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Barmherzigkeit ist das Geschäft diakonischer Einrichtungen. In verschiedenen sozialen Bereichen übernehmen sie wichtige Aufgaben für die Allgemeinheit. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Einrichtungen der Diakonie im Ev.-luth. Kirchenkreis Delmenhorst / Oldenburg Land diskutierten in der Michaeliskirche des Wichernstifts Ganderkesee über die Rahmenbedingungen diakonischer Arbeit.

Die Podiumsdiskussion fand am Donnerstag, 16. Oktober, im Rahmen der Aktionswoche „Gemeinsam Feuer und Flamme“ (15. bis 22. Oktober) statt. Diese Aktion der Diakonie im Kirchenkreis Delmenhorst / Oldenburg Land soll die Aufmerksamkeit auf die Vielfalt diakonischer Aktivitäten richten.

Sind Nächstenliebe und Barmherzigkeit bezahlbar? Woher bekommen diakonische Einrichtungen ihr Geld? Wer zahlt was? Reicht das Geld aus dem Betrieb sozialer Einrichtungen zur Entlohnung der Mitarbeitenden? Welche Maßstäbe entsprechen den Menschen, die Hilfe brauchen und denen, die sie geben? Und was sind wir bereit zu finanzieren? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussionsrunde.

Es diskutierten: Uwe K. Kollmann, Vorstand Diakonisches Werk Oldenburg; Franz-Josef Franke, Geschäftsführer Diakonie Delmenhorst/Oldenburger Land; Pastor Uwe Mletzko, Vorstandsprecher Verein für Innere Mission Bremen; Regina Logemann, Geschäftsführung Pflege Diakonie-Sozialstationen im Oldenburger Land; Niels Hinderlich, Vorsitzender Betriebsrat Wichernstift Altenhilfe gGmbG und Friedrich Mohn, Heimleitung Wichernstift Altenhilfe gGmbH. Frerk Hinrichs, Pressesprecher des Diakonischen Werkes Oldenburg, moderierte den Abend.

Gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden
„Die Frage ist, wie Wohlfahrtspflege langfristig finanziert wird?“, so Uwe K. Kollman. Er betonte, dass das breite Spektrum der Tätigkeiten durch gut qualifizierte Mitarbeitende geleistet werde, die „wir auch gut bezahlen wollen. Die vorhandenen Mittel werden eingesetzt, um für Menschen zu leisten, was wichtig ist.“

In der Pflege werde gute Arbeit unter schwersten Bedingungen geleistet, die mit der Arbeit eines Bergmanns unter Tage vergleichbar sei – allerdings nicht so bezahlt werde. Über die Entlohnung waren sich die Experten der Einrichtungen einig: Es werde überall sehr gute Arbeit geleistet, die dementsprechend auch honoriert werden müsse.

Kritik übten sie an der Gesetzgebung, die Krippen- und Kita-Plätze garantiere. Dies sei ein „guter Ansatz, doch die Umsetzung und Abgabe an Kommunen haben die Haushalte angegriffen und ein Riesenbatzen Geld ist nötig.“ Das gelte auch für Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen und Immigranten.

Barmherzigkeit
Diskutiert wurde über den Begriff und die Umsetzung der Barmherzigkeit. Die wichtigen Punkte in der Diakonie seien ethisches Handeln und eine gute Ausrichtung, doch müsse auch die Ökonomie den wirtschaftlichen Standards entsprechen, machte Pastor Uwe Mletzko deutlich. Einerseits hab die Arbeit mit Entlohnung zu tun, doch stehe die Devise „Not erkennen und helfen“ im Vordergrund, ohne auf die Rendite zu schauen.

„Und genau das macht den Unterschied der kirchlichen Einrichtungen aus“, waren sich die Experten einig. Weiterhin auch, präsent zu sein und Sorge zu tragen, dass Menschen unter Wahrung der Würde die Hilfe bekommen, die sie benötigten. Das sei ein christlicher Auftrag.

