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Kürzlich habe ich mir ein Zitronenbäumchen für mein Arbeitszimmer gekauft. Die Früchte daran sind zwar nicht essbar, dennoch schaue ich zwischendurch immer wieder gerne hin und freue mich daran. Mitunter sehe ich vor meinem geistigen Auge jemanden herzhaft in eine Zitrone beißen. Und schon muss ich grinsen.

   

„Sauer macht lustig“,

sagt der Volksmund. Das gilt umso mehr, wenn man tatsächlich in etwas Saures wie eine Zitrone hineinbeißt. Ein Gefühl, das einem die Gesichtszüge entgleiten lässt – das den Körper zur Reaktion provoziert – und tatsächlich auch erschlaffte Lebensgeister wieder aufweckt. Schaurig schön! Und die Gesichter der Umstehenden erst. Einfach köstlich! Diese Gedanken kamen mir bei der Lektüre des Wochenspruchs in den Sinn: 

„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“

   

Mit diesen Worten lädt Jesus uns zu sich und damit zu Gott ein – insbesondere dann, wenn wir erschöpft und ausgelaugt sind. Jede:r von uns kennt das doch: völlig geschafft zu sein; mental oder auch körperlich. Die Kräfte gehen zur Neige, und bald schon geht gar nichts mehr. Oder wir tragen eine andere Last mit uns herum. Die Verantwortung eines Amtes zum Beispiel, die zunehmend schwerer wird und uns niederzudrücken droht. Oder die Sorge um andere, denen wir nicht helfen können. Vieles mag uns belasten. Immer wieder und immer wieder neu. Und in genau dieser Situation ereilt uns Jesu Einladung. Ja, mehr noch: Es handelt sich um eine Verheißung:   

„Ich will euch erquicken“

   

Dieses alte, heute kaum noch verwendete Verb bedeutet so viel wie „erfrischen“ und geht zugleich noch darüber hinaus. Gott schenkt uns neue Kraft, neue Hoffnung, eine neue Perspektive. Er gewährt uns die Stärkung, die wir brauchen, um unseren Weg weiter gehen zu können. Dabei ist das Wirken Gottes in solchen Situationen durchaus komplex; denn es ist nicht nur so, dass er uns neue Energie zuführt. Gott ist nicht einfach nur eine Tankstelle oder ein Brunnen, die wir ansteuern, um unsere Reserven wir aufzufüllen. Nein, indem wir uns mit dem an Gott wenden, was uns beschwert, teilen wir dies mit ihm und erfahren, dass er uns zumindest einen Teil der Last abnimmt. Wir tragen sie nicht mehr alleine, sondern dürfen sie auf zwei weitere Schultern verteilen.

   

Zugleich lädt er uns ein, die kurze Auszeit zu nutzen, um den bisherigen Weg einmal zu reflektieren und uns die Frage zustellen, ob es vielleicht auch andere Perspektiven gibt, die wir einnehmen können. Gibt es möglicherweise andere Wege oder auch eine andere Haltung? Können wir an uns und der Situation etwas zum Besseren verändern? Wer anfängt, so zu denken, beginnt Perspektiven zu entwickeln. Und daraus fließen Kraft und Hoffnung.

   

„Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, macht Limonade daraus.“

Noch so eine bekannte Volksweisheit. Vielleicht etwas abgedroschen – und trotzdem passend. Denn die Perspektive, die Haltung, die ich einnehme, ist ganz wichtig und entscheidend für meinen Umgang mit den Dingen und Menschen, die mir begegnen. Gott, das Zwiegespräch mit ihm, das Gebet oder auch die Meditation – all das hilft mir dabei, Haltung zu gewinnen.

   

Wenn ich mein Zitronenbäumchen anschaue, dann geht es mir gut. Und ich habe Lust auf Limonade.

   

Pfarrer Dr. Urs-Ullrich Muther, Leiter Referat Bildung

 

Zitronenbaum Foto: Urs Muther
Zitronenbaum Foto: Urs Muther