Zum Hauptinhalt springen

Jonas Fehlig ist 21 Jahre alt. Vor sechs Jahren outete er sich als trans. Nach dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes hat er eine offizielle Namensänderung beantragt. Jetzt passt für ihn alles, und er hält den neuen Ausweis in der Hand.

 

Hannover (epd). Der Antrag dauerte keine zehn Minuten, die Bearbeitung zog sich dann doch ein wenig. Aber jetzt hält Jonas Fehlig seinen neuen Personalausweis in der Hand. Fast jubelnd hebt er das Dokument hoch. Für den 21-Jährigen aus Hannover bedeutet das viel. Der Transmann wird nun auch offiziell so wahrgenommen, wie er ist - als Jonas eben, so steht es jetzt auch schwarz auf weiß in seinen Papieren und in den öffentlichen Registern. «Für mich bringt das wahnsinnig viel Freiheit», sagt der Rettungssanitäter: «Und es gibt mir mehr Sicherheit. Ich muss mich nie wieder outen, wenn ich es nicht möchte.»

Eine Begutachtung nach dem früher geltenden Transsexuellen-Gesetz wollte er sich ersparen: «Das ist oft sehr entwürdigend abgelaufen.» Darum hat Jonas Fehlig gewartet, bis das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft getreten ist, und erst dann offiziell erklärt, dass künftig «männlich» in seinen amtlichen Vermerken stehen soll.

Das Gesetz erleichtert es trans- und intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Personen, ihr amtlich eingetragenes Geschlecht und ihren Vornamen zu ändern. Seit August 2024 hatten die Kommunen entsprechende Anmeldungen und seit der Gültigkeit des Gesetzes im November die entsprechenden Erklärungen entgegengenommen.

«Ein großer Fortschritt», zieht Gabriel_Nox Koenig vom Bundesverband Trans* in Berlin eine erste Bilanz. «Das Gesetz nimmt viel Diskriminierung aus dem Verfahren heraus und erfüllt damit auch internationales Recht.» Zwar habe es Startschwierigkeiten gegeben, etwa durch den unterschiedlichen Umgang einzelner Standesämter mit den Papieren. «Vieles hat sich aber geglättet.»

Allein bei den Ämtern in Hannover haben mit dem neuen Gesetz laut einem Stadtsprecher bis Ende Januar gut 120 Menschen den Eintrag von «männlich» auf «weiblich» oder umgekehrt ändern lassen. Weitere 38 wollten den Eintrag «divers» und noch einmal 22 künftig gar keinen Eintrag. In Köln haben sich in dem Zeitraum fast 600 Personen für die Änderung angemeldet und gut 350 inzwischen eine Erklärung abgegeben. Auch an kleineren Orten wie auf der Nordseeinsel Norderney gab es bis Januar bereits einzelne Anmeldungen und Erklärungen.

Den Personalausweis und die Geburtsurkunde, mehr brauche es nicht, erläutert die Standesbeamtin bei einem Besuch von Jonas Fehling in der Behörde. «Persönliche Beweggründe sind für das Standesamt irrelevant.» Ein weiterer Schritt für Jonas - auch auf dem langen Weg zu sich selbst.

Geboren mit den äußerlichen Merkmalen eines Mädchens, fühlte er sich schon früh im falschen Körper. Mit der Pubertät wuchs sein Leidensdruck. Ihm wurde klar, dass es um weit mehr ging als um ein Unbehagen, wenn er die Röcke seiner älteren Schwestern trug. «Ich musste für mich selbst erst aufarbeiten, was eigentlich dahintersteckt.» Mit 15 Jahren outete er sich als trans.

Seit gut zwei Jahren spritzen Ärzte ihm nun alle zehn Wochen Testosteron. «Der Stimmbruch ist nicht rückgängig zu machen», sagt er. «Aber das ist ja auch das, was ich will.» Mit seinem Podcast «trans.to.meet.you» will er aufklären und für mehr Akzeptanz werben. Eine zweite Staffel soll Mitte des Jahres auf Sendung gehen.

Und der junge Mann mit dem Vollbart ist noch weiter gegangen, um der zu sein, der er ist. Er hat sich mit einer sogenannten Mastektomie die weibliche Brust entfernen lassen. Dafür brauchte er zwei unabhängige psychologische Gutachten, damit die Operation möglich wurde. «Ich finde es nicht schlimm, dass es eine Art von Schutz gibt», sagt Fehlig. Allerdings sollten Transmenschen bei den Verfahren viel stärker einbezogen werden, findet er. «Niemand kann nachvollziehen, was in ihnen vorgeht, außer diejenigen, die es selbst erleben.»

Das neue Selbstbestimmungsgesetz nehme darauf Rücksicht, meint er. Er berichtet von Freunden, die wie er selbst mit der Gesetzesänderung gleich gehandelt haben. Denn auch politisch könne sich manches wieder ändern, ist ihre Sorge. «Jeder Schritt nach vorn bringt auch Befürchtungen auf Rückschritte mit sich. Transmenschen sind dann vermutlich die ersten, die ihre Rechte wieder verlieren.»

Wie der 21-Jährige brauchen laut Gabriel_Nox Koenig vom Bundesverband Trans* viele Transmenschen Jahre, bis sie ihren Weg gefunden haben. An dieser Stelle kritisiert der Verband auch das neue Gesetz. «Dadurch, dass es festlegt, dass die Änderung erst nach einer dreimonatigen Wartefrist erfolgt, erweckt es den Anschein, das tut jemand aus einer Schnapslaune heraus», erläutert Koenig. «Mit der Realität hat das aber nichts zu tun.»

Für Jonas Fehlig ist es ein «Finale», wie er sagt, dass er jetzt die neuen Papiere in den Händen hält. «Das ist der Abschluss für mich und meine Transition. Damit sind alle Ziele abgesteckt, die ich von Anfang an erreichen wollte.»