Für Regina Logemann ist Barmherzigkeit „die Haltung eines jeden, der bei uns mitarbeitet. Diese Haltung trägt man in sich“, betonte sie. Sie mahnte, nicht nur auf „uns Profis“ zu schauen, sondern das Augenmerk auf die vielen Ehrenamtlichen zu richten. Die Helfenden würden immer weniger werden und Unterstützung sei dringend notwendig.

Mitglied in der Kirche?
Bei der Frage nach der Kirchenmitgliedschaft prallten zwei Meinungen aufeinander: Für Uwe Mletzko ist es unabdingbar, dass Mitarbeitende der Kirche angehören. Das sei eine Frage der Erkennbarkeit, der Grundgedanke der ev. Kirche müsse vermittelt werden und die Arbeit entsprechend der Leitbilder umgesetzt werden.

Uwe K. Kollmann sprach sich dagegen aus. Denn die Frage sei, was geleistet werde. „Die Arbeit unter einem christlichen Aspekt steht im Mittelpunkt und nicht, wer in der Kirche Mitglied ist.“ Er hob den Mehrwert durch Kirche und Diakonie hervor: „Wir können uns erlauben, gemeinschaftliche Arbeit zu tragen ohne Anspruch auf Kirchenzugehörigkeit.“

Geld
Arbeit habe mit Wert zu tun und damit auch mit Bezahlung. „Menschen wollen gern mehr bezahlen, haben aber das Geld nicht“, weiß Franz-Josef Franke. Es sei allgemein bekannt, dass zu wenige Mitarbeitende die umfangreiche Arbeit in der Pflege seit Jahren leisten müssten. „Und das wird seit Jahren so geduldet“, betonte Friedrich Mohn. „Wir müssen einen Pflegeschlüssel haben, der mit Realität zu tun hat.“

Kirche ist ohne Diakonie nicht vorstellbar
Einer Meinung waren die Experten bei der Beantwortung der Frage eines Besuchers: „Ist es vorstellbar, dass sich die Diakonie zurückzieht und die Arbeit anderen Einrichtungen überlässt?“

„Eindeutig nein. Kirche ohne Diakonie ist nicht vorstellbar.“ Die Berührungspunkte der Menschen in Diakonien seien deutlich höher als in Kirchen. Eine Umfrage habe ergeben, dass 80 Prozent der Befragten erwarten, dass Kirche sich einsetze. „In der Pflege, in Kindergärten und in der Jugendarbeit finden Begegnungen statt, die die Verbindung zur Kirche herstellen. Kindergärten und Pflege ist für manche Menschen die erste Begegnung mit der Kirche.“

Info:
Laut www.diakonie.de ist Diakonie Kirche und damit weit mehr als „staatliche Sozialarbeit in kirchlicher Trägerschaft“. Sie geht aus vom Gottesdienst der Gemeinde, ist gelebter Glaube, präsente Liebe, wirksame Hoffnung. So steht es nicht nur im Leitbild der Diakonie, es zeigt sich auch in der täglichen Arbeit, in den Kampagnen, im Jahresthema. Diakonie ist Kirche, die man spürt.


Unter Diakonie sind alle Aspekte des Dienstes am Menschen im kirchlichen Rahmen zu verstehen. Die Diakonie ist vielfach mit den Kirchengemeinden verankert. Zum Beispiel in Kindergärten, Besuchsdiensten, Alten- und Pflegeheimen und Pflegediensten, Krankenhäusern und vielen sozialen Einrichtungen und Beratungsstellen. (www.bmfsfj.de/)

Ein Beitrag von Bärbel Romey.

Podiumsdiskussion im Rahmen der Aktionswoche „Gemeinsam Feuer und Flamme“ (von li. nach re.): Pastor Uwe Mletzko, Niels Hinderlich, Uwe K. Kollmann, Frerk Hinrichs, Franz-Josef Franke, Regina Logemann und Friedrich Mohn. Fotos: ELKiO/Bärbel Romey