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Da stehen sie nun, draußen vor der Kirchentür und schauen sich an. Ein geradezu magisches Lächeln verbindet die Menschen auf kürzestem Weg. Und irgendwie scheinen sie es selber noch nicht richtig fassen zu können, was da gerade geschehen ist: In der katholischen St. Marien Kirche in Schillig ist gerade der erste ökumenische Tangogottesdienst zu Ende gegangen. Ein Gottesdienst von ungewöhnlicher Dichte und Faszination, eine Hommage an die Liebe und die Gnade Gottes, der diese Liebe schenkt. Ein Gottesdienst mit voll besetzten Reihen und mit ganz ungewöhnlichen Formen.

 

„Es war einfach – schön“, sind sich alle einig, die in diesem Gottesdienst mitgewirkt haben. Für mehr fehlen die Worte. Noch. Sie sind ergriffen. Dieser Gottesdienst hat wohl jeden im Innersten berührt. Im Laufe der nächsten halben Stunde löst sich manches, man steht zusammen, spricht über die eigenen Erfahrungen, Gefühle und Gedanken zu dieser Premiere in der Reihe „Ökumenische Sommerkirche Horumersiel-Schillig“.

 

Tangogottesdienst, das bedeutet mehr als Worte und Lieder, hier wurde vielmehr im Altarraum auch getanzt. Tango getanzt. Tango Argentino, ein überaus sinnlicher Tanz mit erotischer Ausstrahlung. Unter dem Thema „Schön bist du“ wurde die Liebe zwischen Frau und Mann in den Mittelpunkt gerückt, es gab Betrachtungen in drei unterschiedlichen Lebens- und Liebensphasen. Da ging es um die junge und ungestüme Liebe, die gewachsene Liebe, die mit vielen weiteren Anforderungen des Alltags konkurrieren muss und dennoch stets darum ringt, sich nicht zu verlieren. Und es ging um die reife Liebe im hohen Alter, wenn man sich gegenseitig stützt und doch die stete Angst zum Begleiter hat, nach all den gemeinsamen Jahren allein zurückzubleiben.

 

Zu allen Lebens- und Liebensphasen gab es Bibeltexte, Meditationen und eine Tanzdarbietung zu den wunderbaren Tangoklängen, die Christian Berner seinem Akkordeon entlockte. Dazu tanzten Kathrin Dustmann und Philipp Feyen, Stephanie Gruhle und Helge von Oehsen sowie Barbara Philipp und Richard Czeck. Sie alle sind keine Profitänzer, sondern ließen sich von der Idee anstecken, die Sabine Kullik, evangelisch-lutherische Pastorin in Schillig anstieß. Sie gehört mit ihrem Mann einem Tanzkreis an und hier gab es etliche Tänzerinnen und Tänzer, die sie einmal im Gottesdienst besuchen wollten. Zufällig sei sie dann im Internet über eine Meldung der EKD zu einem Tangogottesdienst gestolpert, erzählt sie. Eine kurze Rücksprache mit dem katholischen Kollegen Lars-Jörg Bratke, der sofort zustimmte. Von dort war es nicht mehr weit, diese Premiere zu wagen.

 

Tanzlehrer Helge von Oehsen war gleich begeistert und sagte seine Unterstützung zu. „Ich bin der Kirche sehr verbunden, gehöre selber zur evangelischen Kirchengemeinde Heppens in Wilhelmshaven, die viel Neues wagen“, sagt der 40-Jährige. Kirche auf eine moderne Art auch Jugendlichen näher zu bringen, halte er für sehr wichtig. An diesem Abend im Tangogottesdienst sei er aber von der Atmosphäre total überrascht worden: „Wir haben zuvor nichts zusammen geprobt und dennoch war alles so unglaublich harmonisch, das gibt es sonst gar nicht. Der Kirchenraum, die Besucherinnen und Besucher, die Tanzpaare, alles ging irgendwie in einander über. Davon werde ich noch einige Tage zehren“, freut er sich.

 

Begeistert ist auch das Pastorenduo. „Das war einfach toll“, sagt Pfarrer Bratke und fügt hinzu: „Worte und Lieder reichen eben nicht immer aus, um die Botschaft zu verkündigen, das war heute deutlich zu spüren.“ Es sei eine große Herausforderung gewesen, die richtigen Texte zu finden, sagt Sabine Kullik. Im Hohelied der Liebe, bei Jesaja und im Korintherbrief, wurden die evangelische Pastorin und der katholische Pfarrer fündig. „Ich war auch während des Gottesdienstes selber immer wieder ganz ergriffen – obwohl ich ja alles selber mit vorbereitet habe“, wunderte sich Kullik. 

 

Und auch für die Tänzerinnen und Tänzer war es eine tolle Erfahrung. Es war die Neugier, die sie trieb, hier mitzumachen. Klar, sei er sehr aufgeregt gewesen, sagte Richard Czeck. Schließlich habe er noch nie vor Publikum getanzt. Doch im Laufe des Tanzes sei das verschwunden und eine schöne Harmonie entstanden.

 

Langsam löst sich die Runde auf. „Vielen Dank für diese schöne Erfahrung“, sagt einer der Gottesdienstbesucher und reicht dem Pastorenteam zum Abschied die Hand. Die sind sich sicher: „Das machen wir nochmal.“

 

Ein Beitrag von Annette Kellin.

 

Kathrin Dustmann und Philipp Feyen zeigten im Altarraum einen Tango zum Thema „Junge Liebe“. Fotos: ELKiO/Annette Kellin
Stephanie Gruhle und Tanzlehrer Helge von Oehsen zeigten viel Gefühl für den Tango.
Barbara Philipp und Richard Czeck erlebten eine schöne Harmonie beim Tanzen.
Pastorin Sabine Kullik hatte ansprechende Texte ausgewählt.
Pfarrer Lars-Jörg Bratke stellte auch Gedanken des Alltags vor.
Christian Berner als Tango-Virtuose auf dem Akkordeon.
Zum Schluss gab es Rosen und ein kleines Geschenk für die Tanzpaare.