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Sieben namhafte Frauen aus Kirche, Politik und Gesellschaft teilten ihre Gedanken zum Thema Reformation und Politik mit 80 Frauen. Alle genossen die Tischreden, ein festliches Menü, die musikalische Begleitung und den Austausch in der schönen Atmosphäre des Lambertus-Saals der Lambertikirche Oldenburg.

„Wir wollen gemeinsam bei einem festlichen Mahl Visionen zu Kirche und Gesellschaft hören und ins Gespräch kommen“, begrüßten Dr. Andrea Schrimm-Heins und Gabriele Rüsch-Tillmanns die erwartungsvollen Frauen zu dem 2. Oldenburger Frauenmahl am Freitag, 24. Oktober, im Lambertus-Saal in der Oldenburger St. Lamberti-Kirche. Die Frauenbildungsreferentin der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und die Gleichstellungsbeauftragte der oldenburgischen Kirche boten mit dieser Veranstaltung einen gelungenen Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird. Den musikalischen Rahmen setzten Landeskirchenmusikdirektorin Beate Besser am Klavier und Barbara Wündisch-Konz mit der Querflöte.

Frauenmahle beinhalten: essen, reden, reformieren! Doch getragen wurde das Frauenmahl in erster Linie durch die Tischreden der eingeladenen Referentinnen, die mit ihren interessanten, aber dabei sehr unterschiedlichen Beiträgen für reichlich Diskussionsstoff sorgten. Je acht Frauen saßen an den Tischen im Lambertus-Saal zusammen. Das ermöglichte einen intensiven Austausch der Meinungen und Gedanken.

Gelobt wurden von den Teilnehmenden die Idee des Frauenmahls, die Mischung aus den Beiträgen, die Musik, das Essen und der Austausch untereinander. Die Idee wollten einige der Teilnehmenden übernehmen und im kleinen Kreis fortführen: gemeinsam essen und reden.

Das Frauenmahl wurde 2011 erstmals von Marburger Frauen gestaltet. In Oldenburg fand das erste Frauenmahl im Herbst 2012 statt. Inzwischen werden Frauenmahle in ganz Deutschland und den Nachbarländern veranstaltet und sind eine aktuelle Variante der Tischreden im Hause Luther und ein Beitrag zur Lutherdekade. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Reformationsdekade bis 2017 ausgerufen, in Erinnerung an die reformatorischen Bewegungen im 16. Jahrhundert, die nicht nur von Männern unterstützt und voran gebracht wurden, sondern ebenso von vielen Frauen. Als Autorinnen, Theologinnen, Predigerinnen, Mäzenatinnen, als Regentinnen ihres Landes haben sie sich für die reformatorische Sache in vielfältiger Weise engagiert.

Tischreden
Dass Frauen früher schon viel zu sagen hatten und sich einmischten, war in den Tischreden der sieben Referentinnen beim 2. Oldenburger Frauenmahl zu hören. Dass sich Frauen in Fragen der Kirche, Politik und Gesellschaft einmischten, sei auch heute gewollt und notwendig.

„Die radikale Freiheit trifft ein aktuelles Problem“, sagte Sabine Blütchen, Präsidentin der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Sie kritisierte, dass Freiheit kaum genutzt werde, das sei auch an der geringen Wahlbeteiligung bei der Stichwahl zum Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg deutlich geworden.  

Einmischen bedeute: „Aktiv und unbequem sein, stören und von anderen negativ empfunden zu werden. – Und in der Kirche? Gottes Vergebung ist eine Verpflichtung, uns einzumischen, Gottes Liebe macht uns zu freien Menschen.“ Die Menschlichkeit sollte vor die Wirtschaftlichkeit gestellt werden. „Kirche, das sind wir“, betonte die Synodenpräsidentin. „Ohne Einmischen und Anstoß gibt es keine Veränderungen.“ Jeder solle sich nach seinen Möglichkeiten einmischen, stören und unangenehm sein.“

Als „schönes Thema“ bezeichnete Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen, das Motto des Abends. Erst einmal habe sie mit Reformation nichts zu tun – aber mit Reformen. Beides falle in den Bereich der Erneuerung. Sie zählte die Gesundheits-, Pflege-, Arbeits-, Krankenhausreform und weitere auf. „Da geht’s zur Sache.“ Reformen wie Reformation hätten ein klares Ziel.

Ziel in Niedersachsen sei, alle Menschen gleichberechtigt zu behandeln, wichtig sei die Gleichstellung der Frauen, die immer noch weniger Geld verdienten. Fragen von Gewinnmaximierung könnten dabei kein Maßstab sein. „Alle sollen die Chance an der Teilhabe des Lebens und wirtschaftlichen Lebens haben und sich willkommen fühlen. Ministerin Rundt vertrat ein „klares Ja“ zur Mehrstaatlichkeit und Einbürgerung.

