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Was können wir tun, damit die Menschen in einer Stadt wie Wilhelmshaven ein Gefühl von Zugehörigkeit entwickeln, fragte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie in Wilhelmshaven. In Städten wie auf dem Land befinde sich Deutschland in einer tiefgreifenden Veränderung. Deutschland werde älter und ungleicher, warnte Lilie. Gleichwertige Lebensverhältnisse seien nötig, damit die Zustimmung zur Demokratie erhalten bleibe.

  

Im Rahmen der Unerhört-Kampagne führte Lilie Gespräche mit Menschen, die sonst weniger gehört werden, wie Wohnungslose, Straffällige und Süchtige. Die Diakonie wolle aber auch Alltagshelden, die sich in sozialer Arbeit und Pflege engagieren, mehr zuhören. Es lohnt sich, mit Menschen zu reden, über die sonst nur geredet wird. Zuhören allein reiche nicht aus, ergänzte Diakonie-Vorstand Thomas Feld. Die Diakonie müsse auch tätig werden. So brauchen jugendliche Wohnungslose unter 25 Jahren Unterstützung. Auch Pflegebedürftige im ländlichen Raum bräuchten mehr Unterstützung, weil die gezahlten Wegegelder nicht kostendeckend sind. Bei Schulmaterial habe die Diakonie durch die Unterstützung von Schülern erfahren, um wieviel höher der Schulmittelbedarf bei Kindern und Jugendlichen tatsächlich ausfalle. Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller sieht, dass sich Probleme in Wilhelmshaven wie in einem Brennglas kumulieren. Kreispfarrer Christian Scheuer kündigte einen Zuhör-Laden in der Wilhelmshavener Innenstadt an. Derzeit würden Kooperationspartner für diese Vorhaben gesucht. Ziel ist die Eröffnung zum Stadtjubiläum 2019. Es sei gut, dass die Stadt die Anregung der Kampagne konstruktiv aufnehme, sagte Lilie. Städte wie Wilhelmshaven brauchen Orte, von denen Aktionen für die Zivilgesellschaft ausgingen. Die vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft seien der Schatz von morgen. Sie müssten ebenso einbezogen werden wie die wachsende Zahl älter werdender Menschen in Wilhelmshaven. Die immer länger werdende Phase des Alters schaffe Möglichkeiten, sich für andere zu engagieren und Gutes zu tun, sagte Lilie. Die Stärkung von Quartieren geschieht über die Einbeziehung der Menschen. Die Erfahrung zeige, Menschen fühlen sich zugehörig, wenn sie sich beteiligen können.

  

Im Rahmen einer Sommerreise besucht Diakonie-Präsident verschiedene soziale Angebote in Deutschland. Lilie hat an Unerhört-Foren in Leipzig, Frankfurt und Stuttgart teilgenommen. Am Vortag war er in Syke, morgen wird Lilie in Hamburg sein.

 

Mut, zu handeln
In seiner "Rede für die Stadt" Wilhelmshaven machte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am Abend Mut, zu handeln. Wachsende Armut bedrohe den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Statt sich weiter über soziale Ungerechtigkeit zu empören, sollte die Politik den Betroffenen zuhören und dann handeln, sagte Lilie. So könne spezifische Hilfe dort ankommen, wo sie benötigt werde.
 
Weiter plädierte Lilie dafür, die Chancen einer multikulturellen Gesellschaft zu nutzen. Durch den Zuzug von Menschen mit einem Migrationshintergrund verjüngten sich Städte wie Wilhelmshaven. Damit werde die Stadtgesellschaft reicher an Gebräuchen, Religionen, Weltanschauungen und kulturellem Wissen.
 
Dabei sei es wichtig, alle kommunalen Akteure wie Vereine, Kirchen, Moscheen, Synagogen, soziale Hilfswerke und das Quartiersmanagement einzubeziehen, sagte Lilie. Eine multikulturelle Gesellschaft müsse moderiert werden. In der Nachbarschaft entscheide sich die Qualität einer Gesellschaft, unterstrich der Diakonie-Präsident. Die Akteure müssten fragen, wie es den Alten, den Kindern und den Fremden gehe und danach handeln. Wer jedoch die Menschen sich selbst überlasse, dürfe sich nicht über Parallelgesellschaften wundern.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie (Mitte) im Gespräch mit Mitarbeitenden der Diakonie in Wilhelmshaven.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie (Mitte) im Gespräch mit Mitarbeitenden der Diakonie in Wilhelmshaven.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie (li.) und Oberkirchenrat Thomas Adomeit machen Wilhelmshaven Mut. Fotos: Diakonisches Werk Oldenburg