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Weihbischof Heinrich Timmerevers erinnerte in seiner Predigt, dass das biblische Denken von der Solidargemeinschaft geprägt sei. „Nur wenn die Ärmsten und Hilfesuchenden ihren Platz haben, ist auch für uns Platz im Reich Gottes.“ In seiner Auslegung des neutestamentlichen Gleichnises vom großen Gastmahl (Lukas 14, 15-23) mahnte Timmerevers, dass die Beratenden „Diener“ seien, „die den Gastgeber und seine Botschaft vom Fest des Lebens präsent machen. Die Verkündigung der Mut machenden Botschaft Gottes muss Platz haben in der Beratungstätigkeit, die sich in kirchlicher Trägerschaft befindet."

Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Jan Janssen, sagte in seinem Segenswort zu einem Abschnitt aus dem Römerbrief des Apostel Paulus (Römer 12, 15-18.21): „Heute wie damals geht es in einer Beratung nicht um das Ausstellen fertiger Rezepte. Hinhören, Wahrnehmen, Würdigen, das ist die Haltung, in der wir Menschen verstehen lernen. Dieses gelingt, wenn Kopf und Herz und Seele beteiligt sind.“ Beide Bischöfe dankten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beratungsstelle auch im Namen „unserer Gemeinden und Kirchen, und der vielen, denen hier schon geholfen werden konnte, dass sie sich auf Menschen so einlassen.“

Die Ökumenische Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Oldenburg hat ihren Schwerpunkt zum einen in der Beratung von Paaren und bei Partnerschaftsproblemen sowie zum anderen in der psycholo-gischen Beratung von einzelnen Personen, für die es aus verschiedenen Gründen schwer ist, therapeutische Unterstützung zu bekommen. Das kann beispielsweise daran liegen, weil sie als austherapiert gelten, es sich um Langzeitklienten handelt oder weil ihr Anliegen nicht Teil des Leistungskatalogs der Krankenkassen ist, erläutert der Leiter der Beratungsstelle Uwe Schumacher.

In der Beratungsstelle erhalten jährlich rund 650 Ratsuchende ein Beratungsangebot, wobei die Zahl der Anfragen mehr als doppelt so hoch ist. Insgesamt werden von den derzeit 19 Fachmitarbeiterinnen in diesem Jahr etwa 4.800 Beratungsstunden angeboten.

Die Ratsuchenden kommen überwiegend aus dem Gebiet der Stadt Oldenburg (ca. 50 Prozent) und den umliegenden Landkreisen Ammerland (ca. 18 bis 20 Prozent) und Oldenburg-Land (ca. 15 Prozent). Die Zahl der Beratungsanfragen habe in den letzten Jahren noch einmal deutlich zugenommen, berichtet Uwe Schumacher weiter. Dies habe vermutlich nicht zuletzt mit dem veränderten Anmeldesystem der Beratungsstelle zu tun, das einen Erstkontakt innerhalb von zwei bis vier Wochen für Ratsuchende vorsieht. Die Zahl dieser Erstkontakte musste allerdings begrenzt werden.  

Zusammen mit den Pfarr- und Kirchengemeinden suchen die Mitarbeitenden inzwischen Wege zu einer wirksamen Prävention bzw. Erstversorgung. Dazu werden viele Informations- und Vortragsveranstaltungen z.B. mit dem FORUM St. Peter in Oldenburg organisiert und es werden vermehrt Offene Sprechstunden, z.B. in der Lambertikirche immer montags von 16.15 bis 17.45 Uhr, angeboten.  

 

 

 

"Wachsende Bereitschaft, Hilfe anzunehmen"

Stimmen zum 60jähriges Bestehen der Beratungsstelle


"Verschwiegen, aber nicht verborgen" müsse das Arbeitsmotto der ökumenischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen sein, wünschte sich Reinhard Vetter, Pastor und Supervisor von der Hauptstelle der Lebensberatung in Hannover. Für einen Tag zumindest gelang es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, im Mittelpunkt und in der Öffentlichkeit zu stehen: Am vergangenen Mittwoch würdigten Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, der Träger und des Förderkreises das Engagement der Beratungsstelle in einer Feierstunde zum gleich dreifachen Jubiläum. Seit 60 Jahren bietet die evangelische Kirche die Beratungsarbeit in Oldenburg, seit 40 Jahren ist die katholische Kirche dabei, gleichzeitig kann die Beratungsstelle auf 30 erfolgreiche Jahre am Standort Milchstraße zurückblicken.


Lebensberatung sei "wie ein Geländer in Krisenzeiten", betonte Vetter. Das Bedürfnis nach einem solchen Halt betreffe keineswegs nur Randgruppen, sondern erwachse aus der Mitte der Gesellschaft. Und: "Der Bedarf wächst." Das bestätigte auch Oldenburgs Oberbürgermeister Gerd Schwandner.  "Die steigenden Fallzahlen zeigen einen wachsenden Bedarf, aber auch die wachsende Bereitschaft, Hilfe anzunehmen", so sein Fazit. "Wir leben in einer aufgeschlossenen Gesellschaft, in der fast alles möglich ist. Das stellt uns vor Herausforderungen." Auch der Ammerländer Landrat Jörg Bensberg bekräftigte: "Die Lebenssituation in den Familien wird immer komplexer." Zwar lebten noch 80 Prozent der Kinder in einer traditionellen Familie, dennoch sei es gut zu wissen, dass Rat und Hilfe zur Verfügung ständen.


Auch der berufliche Alltag mit seinen Anforderungen sei für viele Menschen schwer zu bewältigen, führte Vetter aus. "Ich denke da an die einseitige Leistungs- und Erfolgsorientierung, an die Unübersichtlichkeit der von schnellen Wechseln bestimmten Arbeits- und Lebensverhältnisse." Gerade deshalb sei es wichtig, dass die kirchliche Beratungsstelle Räume biete, die auch "mit Zeiträumen verbunden sind. Denn Lebensberatung ist immer auch Entschleunigung,  Verlangsamung – also genau das, was dem postmodernen gestressten Zeitgenossen abhandengekommen ist."


Es sei die Aufgabe der Kirche, an der Seite von Menschen in Notsituationen zu stehen und ihnen auch professionelle Hilfe zu bieten, sagte Oberkirchenrat Olaf Grobleben. Er lobte den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "auch in nicht ganz einfachen Zeiten" und hob damit ab auf die finanziell prekäre Situation der Beratungsstelle. "Es ist legitim, dass eine Institution, die das 60. Lebensjahr überschritten hat, sich nach Hilfsmitteln umsieht", unterstützte ihn Dieter Qualmann vom neu gegründeten Förderverein humorig und brachte den Finanzbedarf dann ganz ernsthaft auf den Punkt. "Ganz klar: Wir brauchen Geld." Eine finanzielle Unterstützung der Krankenkassen für die Beratungsstellen mahnte Bernhard Plois, Psychologe und Leiter der katholischen Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung EFLE in Osnabrück, an. Die Kassen seien sich noch nicht bewusst, wie wichtig die Lebensberatung insbesondere als Präventionsmaßnahme sei. "Niemand bezweifelt, dass die Arbeit wichtig ist. Aber es ist ungeheuer schwierig, öffentliche Förderung zu bekommen", so sein Fazit.
Anke Brockmeyer

 

Bischof Jan Janssen und Weihbischof Heinrich Timmerevers sprechen gemeinsam den Segen im ökumenischen Gottesdienst aus Anlaß der Jubliäen der Oldenburger Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen. Foto: ELKiO/Hans-Werner Kögel