Das Smartphone ist ein wichtiger Helfer für Sandra Baba. Wenn es klingelt, braucht ein Flüchtling Hilfe. Normalerweise gehe ich nach 18 Uhr nicht mehr dran, sagt die Flüchtlings-Sozialarbeiterin der Diakonie in Ganderkesee. Doch sie weiß, dass es manche Anrufer nicht mehr aushalten. Sie finden am Freitagnachmittag einen Brief in ihrer Post und können ihn nicht lesen. Sie können nur die Worte Asyl und Dublin entziffern und fürchten die Abschiebung. Dann kann ich sie doch nicht bis Montag im Ungewissen lassen.
Per Smartphone fotografieren die aufgelösten Flüchtlinge dann das beängstigende Schreiben und senden es an die Sozialarbeiterin. Baba kann dann schnell aufklären, dass das Formular aus Kostengründen für beide Fälle vorbereitet ist, für die Asyl-Anerkennung ebenso wie für die Ablehnung nach dem Dublin-Abkommen. Meist sind dann die Sorgen im Nu verschwunden.
Die gebürtige Irakerin ist eine von drei Diakonie-Mitarbeiterinnen in Landkreis Delmenhorst, die für Flüchtlinge und Asylbewerber einen ersten Anker in ihrer erhofften neuen Heimat Deutschland darstellen. Wir kümmern uns um alles, was nach der Wohnungssuche und einrichtung kommt, erklärt Babas Kollegin Zohreh Roushanpour den Synodalen der oldenburgischen Kirche, die die Beratungsstelle in der Delmenhorster Louisenstraße besuchen. In Kleingruppen informierte sich das Kirchenparlament an verschiedenen Stellen in Delmenhorst über die vielfältigen Aufgaben bei der Flüchtlingsbetreuung.
Im Rahmen des Schwerpunktthemas Kirche und Migration der 3. Tagung der 48.
Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, die vom 28. bis 30. Mai im Evangelischen Bildungshaus Rastede stattfindet, haben die Synodalen am Donnerstagnachmittag erstmals ihren traditionellen Sitzungsort in Rastede verlassen, um sich exemplarisch in Delmenhorst an 14 Erfahrungsorten über Arbeitsfelder im Bereich Migration und Flüchtlinge zu informieren. Einer dieser Erfahrungsorte ist die Flüchtlingssozialarbeit und beratung des Diakonischen Werkes Delmenhorst/Oldenburg Land in der Delmenhorster Louisenstraße.
Viele ihrer Hilfesuchenden, so berichten die Sozialarbeiterinnen den Synodalen, lebten noch im Ungewissen. Ihre Asylverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Dann stellten sie schon einmal Fragen wie: Weiß Deutschland, dass ich hier bin? Die Sorge, dass ihre Akte abhanden gekommen sein könnte, bleibe bis zu dem Tag, an dem der erlösende Bescheid komme.
Menschen aus Bürgerkriegsländern wie Syrien, Irak oder Afghanistan müssten meist länger warten, hätten aber eine große Gewissheit, dass ihr Antrag anerkannt werde. Schneller und seltener erfolgreich würden Anträge von Asylbewerbern aus Balkanstaaten wie Serbien, Albanien oder Mazedonien anerkannt. Diese fänden dafür oft schon Hilfe bei Landsleuten, die schon in Deutschland lebten. Flüchtlinge aus vorderasiatischen Ländern können sich dafür auf die Sprachkenntnisse der Diakonie-Mitarbeiterinnen verlassen. Baba spricht Arabisch, Roushanpour als gebürtige Iranerin die persischen Sprachen Farsi und Dari. Und es stehen zahlreiche Dolmetscher zur Verfügung.
Dankbar sind die Diakonie-Mitarbeiterinnen, dass es auch noch etwa 30 Integrations-Lotsen gibt und weitere 16 ausgebildet werden. In insgesamt 40 Sprachen können Flüchtlinge empfangen und begleitet werden, etwa bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Das Ausfüllen von Anträgen und Formularen kostet schon mal zwei Stunden, berichtet Roushanpour zu viel Zeit für die Halbtagskraft. Gut, dass es die Integrations-Lotsen gibt.
Besonders schnell anerkannt werden afghanische Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren für die in ihrer Heimat stationierten Bundeswehr-Einheiten gearbeitet haben. Dennoch finden sie nicht so schnell Arbeit, wie es das Job-Center wünscht. Sie warten oft sechs bis neun Monate auf einen Sprachkursus, beklagt Roushanpour.
Ohne Sprachkenntnisse fällt die Integration der Flüchtlinge besonders schwer. Sie zu erwerben fällt leichter, wenn die Asylbewerber nicht in Gemeinschaftsunterkünften, sondern zwischen Deutschen wohnen. Aber können sie sich nicht besser helfen, wenn sie mit Landsleuten Tür an Tür wohnen, wollten sie Synodalen wissen. Die Diakonie-Mitarbeiterinnen sagten klar Nein. Sie räumten aber ein, dass etwa in Hude ungewöhnlich viele Eriträer lebten, die sich gut gegenseitig unterstützten. Und auch die alt-christlichen Aramäer aus Syrien und der Türkei suchten ähnlich wie Jeziden die Nähe zueinander, vor allem aus Glaubensgründen.
Der deutliche Anstieg von Asylbewerbern werde wohl aber in Kürze ohnehin größere zentrale Wohneinheiten nötig machen, ist Kirchenkreis-Sozialarbeiter Frank Eden überzeugt. Das kann Roushanpour mit Zahlen belegen: Ich habe im Mai 2014 meine Arbeit begonnen und bis Jahresende 130 der 200 Flüchtlinge in Delmenhorst betreut. In diesem Jahr waren es bis Mai schon 150. Auch Eden geht von mindestens doppelt soviel Antragstellern in diesem Jahr aus. Freie Wohnungen gebe es aber nicht mehr.
Die Flüchtlings-Sozialarbeiterinnen, die längst nicht mehr auf die Uhr schauen, wenn es um die Betreuung der Hilfe und Schutz Suchenden geht, hoffen jetzt auf eine Ausweitung ihrer Arbeitszeit. Mit Teilzeitbeschäftigungen sei der wachsenden Zahl von Asylbewerben auch bei größtem persönlichen Engagement nicht mehr angemessen zu begegnen.
Ein Beitrag von Michael Eberstein.
Hier finden Sie weitere Informationen zur 3. Tagung der 48. Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg sowie dem Schwerpunktthema Kirche und Migration: www.kirche-oldenburg.de/kirche-gemeinden/synode/348-synode.html