„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jesaja 66,13), zu der Jahreslosung für 2016 hatte sich Bischof Janssen mit den Teilnehmenden in der Ev. Familienbildungsstätte am Montag, 4. April, auf eine „biblische Entdeckungsreise“ begeben, die nach den Ausführungen des Bischofs in eine angeregte Diskussion mündete.
Auf zwei Begriffe der Jahreslosung für 2016, „Trost“ und „Mutter“, baute Janssen seine Betrachtung auf. Nach diesen Worten und ihrem Umfeld sah er sich im Alten wie im Neuen Testament um und förderte interessante Zusammenhänge zutage. Der hebräische Begriff für Trost habe gleichzeitig auch die Bedeutung der Reue, so Janssen. „Reue zu empfinden, das mag einer mit sich allein abmachen, aber zum Trost braucht es mindestens zwei“, sagte er und lieferte gleichzeitig auch die Ansprüche, die in der Bibel an den Trost gestellt werden – etwa bei Hiob: Er beklage sich über die mangelnde Qualität des Trostes seiner Freunde, wolle kein Ver-Trösten, kein inhaltsloses Gerede, sondern ernst genommen werden mit seinen Fragen. Deshalb müsse sich, wer richtig trösten wolle, zuerst einmal mit dem Leid auseinandersetzen, machte Janssen deutlich. Oft und in allen Facetten finde sich der Trost in den Psalmen – verbunden mit der Gewissheit, Trost bei Gott zu finden. „Trost charakterisiert Gottes gesamte Haltung, er ist eine zentrale Eigenschaft Gottes“, so der Bischof.
Gott, der tröstet wie eine Mutter? Mit diesem Vergleich betrachtete Bischof Janssen das Mutterbild, das in der Bibel gezeichnet wird. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament beginnen mit einer Mutter – mit Eva und Maria. Sie schenken und bewahren Leben, mit ihnen werden nächste Generationen erst möglich. 286mal hat Janssen das Wort „Mutter“ in der Bibel gezählt, die Großmutter komme dagegen nur einmal vor – im 2. Timotheus 1,5. „Diese Stelle sollten wir uns merken“, meinte er schmunzelnd. Wie aber beschreiben die Evangelisten Jesus‘ Mutter Maria? Ehren sie sie, weil sie ihrem Messias das Leben geschenkt hat? Keineswegs, machte Janssen deutlich: „Die vier Evangelisten gehen sehr unterschiedlich mit Maria um.“ Während Matthäus die Beziehung zur Mutter betone, legten die anderen das Hauptaugenmerk eher in den Bruch der familiären Bindungen. Johannes etwas berichte über Streitigkeiten, nenne die Mutter Jesu nicht ein einziges Mal beim Namen. Lukas erwähne sie zwar häufig, allerdings spiele sie bei ihm nur am Anfang eine Rolle, nicht für den älteren Jesus. Bei Markus komme die Mutter-Sohn-Beziehung überhaupt nicht vor, er weise vielmehr auf die Distanz Jesu zu seiner Familie zugunsten der Jünger hin.
Anhand weiterer biblischer Geschichten, in denen Mütter eine Hauptrolle spielen, arbeitete Janssen das Bild der Mutter in der Bibel heraus. Als Beispiele dienten ihm Rebekka, die Mutter Jakobs (1. Mose 27, 6-17), König Salomo (1. Könige 3, 16-27), die Aussetzung Moses (2. Mose 2, 1-10) und die Bewirtung Elias (1. Könige 17, 8-16). „Die Mütter in der Bibel haben wirtschaftliche Fähigkeiten, Lebenserfahrung, sie setzen sich über Regeln und Stammbäume hinweg, um ihren Söhnen zu helfen, und legen große Wehrhaftigkeit an den Tag“, so der Bischof, der in diesem Zusammenhang ein arabisches Sprichwort zitierte: „Weil Gott nicht überall sein kann, schuf er die Mutter.“
Noch ein kleines Wort aus der Jahreslosung war es dem Bischof wert, näher darauf einzugehen: „Im Hebräischen beginnt die Jahreslosung mit dem Wörtchen ‚wie‘.“ Damit setze Gott bei der menschlichen Erfahrung an, ziehe die ganz elementare Erfahrung einer Mutter-Kind-Beziehung als Vergleich heran, die er dadurch würdige. Damit signalisiere er, dass die Erfahrungen mit der eigenen Mutter etwas Besonderes und wert seien, sie aufzugreifen.
Gott nicht nur als Vater, sondern auch als mütterliche Figur zu bezeichnen – das brachte unter den Teilnehmenden die Frage auf: Darf man das? Ein eindeutiges Ja vom Bischof. Noch immer seien vielen Menschen die väterlichen Vorstellungen Gottes sehr viel geläufiger, so Janssen. „Es ist ungewohnt, die mütterlichen Eigenschaften auszusprechen.“ Gleichzeitig wäre es falsch verstanden, die väterlichen nun gesamt durch die mütterlichen Attribute zu ersetzen. „Gott hat väterliche und mütterliche Eigenschaften“, betonte er.
Anke Brockmeyer