„Wir sind dabei, eine neue Form des Willkommens zu etablieren“, kündigte die Ministerin an. Sie stelle fest, dass vielen Organisationen und Ehrenamtliche, auch in Kirchen, mit dafür sorgen könnten, „dass Integration gelingen kann.“ Weitere Reformen erforderten Umdenken, „nicht durch Thesen, sondern durch Handeln.“

Als Integrationsbeauftragte der Stadt Oldenburg sei sie „nicht ganz Bio-Deutsche und Bio-Christin“, sagte Dr. Ayça Polat. Für sie sei es wichtig, in der Welt etwas zu bewegen und zu verändern. Religion und Glauben reiche über Landesgrenzen hinweg und sei nicht das Privileg bestimmter Kirchen oder Religionen. Der Dialog mit anderen Religionen, wie zum zwischen Christen und Muslimen und anderen Richtungen sei wichtig. Das würde viele Glaubensrichtungen beschäftigen: „Wie gestalte ich Religion? Wie kann Glaube sinnstiftend und sinnerfüllt bleiben?“

Trotz aller Zustände gelinge es Kirche, aufrecht zu stehen und Einfluss zu haben. Das sei eine wichtige Stärke und Funktion, Kraft und Trost zu spenden. „Ich wünsche mir eine kritische Kirche, die jedem Menschen, unabhängig von Herkunft und Glauben, eine Heimat gibt.“ Die Kirche spiele eine wichtige Rolle, sie beobachte das Engagement der Frauen in den Kirchengemeinden und deren Einsatz für Flüchtlinge. „Dafür möchte ich Dank aussprechen“, so Polat.

Einen Einblick in die Zeit der Frauen vor 500 Jahren gab Dr. Kristina Dronsch, Referentin für Frauen und Reformationsdekade der Ev. Frauen in Deutschland (EFiD), aus Hannover. Frauen des 16. Jahrhunderts hätten bei ihrer Einmischung die Aussagen: „Maul halten, ab in der Kerker“ erlebt, wie in schriftlichen Quellen der Reformationszeit nachzulesen sei. Sie habe jedoch aus den Biografien erfahren, dass keine der Frauen geschwiegen hätte oder verstummt sei. Es seien viele die sich eingemischt hätten. Diese Frauen seien ein großes Wagnis eingegangen, das sei der „Kern der Reformation selbst.“ Reformation sei nichts, was im stillen Kämmerlein geschehe, sondern: „Reformatorinnen sind wir, die radikale Einmischung in die Welt leben“, betonte Dronsch.

„Moin, moin,“ begann Annie Heger, Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin & Moderatorin aus Oldenburg und Berlin. Damit war klar, hier wird platt gesprochen. In plattdeutscher Sprache ging es um Einmischung, um Christinnen und Christen, Ungerechtigkeit und natürlich Luther. „Ich sehe mich als Christin in der Pflicht, mich einzumischen!“ Diese Tischrede steht in Plattdeutsch und in hochdeutscher Übersetzung in Kürze im Internet.

Pfarrerin Dr. Uta Andrée, Geschäftsführende Studienleiterin der Missionsakademie der Universität Hamburg, nannte in ihrer Tischrede einige Beispiele, mit denen sich Theologiestudierende in Hamburg beschäftigen. Dabei gehe es zum Beispiel um parodistische Religionen, die 2005 von einem US-amerikanischen Physiker gegründet und unter dem Stichwort „Pastafarianismus“ verbreitet würden. Vor diesem Hintergrund stelle sie die Frage der Reformation: „Hier steht nicht alleine die Freiheit, sondern auch der Respekt.“ Die Freiheit sei radikal. „Die Einmischung in die Welt ist nicht beliebig, sondern gebunden an Gutes und Schönes.“ Kirche habe die Macht, Menschen neugierig zu machen und noch viele junge Menschen zu gewinnen und für ein Leben in Gesellschaft zu begeistern, so Andrée.

„Das Leben basiert auf der Arbeitsleistung der Menschen“, betonte Professorin Dr. Annelie Keil, Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin aus Bremen. Sie begeisterte mit ihren Vergleichen. „Leben müssen wir selbst, Leben will leben, auf eigenen Füßen stehen.“ Nach neun Monaten Asyl ginge es nach fristloser Kündigung ab in die Welt, sagte sie in ihrem Referat. „Leben ist für mich kontinuierliche Reformation.“ Das Beispiel von vier unterschiedlich lebenden Hühnern setzte die Referentin ins Leben um. Passend zum davonrennenden Huhn: „Man wird nicht als Freiheitskämpfer geboren, es muss erlernt werden.“ Jammern sei eine Wellnessbewegung geworden, sagte sie und zählte „Schlachtrufe gegen das Handeln“ auf. Am Beispiel der Bremer Stadtmusikanten rief sie auf, Widerstand zu leisten, zum Beispiel gegen Hunger und Verletzung der Würde.

