde nicht anders war als zuvor. Es gab weiterhin Schweres zu tragen – allerdings in einer neuen Haltung: aufrecht, gelöst, freundlich, in Kontakt mit sich und mit anderen.
Rund 4000 Anrufe im Jahr
Die Telefonseelsorge war einst aus der Taufe gehoben worden, um Menschen mit Suizid-Gedanken eine Perspektive zu spiegeln. Nach wie vor haben die 32 Ehrenamtlichen Telefonseelsorger*innen aus Friesland und Wilhelmshaven häufig mit Gesprächspartnern zu tun, die kurz davor stehen, sich selbst zu töten. Viele andere Anrufer leiden unter depressiven Stimmungen oder stecken in unlösbar scheinenden Krisen rund um Beziehung, Arbeitsplatz und Schule. Meist aber ist es die Einsamkeit, die Menschen zum Telefonhörer greifen lassen, „abhanden gekommene Gesprächspartner“, wie es in der Einleitung des Festgottesdienstes hieß. Rund 4000 Anrufe gehen mittlerweile jedes Jahr bei der TelefonSeelsorge Friesland-Wilhelmshaven ein.
Für die Seelsorger am Telefon ist es nicht immer einfach, die Energien auf der anderen Seite der Leitung auszuhalten. Zornesausbrüche, Angriffe, Beleidigungen, „unangemessenes Verhalten“, das alles kommt vor. Telefonseelsorgerinnen und Telefonseelsorger aber haben gelernt, dies nicht persönlich zu nehmen; sie wissen um die Wirkungen von Gedanken und Emotionen. Und „um die Überwindung, einen anderen um etwas bitten zu müssen“.
Aber auch von Menschen „in der Funktion von Engeln“, so Annette-Christine Lenk, lässt sich weder die äußere Situation noch die Haltung dazu „wegzaubern“. Dennoch kann ein seelsorgerisches Telefonat zumindest beruhigen, eine Perspektive aufzeigen, ein Lichtschimmer sein, „eine ruhige Nacht“ bescheren. „Letztlich helfen sich die Betroffenen selbst“, machte Pfarrer Christian Scheuer deutlich. Dann nämlich, wenn sie mit sich selbst, mit Gott, ins Gespräch kommen – und im Gespräch bleiben.
Kirche, Politik und Aktive im Austausch
Miteinander ins Gespräch kommen konnten schließlich auch die Gäste der Geburtstagsfeier. Nach dem Festgottesdienst, der musikalisch von Kreiskantor Klaus Wedel (Orgel) und Frauke Harland (Altsaxophon) begleitet worden war, ging das Fest im Mehrgenerationen weiter, mit Grußworten, Musik und Kaffeetafel. Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen, von Politik und den Telefonseelsorge-„Geschwistern“ aus Oldenburg, Hamburg und Kiel brachten Dank und Wertschätzung zum Ausdruck. Es spielte das Akkordeon-Orchester Schortens, und viele auch ungesehene Helferinnen sorgten für Torten, Getränke und Atmosphäre.
Laelia Kaderas