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Liebe Gemeinde,

der Wochenspruch aus dem Lukasevangelium im 10. Kapitel traut uns Christinnen und Christen eine ganz besondere Rolle zu – kann das jedoch heute nicht allein als Herausforderung, sondern auch als Zumutung erfahren werden? Er steht in engem Zusammenhang damit, dass Jesus 72 – andere Fassungen dieses Abschnittes erwähnen hier 70 – seiner Jüngerinnen und Jünger aussendet, die die frohe Botschaft des Evangeliums als Botinnen und Boten verbreiten sollen.

 

Daran wird zunächst deutlich: Gott selbst kann nur in dem Maß wirken, wie sein Wort weitergegeben wird. Dazu sind wir, so dürfen wir weiter schlussfolgern, als Christinnen und Christen damals wie heute aufgerufen. Und damit stehen wir Glaubenden damals wie heute in der Verantwortung, das Evangelium verständlich und vollständig zu verkündigen. Dabei bleibt Jesus realistisch: er rechnet durchaus damit, dass seine Ausgesandten nicht überall auf offene Ohren, sondern eben auch auf Desinteresse, Schulterzucken und Ablehnung stoßen werden. Wem, die sich ihrer Kirchen und ihrem Glauben verantwortlich gegenüber fühlen, käme das nicht auch heute bekannt vor, leider?

   

Die Herausforderung, das Evangelium verständlich zu verkünden, ist groß. Und heute kann sie auch als Zumutung erfahren werden. Denn deutlich ist: Glaubende werden heute in der Öffentlichkeit nicht nur als diejenigen gesehen, die das Evangelium von Gottes Liebe zu allen Menschen mit Worten verkündigen und in Taten beispielhaft umsetzen wollen. Gerade in der Art und Weise, wie sich viele Glaubenden heute kritischen Anfragen stellen müssen wird nach meiner Auffassung deutlich, dass Glaubende das Evangelium nicht nur verkündigen sollen, sondern es auch selbst verkörpern müssen. Das kann sehr fordernd sein.

   

An schwierigen Zusammenhängen oder Beschlüssen ist das zu erkennen. So hat es sich die Synode unserer Kirche nach intensiven Beratungen nicht leicht gemacht mit ihrem Beschluss, die kirchliche Trägerschaft des Blockhauses Ahlhorn zu beenden. Als unmittelbare Folge für die betroffenen Mitarbeitenden ist der Verlust von Arbeitsplätzen mehr als schmerzhaft, keine Frage. Doch wäre ein ‚Weiter so!‘ zu verantworten gewesen? Ich denke: Nein! Um es also klipp und klar zu schreiben: Ich halte den getroffenen Beschluss für richtig und unterstütze ihn.

   

Schon im Vorfeld des Beschlusses wie auch nach der Synodentagung wurde in den sozialen Medien und in den Leserbriefspalten eifrig geschrieben, gebloggt und kommentiert. Viele Stellungnahmen blicken dabei auf das Blockhaus als eine Art Gemeindehaus für die gesamte Kirche verklärend zurück. Das war zu erwarten und zeigt einmal mehr, wie emotional hochbesetzt diesen Vorgang war und ist. Es gibt aber auch andere, die danach fragen, wer die politische Verantwortung für diese Beschlusslage trägt. 

   

Ein langer Zeitraum, ein komplexer Sachverhalt und viele Beteiligte, auf die Frage nach der politischen Verantwortung gibt es wohl keine einfachen Antworten. Wichtig ist dabei zum einen: es geht um Verantwortung, nicht um Schuld. Und zum anderen: es geht eben auch darum, sich dieser Verantwortung zu stellen. Und damit geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Verkündigung. Deshalb: der Wochenspruch traut uns einiges zu und mutet uns einiges zu. Er ist ein möglicherweise unbequemer Teil des Evangeliums. Er ermutigt uns, uns auch schwierigen Diskussionen zu stellen. Christen dürfen dabei auf eins vertrauen: sie sitzen oft zwischen den Stühlen, jedoch immer unter dem Schirm des Höchsten!

   

Pfarrer Olaf Grobleben, Beauftragter für Ethik und Weltanschauungsfragen.

 

Foto: Pixabay.com
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