Tod und Trauer sind für viele Erwachsene weiterhin ein Tabuthema, das Ängste und Unsicherheit auslöst. Eltern glauben manchmal, dass Kinder den Tod eines nahestehenden Menschen nicht wahrnehmen. Sie möchten Kinder von dieser Erfahrung verschonen. Und doch ist der Tod eines nahestehenden Menschen für jedes Kind ein folgenschweres Ereignis. Auch wenn Kinder noch jung sind nehmen sie den Tod und die damit verbundenen Veränderungen bei sich selbst und ihren Bezugspersonen sensibel wahr.
Die Ev. Familien-Bildungsstätte bietet deshalb zusammen mit der Kirchengemeinde Heppens Kindern ab etwa 6 Jahren die Möglichkeit zu einer individuellen Trauerbegleitung. Derzeit werden dort im „TrauerHaven“ acht Kinder jeweils einzeln begleitet. „So kann ich individuell auf die jeweiligen Kinder eingehen“, sagt Silvia Zahn-Claus. Die Spiel- und Theaterpädagogin und therapeutische Figurenspielerin arbeitet mit den Kindern jeweils sehr persönlich an der jeweils eigenen Trauergeschichte. „So unterschiedlich wie die Kinder, so sind auch die Traueranlässe komplett verschieden. Kam der Tod bei einigen Kindern durch eine Krankheit in die Familie, wurde er bei anderen sehr plötzlich und unerwartet Teil der Familie.“ Die Kinder sind zum Teil schwer getroffen, verunsichert und ängstlich. Besonders schlimm ist es, sich morgens von einem Elternteil zu verabschieden, weil die Schule beginnt und die Eltern zur Arbeit gehen und abends in eine ganz andere Welt zurückzukehren. „Der Tod ist nicht greifbar, nicht erklärbar und nicht berechenbar. Der zurückbleibende Elternteil ist selbst völlig überfordert von der neuen Situation und befindet sich in einer unfassbar schwierigen Situation.“
Kinder verstehen die Welt nicht mehr. Ihr ganzes Leben ist aus den Fugen geraten, das sichere Zuhause zerbricht. Die Kinder spüren die Verzweiflung des verbliebenen Elternteils und können ihre eigene Trauer nicht einordnen. Silvia Zahn-Claus: „Die Kinder wollen dann stark sein und versuchen den Eltern alles abzunehmen. Nicht selten übernehmen sie unbewusst die Rolle des verstorbenen Elternteils. So wollen sie Sicherheit vermitteln und alles wieder so herstellen, wie es vorher war.“ Bei ihren Elterngesprächen wird Silvia Zahn-Claus dann erzählt, das Kind zeige keine Trauer mehr und es gäbe keine Probleme. Bei näherem Nachfragen erfährt Zahn-Claus dann oft von gewissen Anzeichen, die der Trauer aber nicht sofort zugeordnet werden: „Die Kinder schlafen schlecht und haben Albträume.“ Manchmal zeigen sich plötzlich Schulprobleme. Sehr häufig gibt es nach einer Zeit emotionale Auffälligkeiten wie Abgrenzungen und Rückzug oder Aggressionen. Andere Kinder haben körperliche Beschwerden wie Bauchweh, Rückenprobleme, Kopfschmerzen oder Schwindel. Hinter all diesen Beschwerden stecken die eigentlichen Fragen: „Wo ist Mama, Papa oder Opa denn jetzt?“ Auch Silvia Zahn-Claus fehlen oft buchstäblich die Worte für das, was geschehen ist: „Das Problem ist, dass viele denken, Kinder könnten den Tod noch nicht verstehen. Die Kinder sollen geschützt werden. Dabei können wir den Kindern viel mehr zutrauen. Sie haben ein Gespür dafür, wie weit sie fragen dürfen. Das, was sie nicht ertragen können, das erfragen sie auch nicht.“
Die Therapeutin geht mit den Kindern auch auf den Friedhof. Dort zeigen die Kinder ihr das Grab des Verstorbenen, und zusammen schauen sie sich auch andere Gräber an. „Dann sprechen wir über alles, was den Kindern einfällt. Sie brauchen offene Gespräche und wollen genau verstehen was passiert ist.“ Manche Fragen kommen immer wieder: Wie liegt Mama oder Papa im Sarg? Müssen sie dort frieren? Warum gibt es kleine und große Gräber? Stehen die Menschen in den kleinen Gräbern, wenn sie nicht im Sarg liegen? Wachsen die Kinder noch, wenn sie beerdigt werden? Wo sind Mama oder Papa jetzt und können sie sehen, wenn wir auf dem Friedhof laufen? Nicht selten muss auch Silvia Zahn-Claus eingestehen: „Ich weiß es nicht“. Aber das ist nicht schlimm, weder für die Kinder noch für die Therapeutin. „Wir überlegen dann zusammen nach einer Antwort und erzählen gemeinsam, was ich mir für den Verstorbenen wünsche. Das verbindet und tröstet.“
„Wir sind sehr froh, dass wir mit Silvia Zahn-Claus im ‚TrauerHaven’ eine so qualifizierte Anlaufstelle für trauernde Kinder aus Wilhelmshaven und Friesland haben“, sagt der Leiter der Ev. Familien-Bildungsstätte, Rüdiger Schaarschmidt. „In ihrer Trauer brauchen Kinder ein Netzwerk von Menschen, in dem sie sich aufgehoben fühlen können. Die Begleitung im ‚TrauerHaven’ ist ein wichtiger Teil eines solchen Netzwerks“. Seit einem halben Jahr findet die Arbeit in einem neu gestalteten Trauerraum im Gemeindehaus in Heppens statt, den die Ev. Familien-Bildungsstätte für diese Arbeit dort angemietet hat.
Interessenten nehmen am besten vorab Kontakt auf mit dem Heppenser Pastor Rainer Claus unter (04421) 30 35 34. Die Teilnahme ist für Kinder und Angehörige kostenlos. Weitere Informationen bei der Ev. Familien-Bildungsstätte unter (04421) 32016 oder www.efb-friwhv.de.