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Gastpredigt von Jens Nacke, Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags, in Oldenburg

Das siebte Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ und der Satz aus dem Grundgesetz „Eigentum verpflichtet“ seien Sätze, die sich „tief im kollektiven Gedächtnis“ und „in unserem Gewissen verankert“ haben, sagte der Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags, Jens Nacke (CDU), in seiner Gastpredigt am 20. Oktober in der Oldenburger St.-Johannes-Kirche. Beide Sätze riefen zu einem Leben in Freiheit in Verantwortung. „Als Christen wie als Demokraten wissen wir, dass wir es niemals endgültig und niemals absolut vollbracht haben werden.“ Jens Nacke predigte im Rahmen eines Gottesdienstes, mit dem sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg an den evangelischen Aktionen zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes beteiligte.

Eigentum sei mehr als nur Grund und Boden oder Geld, führte Nacke zu Beginn seiner Predigt aus. Eigentum verweise „auf all das, was ich mir als Individuum zu Eigen mache und was ich aus mir selbst heraus – aus meiner Kreativität, meinem handwerklichen Geschick und meiner Hingabe – in dieser Welt verwirkliche“. Eigentum sei „daher Selbstausdruck“ und „unmittelbare Folge aus dem Ruf Gottes in ein Leben in persönlich gestalteter Freiheit.“ Dieses Eigentum genieße nach Artikel 14 des Grundgesetzes einen besonderen Schutz. Es dürfe weder vom Staat konfisziert noch von jemandem anderem weggenommen werden. Die Garantie der persönlichen Freiheit stehe „mit dem Grundrecht auf Eigentum in einem inneren Zusammenhang, und zwar sowohl in biblischer als auch in grundgesetzlicher Perspektive.“ 

Mit dem Satz „Eigentum verpflichtet“ werde das Recht auf Privateigentum relativiert, erläuterte der Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags. Das Grundgesetz baue „hier eine innere Spannung auf, eine Spannung zwischen individueller Freiheit einerseits und deren Bestimmung zum Gemeinwohl andererseits.“  Das sehe er auch im christlichen Menschenbild, so Nacke. „Reichtum ist allein dann wohlgefällig, wenn er sich in den Dienst der Gemeinschaft stellt. Wer besitzt, trägt Verantwortung!“

Diesem könne man nur gerecht werden, „wenn wir alles versuchen, geschehenes Unrecht rückgängig zu machen.“ Einen Schlussstrich dürfe es nicht geben. Nacke erinnerte an die vielen Gegenstände in Bibliotheken und Museen, die einst gestohlen wurden. „Bis heute wissen wir nicht, welche Dinge aus ehemaligem jüdischem Besitz stammen, deren Eigentümer während der Zeit des Nationalsozialismus getötet oder gewaltsam vertrieben wurden.“ Gleiches gelte für Ausstellungsstücke aus der Zeit des Kolonialismus. 

Auch die Verantwortung für die Gemeinschaft begegne einem bei der Frage nach dem Recht auf Eigentum immer wieder. Das gelte sowohl für den Schutz des geistigen Eigentums im Internet als auch für die Verantwortung von Menschen, die neue Arzneien und resistentes Saatgut erfinden und deshalb es ihr Eigentum nennen dürfen. Ebenso müsse das Verhältnis zwischen dem Eigentum an Grund und Boden zum gesellschaftlichen Anspruch auf Verkehrswege, Stromtrassen und sonstigen Versorgungseinrichtungen geklärt werden. Das gelte auch für die Frage, wie das Eigentum der globalen Verantwortung des Klimaschutzes gerecht werden könne, so Nacke. Antworten darauf seien nicht leicht zu finden. Die beiden Sätze „Du sollst nicht stehlen!“ und „Eigentum verpflichtet!“ hätten eine „orientierende Kraft“. Ein „Leben in Freiheit in Verantwortung“ sei nicht einfach, aber weder Christen noch Demokraten seien „zu Bequemlichkeit angehalten“. „Wir suchen uns der Verheißung von Freiheit in Verantwortung anzunähern. Als Christen wie als Demokraten wissen wir, dass wir es niemals endgültig und niemals absolut vollbracht haben werden.“ 

Die Präsidentin der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Sabine Blütchen, unterstrich bei einem „Zwischenruf“ im Gottesdienst die vom Grundgesetz besonders hervorgehobene Freiheit und die Würde des Menschen, die nicht angetastet werden dürfe. „Wer liebt, achtet den Freiraum des anderen, aber auch seine Grenzen. Das nennt der Mensch Würde“, sagte sie. Denn Freiheit ohne Gesetz mache verantwortungslos.

Der Gottesdienst, der zusammen mit Synodenpräsidentin Sabine Blütchen, Erich Schnau-Huisinga und Pfarrer Dr. Stefan Welz gestaltet wurde, gehört zu der bundesweiten Aktion der zwanzig evangelischen Landeskirchen zur Präambel und den 19 Grundrechten des Grundgesetzes sowie zur Jubiläumsinitiative der Kirchen in Niedersachsen „Würde. Auf gutem Grund. 75 Jahre Grundgesetz“. Das Grundgesetz trat am 23. Mai 1949 in Kraft.

Der Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags, Jens Nacke (CDU), hat in einem Gottesdienst  an die Bedeutung des Grundgesetzes für das Zusammenleben der Menschen erinnert.
Der Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags, Jens Nacke (CDU), hat in einem Gottesdienst an die Bedeutung des Grundgesetzes für das Zusammenleben der Menschen erinnert.
Die Präsidentin der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, Sabine Blütchen, betonte in einem „Zwischenruf“ im Gottesdienst, dass die vom Grundgesetz besonders hervorgehobene Freiheit und die Würde des Menschen, die nicht angetastet werden dürfe.
Die Präsidentin der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, Sabine Blütchen, betonte in einem „Zwischenruf“ im Gottesdienst, dass die vom Grundgesetz besonders hervorgehobene Freiheit und die Würde des Menschen, die nicht angetastet werden dürfe.
An dem Gottesdienst wirkten (v.l.) Pfarrer Dr. Stefan Welz, Landtags-Vizepräsident Jens Nacke, Synodenpräsidentin Sabine Blütchen und Erich Schnau-Huisinga mit.
An dem Gottesdienst wirkten (v.l.) Pfarrer Dr. Stefan Welz, Landtags-Vizepräsident Jens Nacke, Synodenpräsidentin Sabine Blütchen und Erich Schnau-Huisinga mit.