Weihnachtsbotschaft von Bischof Thomas Adomeit
TROTZDEM Weihnachten
Weihnachten ist ein Fest des Trotzes. Inmitten von Sorgen und Ängsten leuchtet es als Zeichen der Hoffnung und Freude. Es verweigert sich den Dunkelheiten in der Welt. Dies gilt auch angesichts so entsetzlicher Gewalttaten wie der des Anschlags auf die Menschen, die sich auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg auf das bevorstehende Fest einstimmen wollen. Der Anschlag lässt uns einfach nur fassungslos zurück. Unsere Gedanken sind bei den Opfern, die ihr Leben gelassen haben und bei denen, die um sie trauern. Unsere Gedanken sind bei den vielen Verletzten sowie ihren Angehörigen. Wir schließen sie in unsere Gebete ein, wir bringen unser Nicht-Begreifen vor Gott.
Mit Weihnachten verbinden wir brennende Kerzen, Tannenduft, der den Raum erfüllt, und Lieder von Frieden und Zuversicht. Dieses Fest erfüllt die Straßen, Häuser und Herzen und erinnert uns daran, dass sein Licht die Dunkelheit durchbrechen kann. Auch angesichts der Ereignisse in Magdeburg halten wir an dieser Hoffnung fest. Aber darf man in schwierigen Zeiten wie diesen überhaupt feiern? Angesichts von menschenverachtenden Anschlägen, Krieg, Not und Leid in vielen Ecken unserer Welt scheint es fast unangemessen. Doch ich sage: Ja, wir dürfen – und wir müssen!
Weihnachten ist keine Vertröstung oder ein Wegsehen. Es ist ein mutiges Bekenntnis, dass Gott dennoch in diese Welt kommt und uns nahe ist: Auch damals, in Bethlehem, war die Welt nicht in Ordnung. Das Land war besetzt, es herrschte Angst und Armut. Und doch macht sich Gott auf, genau dorthin. Und für uns heute ist es ebenso: Gott kommt – und deswegen feiern wir. Nicht als Vertröstung oder als „Nicht-wahr-haben-wollen der Not“, sondern in der Überzeugung, dass er genau uns heute begegnen will.
Und Weihnachten zeigt uns auch, wie viel Gutes unter uns ist! Schaut hin. Wie viel Liebe, Zuwendung und Fröhlichkeit, wie viel soziales Engagement und nachbarschaftliche Unterstützung entdecken wir in unserer Mitte. Wie ein Scheinwerfer beleuchtet Weihnachten das, was gelingt. Jeden Tag. Die Hilfe, die wir geben. Das Geld, mit dem wir Gutes tun. Die Gastfreundschaft, die offene Tür und die beherzte Umarmung. Die Solidarität in Not. Lassen wir uns das nicht kaputtmachen.
Die Engel sagten damals in der Nacht von Bethlehem: „Fürchtet euch nicht!“ Diese Botschaft gilt uns heute genauso, wie sie damals galt. Sie erinnert uns daran, dass auch wir nicht allein sind, selbst wenn die Welt manchmal dunkel erscheint. Weihnachten ist die Zusage, dass Gott bei uns ist – in jedem Moment unseres Lebens. Trotz Krieg und Streit, trotz kalter Herzen und harter Worte bleibt seine Liebe beständig.
Weihnachten ermutigt uns, Hoffnung zu wagen. Es lädt uns ein, Licht in die Dunkelheit zu bringen und der Resignation entgegenzutreten. Mascha Kaléko schrieb: „Denn die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“ Weihnachten ist das Fest dieser Sterne, die uns Orientierung geben, und des Lichts, das uns die Richtung zeigt. Das Fest erinnert uns daran, dass die Hoffnung zuletzt stirbt – also hoffentlich nie. Selbst kalte Winterabende und harte Lebensumstände können unser Streben nach Frieden und Menschlichkeit nicht brechen. Niemand soll alleine sein.
In diesem Sinne ist Weihnachten ein Protest. Ein Protest gegen Unmenschlichkeit und Gleichgültigkeit, gegen Hass, Gewalt und menschenverachtende Anschläge. Es ist ein „Ja“ zum Leben, ein „Ja“ zur Liebe und ein „Ja“ zu unseren Mitmenschen. Und wir haben die Aufgabe, dieses „Ja“ immer wieder in die Welt hinauszutragen – in Wort und Tat.
Feiern wir also trotzdem Weihnachten. Schmücken wir unsere Tannenbäume, zünden wir die Kerzen an, singen wir die Lieder von Frieden und Hoffnung. Nicht, weil wir die Not und den Schmerz dieser Welt vergessen, sondern weil wir an die Kraft der Liebe glauben.
Allen Sorgen und allem Leid zum Trotz wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein von Gott behütetes Jahr 2025!
Ihr Thomas Adomeit
Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg