Zum Hauptinhalt springen

Die Studie über Patiententötungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen stößt weiter auf Kritik. Die Krankenhäuser weisen die Vorwürfe scharf zurück. Ein Mitautor der Studie relativiert die Ergebnisse, sieht sie aber auch als Warnsignal.

Witten/Oldenburg (epd). Der Streit über eine Studie über Patiententötungen in Krankhäusern und Pflegeheimen durch das Personal reißt nicht ab. Wissenschaftler der Universität Herdecke um den Psychotherapeuten Karl H. Beine haben hochgerechnet, dass möglicherweise bis zu 21.000 Patienten pro Jahr durch die Hand von Klinikpersonal ums Leben kommen. Der Mitautor der Studie, der Psychotherapeut Karl Beine, betonte am Mittwoch, dass die Zahlen nicht repräsentativ seien. Sie sollten jedoch alarmieren und zu weiterer Forschung auffordern. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sprach von «völlig unseriösen» Behauptungen.

Zuletzt war das Thema durch den Pfleger Niels H. im niedersächsischen Delmenhorst und Oldenburg in die Öffentlichkeit gerückt. Er war 2015 wegen mehrfachen Mordes an Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Momentan werden bis zu 200 weitere Fälle untersucht.

Mit der Erhebung sei erstmalig in Deutschland das Phänomen von Tötungsdelikten im Gesundheitswesen empirisch untersucht worden, verteidigte Beine die Studie. Es handele sich um eine Pilotstudie zu einem heiklen Thema. «Unsere Untersuchung besagt nicht, dass nun gesichert von vielen tausend Mord- oder Totschlagsdelikten pro Jahr in Deutschland auszugehen ist», unterstrich Beine. Die Studie zeige, dass die Zahl der Tötungen in deutschen Krankenhäusern vermutlich höher ausfalle als bisher angenommen. Jedes Mal reflexartig vorgetragene Behauptungen, es handle sich um Einzelfälle, müssten hinterfragt werden.

Zugleich belegt die Studie nach Worten Beines, «dass es überhaupt nicht gerechtfertigt ist, die vielen tüchtigen Helfer und Ärzte in Krankenhäusern und Heimen unter Generalverdacht zu stellen». Der Mitautor räumte ein, dass unter den «Ja»-Antworten vermutlich auch eine unbestimmte Anzahl von lebensbeendenden Maßnahmen seien, die der passiven Sterbehilfe zuzuordnen seien.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte, dass die «empirische Schätzung» offensichtlich nicht zwischen der Begleitung von Sterbenden und Töten unterscheide. Damit werde der palliativmedizinische Ansatz diskreditiert, erklärte Präsident Thomas Reumann. Die Behauptung, dass jährlich mehrere Zehntausend Patienten in Deutschland getötet würden, sei «eine unverantwortliche Behauptung, die als völlig unseriös zurückzuweisen ist». Natürlich gebe es wirtschaftlichen Druck im Krankenhaus. Damit gingen Krankenhäuser sowie Ärzte und Pflegekräfte professionell um.

Zuvor hatte auch der Versicherungsexperte Manfred Klocke die Aussagen über tausendfache Patiententötungen als unseriös kritisiert. Selbst wenn man eine Dunkelziffer und die von ihm selbst nicht berücksichtigten Pflegeheime einbeziehe, werde niemals eine Zahl von mehreren Tausend erreicht, sagte der Geschäftsführer der in Detmold ansässigen Gesellschaft für Risikoberatung, die zur Ecclesia-Gruppe. Kritik an der Studie kam auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Für die Studie hatten Beine und seine Kollegen rund 5.000 Ärzte, Kranken- und Altenpfleger, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten lebensbeendende Maßnahmen aktiv an Patienten vorgenommen hätten. Laut der Studie antworteten drei Prozent der Ärzte in Krankenhäusern, sie selbst hätten dies bereits getan, ebenso fünf Prozent der Altenpfleger und 1,5 Prozent der Krankenpfleger. In den Pflegeheimen lagen die Ergebnisse ähnlich. Beine schließt allerdings nicht aus, dass Studienteilnehmer die Frage missverstehen konnten und das Abstellen von Maschinen aufgrund von Patientenverfügungen meinten.