„Wir sind alle dabei und sollten herausfinden, worum es geht, indem wir lernen, wie Leben sein kann. Viele weitere Aussagen sind in der Tischrede von Annelie Keil zu lesen. Dabei geht es um Freiheit, Respekt, Selbstfindung, Resonanz und Substanz des Lebens und vieles mehr. „Ehrfurcht vor dem Leben – mein Wunsch: diesen Satz sollten Kirche und Christen in die Tat umsetzen“, so Keil.

Das Fazit von Dr. Andrea Schrimm-Heins und Gabriele Rüsch-Tillmanns viel sehr positiv aus: „Die Beiträge waren sehr interessant, unterschiedlich und sehr tiefgründig“. In zwei Jahren soll das 3. Frauenmahl in Oldenburg stattfinden. Viel Vorbereitung und Planung bedürfe dies, doch das Ergebnis spräche für sich. Wichtig sei dabei auch die Unterstützung des Teams. Das leckere Essen in sieben Gängen wurde vom Ev. Krankenhaus zubereitet und von Schülerinnen (im Fach Religion) des GAG und der Liebfrauenschule serviert. Das Team der Lambertikirche „verdient einen großen Dank und ebenso das wunderbare Publikum“, so die Organisatorinnen.

Mehr Informationen über Frauenmahle finden Sie unter: www.frauenmahl.de 

 

Ein Beitrag von Bärbel Romey.

 

Hier finden Sie die <media 25415>49 Reformatorischen Thesen</media> der Referentinnen des Oldenburger Frauenmahls im Format PDF.

Hier finden Sie die Tischreden der Referentinnen des Oldenburger Frauenmahls im Format PDF:
<media 25416>Tischrede von Sabine Blütchen</media>, Präsidentin der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg

<media 25417>Tischrede von Dr. Ayça Polat</media>, Integrationsbeauftragte der Stadt Oldenburg

<media 25418>Tischrede von Dr. Kristina Dronsch</media>, Referentin für Frauen und Reformationsdekade der Ev. Frauen in Deutschland (EFiD), Hannover
<media 25419>Tischrede von Annie Heger</media>, Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin & Moderatorin, Oldenburg und Berlin

<media 25420>Tischrede von Pfarrerin Dr. Uta Andrée</media>, Geschäftsführende Studienleiterin der Missionsakademie der Universität Hamburg
<media 25586>Tischrede von Cornelia Rundt</media>, Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen, Hannover
<media 25421>Tischrede von Professorin Dr. Annelie Keil</media>, Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin, Bremen

Sieben namhafte Frauen aus Kirche, Politik und Gesellschaft haben ihre Gedanken zum Thema Reformation und Politik beim 2. Oldenburger Frauenmahl am 24. Oktober im Lambertus-Saal mit 80 Frauen geteilt. Alle Fotos: ELKiO/B. Romey
„Wir wollen gemeinsam bei einem festlichen Mahl Visionen zu Kirche und Gesellschaft hören und ins Gespräch kommen“, begrüßten Dr. Andrea Schrimm-Heins (re.) und Gabriele Rüsch-Tillmanns (li.) die erwartungsvollen Frauen.
Landeskirchenmusikdirektorin Beate Besser stimmt zum gemeinsamen Singen an.
Beate Besser und Barbara Wündisch-Konz
Beate Besser und Barbara Wündisch-Konz
Sabine Blütchen, Präsidentin der Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen
Dr. Ayça Polat, Integrationsbeauftragte der Stadt Oldenburg
Dr. Kristina Dronsch, Referentin für Frauen und Reformationsdekade der Ev. Frauen in Deutschland (EFiD), aus Hannover
Annie Heger, Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin & Moderatorin aus Oldenburg und Berlin
Pfarrerin Dr. Uta Andrée, Geschäftsführende Studienleiterin der Missionsakademie der Universität Hamburg
Professorin Dr. Annelie Keil, Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin aus Bremen
Schülerinnen, im Fach Religion, des GAG und der Liebfrauenschule servierten das Festmahl.
Ziel des Abends: bei einem festlichen Essen über die Zukunft von Kirche und Religion miteinander ins Gespräch zu kommen.