Mehr als 9.000 Menschen nehmen sich jährlich in Deutschland das Leben, das sind mehr Menschen, als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen ums Leben kommen. Im Zusammenhang mit dem „Welttag der Suizidprävention, der am Sonntag, 10. September, begangen wird, will die oldenburgische Kirche mit einem Gottesdienst auf dieses Thema aufmerksam machen.
Der Gottesdienst am Freitag, 8. September, 18 Uhr in der Oldenburger Kirche St. Ansgar (Eversten, Edewechter Landstr.) steht unter der Überschrift „So'ne Sehnsucht nach Leben“. Der Gottesdienst wendet sich „an alle Menschen, und in diesem Jahr besonders auch an jüngere Menschen, die mit diesem Thema auf irgendeine Weise in Berührung sind“, so Mitorganisatorin Pastorin Elke Andrae von der TelefonSeelsorge Oldenburg. Es sei wichtig, im Gottesdienst Sprache zu finden für das Erlebte, für die eigene Trauer. Für Pastorin Tanja Bödeker, Seelsorgerin an der Karl-Jaspers-Klinik, ist der Gottesdienst ein Ort der gemeinsamen Trauer, er wolle aber auch Hoffnungszeichen setzen.
Der Gottesdienst wird gestaltet von Pastorin Elke Andrae, Pastorin Tanja Bödeker zusammen mit Jugendlichen des Jugendclubs des Oldenburgischen Staatstheaters, die Teile eines Stücks zeigen, das sie mit ihrem Leiter Klaas Schramm einstudiert haben. (Das Stück mit dem Titel „Der Tag, an dem das Glück starb“ wurde bei den Jugendtheatertagen 2023 erstmals aufgeführt.) Weiterhin wirkt der Musiker Steffen-Ulrich Schöps am Gottesdienst mit.
In allen Altersgruppen seien es erheblich mehr Männer als Frauen, die sich das Leben nehmen, insbesondere ältere Männer, so Dr. Claus Bajorat, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Psychotherapie an der Karl-Jaspers-Klink / Bündnis Depression. Zwar seien die Zahlen leicht rückläufig, doch liege jedem Suizid ein psychisches Leiden zugrunde, das hätte behandelt werden könne, so Bajorat. Mehr als 100.000 Menschen begehen in Deutschland jährlich einen Suizidversuch. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich etwa 800.000 Menschen durch Suizid. Der Welttag zur Suizidprävention wurde das erste Mal im Jahr 2003 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufen.
Aufklärung ist wirkungsvollstes Mittel gegen Suizid
Das wirkungsvollste Mittel gegen Suizid sei Aufklärung, betont Dr. Peter Orzessek, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Gesundheitsamt der Stadt Oldenburg. In den drei Jahren der Corona-Pandemie hätten insbesondere bei Jugendlichen Ängste, Depressionen und Essstörungen massiv zugenommen. Gerade für Jugendliche sei es wichtig, dass sie mit ihren Gedanken nicht allein seien und darüber sprechen könnten. Ihnen müsse vermittelt werden, dass es Möglichkeiten gebe, mit jeder Situation umzugehen, ohne diesen einen letzten Schritt zu tun. Als Ansprechpartner nannte er Kinderärztinnen und -ärzte, psychologische Beratungsstellen von Stadt und Kirchen und die Klärungsstelle der Oldenburger Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Corona-Pandemie habe bei Kindern und Jugendlichen schwere Schäden hinterlassen, bestätigt Dr. Claus Bajorat. „Wir sprechen da von ganz gravierenden Lebensbrüchen bei den jungen Menschen.“
Auch Klaas Schramm vom Oldenburgischen Staatstheater hat bei seiner Arbeit im Jugendclub deutlich gespürt, „dass sich die psychischen Probleme vieler junger Leute während der Corona-Pandemie verschlimmert haben.“
Miteinander zu reden, nachzufragen und auch Andeutungen ernst zu nehmen, sei das Wichtigste, betont Pastorin Tanja Bödeker. Kaum jemand traue sich, offen zu fragen: „Wie geht es dir wirklich? Denkst du daran, dir das Leben zu nehmen?“ Es dürfe nicht bagatellisiert werden, „wenn jemand sagt: Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr“, so Pastorin Elke Andrae.
"Wir müssen das Schweigen brechen."
Das Thema Suizid aus der Tabuzone herauszuholen, ist auch das Anliegen von Daniela Hirt. Nach dem Suizid eines engen Familienmitglieds fand sie selbst Hilfe bei der Telefonseelsorge und der oldenburgischen Kirche. Auf ihre Anregung hin fand 2019 der erste Gottesdienst zum Welttag Suizidprävention in Oldenburg statt. „Wir brauchen einfach mehr Öffentlichkeit für dieses Thema, wir müssen das Schweigen brechen.“
Weitere Informationen finden sie unter:
www.welttag-suizidpraevention.de
Info:
Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, oder jemanden kennen, der suizidgefährdet ist, suchen Sie Hilfe. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/1110111 und 0800/1110222.
Auch ein Kontakt per Chat und E-Mail ist möglich: www.telefonseelsorge.de
Hilfe im Internet:
www.oldenburg-telefonseelsorge.de
Oldenburger Bündnis gegen Depression:
www.karl-jaspers-klinik.de/Ueber_uns/Unternehmen/Buendnis-gegen-Depression.php