Die Kirchen wollen die Schöpfung bewahren und setzen dabei auf innovative Wege. Statt mit einer teuren Gasheizung eine ganze Kirche zu beheizen, sollen die Gläubigen im Rysum bei Aurich künftig auf warmen Kissen sitzen.
Rysum/Kr. Aurich (epd). Die Kirchen sorgen sich ums Klima und wollen die von ihnen verursachten Treibhausgase radikal reduzieren. Das Problem: Die größte Menge des klimaschädlichen CO2-Gases fallen in den Kirchengebäuden an, wenn sie für den Gottesdienst geheizt werden. Allein in der vergleichsweise kleinen Evangelisch-reformierten Landeskirche mit ihren bundesweit 140 Gemeinden werden so jährlich mehr als 5.000 Tonnen CO2 ausgestoßen - nur für den Betrieb kirchlicher Gebäude, erläuterte der Klimaschutzmanager der reformierten Kirche, Roland Morfeld, am Dienstag im ostfriesischen Rysum.
«Um das Problem anzugehen, müssen wir auch ungewöhnliche Wege gehen», sagte Morfeld. So werden in der Rysumer Kirche, die in Teilen aus dem 12. Jahrhundert stammt, derzeit elektrisch beheizte Sitzkissen getestet. Die bunten, etwa 40 mal 40 Zentimeter großen Kissen werden kabellos mit einem etwa handygroßen Akku betreiben, der in das Kissen integriert ist. Zum Aufladen werden die Kissen in einem Regal mit zwei Ladestreifen gestapelt. Über zwei metallene Kontakte an den Seiten der Kissen können die Akkus wieder aufgeladen werden.
Das Konzept wurde von Studierenden der Hochschule Emden-Leer in dem Projekt «Leitfähige Kunststoffe für Sitzpolster in Kirchen» entwickelt.
Im besten Falle geschieht das Laden der Akkus nach Angaben von Morfeld sogar klimaneutral: Erstellt eine Kirchengemeinde ein realistisches Konzept, um ihre Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren, spendiert die Landeskirche eine Fotovoltaik-Anlage von 40 Quadratmetern.
Um den Nutzen solcher Systeme zu verdeutlichen, stellte Morfeld eine kleine Rechnung auf: Um eine normale Dorfkirche im Winter für einen Gottesdienst am Sonntagmorgen auf eine erträgliche Temperatur aufzuheizen, fielen rund 150 Euro für Energiekosten an. Außerdem würden rund 250 Kilogramm des klimaschädlichen Gases CO2 produziert. Im Vergleich dazu kämen in einer Wohnung mit vier Personen in einem gesamten Monat rund 120 Euro Energiekosten und 200 Kilogramm CO2 zusammen, erläuterte der Klimaschutz-Experte.
Allerdings gebe es in einigen Gemeinden Vorbehalte, weil sie nicht auf den Komfort einer warmen Kirche verzichten möchten, räumte der Morfeld ein. «Aber man muss auch bedenken, dass erst am Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Torf-Öfen in die Kirchen kamen. Zentralheizungen wurden erst in den 1970er-Jahren in den Kirchen verbaut.» Das sei damals bereits falsch gewesen. Durch das ständige Aufheizen und Herunterheizen seien Orgeln beschädigt worden. Zudem schwanke seither die Luftfeuchtigkeit in den Kirchen erheblich, was den Instrumenten ebenfalls zusetze. «Außerdem sind die Leute doch ohnehin warm angezogen, wenn sie im Winter zum Gottesdienst gehen.»
Die reformierte Landeskirche erfasse derzeit den gesamten Energieverbrauch aller ihrer 140 Gemeinden zwischen Ostfriesland und dem Allgäu, erläuterte Kirchensprecher Ulf Preuß. 2022 hatte die Gesamtsynode ein Klimaschutzkonzept beschlossen mit dem Ziel, sämtliche Treibhausgas-Emissionen der Kirche bis 2035 um 90 Prozent zu senken. Bis zum Jahr 2045 sollen die fehlenden zehn Prozent folgen. Kirchenpräsidentin Susanne bei der Wieden hatte damals unterstrichen, dass es beim Klimaschutz keine Tabus geben dürfe.