Einen Jazz-Gottesdienst mit Liedern von Ella Fitzgerald feierten rund 200 Besucherinnen und Besucher am Sonntag, 5. Februar, in der Tübinger Albert-Schweitzer-Kirche. Aus doppeltem Anlass: Die große Jazz-Sängerin hätte in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag gefeiert. Gleichzeitig war der Gottesdienst eine musikalische Einladung zum Kirchentag im Mai nach Berlin und Wittenberg.
Die Idee zum Jazz-Gottesdienst hatten der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Jan Janssen, und der Mähringer Pfarrer Dr. Hans-Michael Wünsch. Beide sind seit vielen Jahren beim Kirchentag engagiert. 2015, als das Protestantentreffen zu Gast in Stuttgart war, hatten die musikbegeisterten Theologen schon einmal einen Jazz-Gottesdienst gefeiert, damals zum 100. Geburtstag der amerikanischen Sängerin Billie Holiday.
Jetzt also Ella Fitzgerald. Alle Songs, die im Gottesdienst zu hören waren, hatte die große Dame des Jazz einst gesungen. Am Sonntagabend trat die Stuttgarter Sängerin Fola Dada an ihre Stelle und begeisterte mit ihrer ausdrucksstarken, variablen und dynamischen Stimme. Begleitet wurde sie dabei kongenial von Martin Meixner an der Hammond-Orgel. Es fiel den Gottesdienstbesuchern schwer, der Aufforderung nachzukommen, nicht nach jedem einzelnen Lied, sondern erst am Ende des Gottesdienstes zu applaudieren.
Die Lieder wechselten sich ab mit Psalmen, Gebeten und Texten, vorgetragen von Jan Janssen und Hans-Michael Wünsch. Sie erzählten die biblische Geschichte von Hagar, die Lebensgeschichte Ella Fitzgeralds und vom Licht, das mit Jesus Christus in die Welt gekommen ist. „Licht“ war das verbindende Motiv des Gottesdienstes. „Du bist ein Gott, der mich sieht“, sagt Hagar, nachdem sie von Abraham mit ihrem gemeinsamen Sohn Ismael in die Wüste geschickt wurde. Dort hat die Verzweifelte Gottes Zuwendung erfahren. Hagars Worte sind das Motto des kommenden Kirchentages: „Du siehst mich“.
An dieses Motto erinnert auch ein Song von Ella Fitzgerald, der dem Gottesdienst am Sonntagabend seinen Titel gab: „I’m beginning to see the light“. Für die berühmte Sängerin war der Jazz das Licht, das sie nach einer schwierigen Kindheit und Jugendzeit aus unguten Verhältnissen rettete und ihrem Leben eine Perspektive gab. Auf das Licht im wortwörtlichen Sinn musste die Sängerin in den letzten Jahren ihres Lebens dann aber auch verzichten, als sie aufgrund ihrer Diabetes-Erkrankung erblindete.
Wer aufgeschlossen und aufmerksam in sein Textheft schaute, der konnte zahlreiche Parallelen zwischen den Jazz-Songs und den Texten der Bibel entdecken: So erinnerten Lieder wie „I got it bad“ oder „How long has this been goin‘ on“ an Klagepsalmen. Oder der Song „Nature Boy“ weckte Assoziationen zu Ismael, dem Sohn der Hagar oder zu Jesus.
Am Ende gab es langanhaltenden Applaus. Wer möchte, kann den Jazz-Gottesdienst zum 100. Geburtstag von Ella Fitzgerald auch auf dem kommenden Kirchentag erleben: am 27. Mai in der Berliner Gethsemane-Kirche.
Ein Beitrag von Pfarrer Andreas Föhl, Medienbeauftragter im Kirchenbezirk Tübingen.