Nachdem der Tango-Gottesdienst im ökumenischen Sommerprogramm der Kirchen in Schillig-Horumersiel im Landkreis Friesland seit einigen Jahren zum festen Programmpunkt zählt, sollte es diesmal eine besondere Premiere geben, die Corona-Bestimmungen sorgten für die Idee: der Gottesdienst sollte nicht wie in den Vorjahren üblich in der Kirche stattfinden, sondern direkt im Watt – eine anspruchsvolle Aufgabe für die Tänzer Kerstin Forke und Helge von Oehsen. Doch es kam anders als geplant.
Weil Christian Berner, der für seine virtuosen Tango-Interpretationen auf dem Akkordeon bekannt ist, kurzfristig erkrankte, sprang Fabian Thomas ein – allerdings mit dem Keyboard. Und da haperte es mit der Stromversorgung im Watt – und so wurde aus der Premiere im Watt kurzerhand eine Premiere auf der Kirchenwiese bei St. Marien in Schillig.
Thematisch drehte sich der ökumenische Gottesdienst, der von Pastorin Sabine Kullik (evangelisch-lutherisch) und Pfarrer Lars-Jörg Bratke (römisch-katholisch) gestaltet wurde, um die oft verstörenden Botschaften und die Verunsicherung in der aktuellen Zeit. „Manchmal kennen wir Gottes Willen, manchmal kennen wir nichts ..., manchmal spüren wir Gottes Liebe, manchmal spüren wir nichts“, zitierte Bratke ein Gedicht von Kurt Marti und skizzierte damit die Gegensätze und Spannungen, die den Menschen umtreiben – nicht nur in Corona-Zeiten, dann aber in nochmal stärkerem Ausmaß. Soziale Distanz, das sei eine überaus schwere Übung, fehlende Nähe werde zur Belastung und ohne tröstende Berührungen ließe sich nicht leicht leben, sagte Kullik. Auf der anderen Seite aber erzwungene Nähe, weil im Lockdown alle zuhause bleiben mussten und andere in Quarantäne waren – „auch das kann gewaltig nerven“, so Kullik. Überall sei der Wunsch nach einem Hoffnungsschimmer groß, sagte die Pastorin und versicherte, eines Tages würden alle Distanzen überwunden sein.
Kerstin Forke und Helge von Oehsen von der Wilhelmshavener Tanzschule Von Oehsen nahmen das Thema in ihrer Tanzdarbietung meisterhaft auf. Der Tango als Wechselspiel von Nähe und Distanz, als Ausdruck erotischer Anziehung und zugleich emotionaler Wechselspiele zwischen verspielter Liebe, Verachtung, Unsicherheit, Sehnsucht und dominantem Gehabe, das alles ließen sie in ihrem Tanz direkt lebendig werden. Die gut 100 Gottesdienstbesucher, darunter Touristen und etliche Interessierte aus ganz Friesland, lobten die Darstellung mit viel Applaus.
Annette Kellin