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Mit offenen Ohren und etwa drei Stunden Zeit in der Woche in eine Familie gehen, hören, wo Unterstützung gebraucht wird und dann tatkräftig zupacken: Das ist das Aufgabenfeld ehrenamtlicher Erziehungslotsen.

Die Erziehungslotsen gehen zu Familien, in denen es zurzeit nicht glatt läuft. Wo die Familien genau Unterstützung brauchen, das kann sehr unterschiedlich sein: die Betreuung des älteren Geschwisterkindes, während die Mutter mit dem jüngeren Termine wahrnimmt; Ansprechpartner sein für alle Kinder oder mit den kleineren Geschwistern spielen, während die Mutter mit dem älteren die Hausaufgaben macht. Manchmal geht es auch darum, Ordnung ins Behördenchaos zu bringen – oder gemeinsam mit der Familie den Haushalt neu zu organisieren. Die Einsätze sind immer zeitlich begrenzt, und die Familien sollen in dieser Zeit lernen, wie es anschließend auch ohne Erziehungslotsen weitergeht.

Viele der von Erziehungslotsen betreuten Kinder sind im Kindergartenalter, da jüngere Kinder bis zum ersten Lebensjahr durch die ehrenamtlich Mitarbeitenden von „wellcome“ begleitet werden. Dort übernehmen sie ähnliche Aufgaben, wie es Großeltern tun würden, wenn sie vor Ort wären. Sie unterstützen junge Eltern bei der Suche nach sinnvollen Freizeitmöglichkeiten für ihre Kinder, helfen Eltern, Kontakte zu anderen Eltern zu knüpfen oder unternehmen etwas Schönes mit den Kindern, damit Eltern mal Zeit für sich haben. Oder sie haben ein offenes Ohr für Erziehungsfragen, wie sie bei Kindergartenkindern auftauchen können. Das Familien-und Kinderservicebüro Wilhelmshaven (FAKIS) – als Vermittlungsstelle für Erziehungslotsen – wird von den Kindertagesstätten oft gerade dann empfohlen, wenn Eltern Probleme bei Erziehungsfragen haben oder auch einfach sehr erschöpft sind.

Um auf diese Aufgaben gut vorbereitet zu sein, nehmen die Ehrenamtlichen an einer kostenfreien Schulung im FAKIS im Umfang von etwa 40 Stunden teil. Dabei geht es um Fragen zur Erziehung, um Konflikte, Kommunikation und interkulturelle Kompetenz. Außerdem gibt es praktische Anregungen in den Bereichen Lernen, Spielen oder Alltagsorganisation.

Auch während der Tätigkeit werden die Ehrenamtlichen durch das FAKIS unterstützt. „Auch die Ehrenamtlichen brauchen in schwierigen Situationen Beratung, wie sie handeln können und welche Möglichkeiten es für die Familie gibt“, so Waltraud Sprauer, die als Diplom-Pädagogin das Projekt im FAKIS begleitet. „Daneben schaffen wir den Erziehungslotsen durch regelmäßige Treffen ein Forum, um sich über die Tätigkeit auszutauschen.“

Der Zuspruch der Familien ist es, was die Ehrenamtlichen antreibt. Sie wollen den Menschen etwas zurückgeben, weil sie selbst „Glück im Leben“ gehabt haben, sagt eine Ehrenamtliche. „Gerade, wenn die eigenen Kinder groß sind, haben viele Menschen einen reichen Erfahrungsschatz, von dem andere Familien profitieren können“, sagt Waltraud Sprauer.

In Wilhelmshaven gibt es die ehrenamtlichen Erziehungslotsen seit knapp fünf Jahren. Der bisherige Projektverlauf ist ein großer Erfolg: Alle bisher ausgebildeten Ehrenamtlichen haben schon mehrere Wilhelmshavener Familien unterstützt, und zwar lebenspraktisch und unbürokratisch, genau da, wo die Hilfe gebraucht wurde. Dabei ersetzen die ehrenamtlichen Erziehungslotsen nicht die Arbeit von Beratungsstellen oder der Jugendhilfe, sondern sie haben vor allem erst einmal Zeit für die Familien und ein offenes Ohr für die Sogen und Nöte. Und dann wird gemeinsam überlegt, wie es weitergehen kann. „Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz der Erziehungslotsen in den Familien in Wilhelmshaven ist die Einbindung in das bestehende Netwerk früher Hilfen in der Stadt“, sagt Waltraud Sprauer. „Die enge Zusammenarbeit mit dem Jugendsozialdienst sowie den Schulen und Kindertagesstätten hat sich bewährt.“ Außerdem ist der Einsatz der Erziehungslotsen immer Hilfe zur Selbsthilfe und ist deshalb auf ein Jahr befristet.

Im Herbst ist eine neue Schulung für Erziehungslotsen geplant. Wer sich für diese Tätigkeit interessiert oder die Unterstützung durch einen Erziehungslotsen wünscht, kann sich im FAKIS in der Heppenser Straße 29 in Wilhelmshaven melden. Weitere Informationen unter (04421) 7543422.

 

Ein Beitrag von Rüdiger Schaarschmidt.


Die Erziehungslotsen unterstützen Familien ehrenamtlich da, wo Hilfe gebraucht wird. Foto: EFB