Weihnachten – das ist doch das Fest, wo alles seine feste Ordnung hat. Rituale und Bräuche, die es schon immer gab, prägen diese Festzeit: Zum Essen gab es bei meinen Eltern seit jeher am Heiligen Abend Kartoffelsalat und Würstchen. Und bei uns ist es nun nicht anders – außer, dass es nun auch schlesische Weißwurst zusätzlich gibt, wir haben die Tradition der Familie meiner Frau und die meiner Familie erfolgreich zusammengeführt. Und auch die Familientreffen folgen festen Regeln: Wann wir uns wo treffen, mussten wir bisher kaum absprechen. Weihnachtsgottesdienste, Weihnachtsgeschichte, die Lieder, die wir unter dem Tannenbaum singen, fast alles ist bisher unverändert geblieben. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir unser eigenes Staunen der Heiligen Nacht aufflackern spüren, wenn es sich so abspielt, wie es schon zu unseren Kindertagen war?
Weihnachten muss gelingen!
Keine andere Zeit im Jahr ist so gefährdet, dass sie nicht schon mit kleinen Abweichungen in eine mittlere Katastrophe führen kann. Das liegt sicher auch daran, dass wir uns eine längere Zeit auf engstem Raum begegnen. Das falsche Geschenk, Missverständnisse und hohe, aber nicht ausgesprochene Erwartungen können dazu führen, dass genau das Gegenteil von dem geschieht, was wir uns erhofft und wofür wir so viel vorbereitet haben.
Corona hat vieles verändert.
Unser Alltag ist komplett verändert. Wie begrüßen wir uns? Bisher gab es klare Vorgehensweisen, die wir schon als Kinder gelernt haben und die unserem Leben Sicherheit gegeben haben. Es war tausendfach geübt, einem Menschen höflich oder formal, liebevoll, zärtlich oder beiläufig zu begegnen. Wie geht das mit Maske und insbesondere wenn es keine Unterscheidung von Berühren und Nicht-Berühren gibt? Wir müssen uns neu orientieren. Besonders bemerkenswert finde ich, dass auch wir uns selbst verändert haben – eigentlich verständlich, da wir ja schon mehr als neun Monate unter Corona-Bedingungen leben. Manchen Menschen allerdings erkenne ich kaum wieder – und das liegt nicht an der Maske, sondern an den so schwierigen Bewertungen der Lebensumstände, die uns Corona beschert hat und für die es keine Blaupausen gibt. Was ist richtig, was ist wahr? Die Meinungen gehen weit auseinander.
Gott bleibt derselbe.
Weihnachten berührt uns. Vielleicht, weil es schon vor Generationen so war und auch Generationen nach uns so sein wird: Weihnachten findet immer statt – trotz allem. Es ist nämlich bereits geschehen. Deswegen ist dieses Fest so stark und strahlt in den Alltag eines ganzen Monats hinein, bis wir wieder, eingefangen vom Zauber der Heiligen Nacht, staunend an der Krippe stehen und auf Gott sehen, der uns aus der Krippe anschaut. Jesus Christus ist geboren, Gotts Sohn ist Mensch geworden, einer wie du und ich. Er ist gekommen, um die Welt zu retten, so sehr liebt er uns, seine Geschöpfe. In dem Lied „O du fröhliche“ singen wir das – in diesem Jahr leider nicht in den Weihnachtsgottesdiensten: „Welt ging verloren, Christ ist geboren, freue dich, o Christenheit“. Weihnachten hängt somit nicht davon ab, ob es Corona-Zeiten sind oder nicht, sondern, ob wir uns von Gott ansprechen lassen, ob wir Ja sagen zu seiner Liebeserklärung. Und „verloren“ gebe ich unsere Welt im Übrigen ohnehin nicht, bei allen Problemen und Herausforderungen bleibe ich hoffnungsvoll.
Frohe Weihnachten!
Fröhlich werden diese Weihnachtstage vielleicht nicht allerorten. Die Einschränkungen belasten uns, die Sorgen bedrücken uns und vielleicht mussten wir auch Abschied nehmen von lieben Menschen. Aber frohe Weihnachten und gesegnete Tage können es dennoch werden, weil Gott als Liebender in die Welt kommt. Mit ihm kommt Trost zu den Traurigen, der viel tiefer ist, als wir ihn jemals spenden könnten, Hoffnung, die größer ist, als wir sie aussprechen könnten und Zuversicht, die uns durch diese Zeit hindurchtragen kann, weil sie stärker ist als die Probleme dieser Welt. Der Jubel darüber ist in diesem Jahr nicht ganz so laut zu hören, da wir ihn nicht gemeinsam voller Freude besingen können, aber er ist trotzdem da – in unseren Herzen.
Frohe Weihnachten wünscht Ihnen
Ihr Thomas Adomeit
Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg