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Mit über 600 Gästen war die Oldenburger Lamberti-Kirche beim Adventsempfang der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg sehr gut besetzt. Bischof Jan Janssen freute sich über die große Resonanz und dankte in seiner Andacht „für jedes Licht, das an Menschen weitergereicht wird. Ob für Flüchtlinge oder in Freiwilligendiensten, mit Kirchenmusik oder Konfirmanden-Zeit, in spezieller Beratung oder alltäglicher Begleitung vor Ort, ausnahmsweise mit zwei Segelschiffen beim Hamburger Kirchentag oder kontinuierlich auf sechs-jähriger Fahrt als dauernd engagierte Synodale unserer Kirche, in vielen ungesehenen Arbeitsfeldern der Diakonie oder im einzelnen Highlight zum Reformationsjubiläum.“

Im Blick auf das Thema des Adventsempfanges sagte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg: „Die fast 500 Jahre alten Entdeckungen der Reformation lohnen neue Erschließung, Überprüfung und Anwendung. Die Propheten der Bibel und auch die der Reformation rufen uns, unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten. Achten wir in diesem Advent auf sie. Hören wir ihr Ansagen. Sehen wir ihre Wegweisungen. Folgen wir ihnen in einer ernsthaften Vorbereitung auf das große Fest, an dem Gott in seinem Kind zur Welt kommen will.“ In der Fürbitte gedachte Bischof Janssen sowohl an den am Donnerstagabend gestorbenen früheren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela als auch an den verstorbenen früheren oldenburgischen Weihbischof Max Georg Freiherr von Twickel.

Gastreferentin an diesem Abend war die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann. Die frühere Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende berichtete über den Stand der Vorbereitungen für das Großereignis und umriss dafür die inhaltlichen Schwerpunkte.

In ihrem Vortrag „Weit weg von Wittenberg? – Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017“ ging Margot Käßmann zunächst auf die sogenannten „Themenjahre“ bis zum Jubiläumsjahr 2017 ein, das am 31. Oktober 2016 beginnen soll. Der Verlauf des Jahres ruhe dann auf „fünf Säulen“: Auf eine große Eröffnungsfeier folge ein Stationenweg zu Reformationsstädten in Deutschland und Europa, um „die Erinnerungen an die je lokale Reformationsgeschichte mit einer Aktualisierung, die die gegenwärtige Bedeutung des reformatorischen Themas andeutet“, zu verbinden, so Käßmann. Daran schließe sich eine „Weltausstellung der Reformation“ in und um Wittenberg, der Stadt des Thesenanschlages, an. Dazu werde es, im Zusammenhang mit einem Kirchentag in Berlin, einen Gottesdienst und ein internationales Jugendcamp geben, berichtete Käßmann weiter.

Die Botschafterin für das Reformationsjubiläum versuchte die Sorgen um eine Überhöhung des 500. Reformationsjubiläums im Jahr 2017 zu zerstreuen. „Es werde keinen Kult um Luther geben“, versicherte sie. Der Protestantismus in Deutschland und weltweit sei souverän genug, die Schattenseiten Luthers und der Reformation nicht auszublenden. Käßmann betonte, die Reformation sei eine breite Bewegung gewesen, die viele Jahrzehnte umfasste. Dabei sei 1517 ein Jahr und Martin Luther eine Symbolfigur. Es sei wichtig, einen kritischen Blick zu wagen und die Reformation als Gesamtgeschehen zu sehen.

Kern des Vortrages war die Entfaltung von zehn Schwerpunkten, die während der Reformationsdekade im Mittelpunkt stehen. Dazu gehören, so Käßmann, der kritische Rückblick, die Ökumene, der Dialog der Religionen, die Konzentration auf die reformatorische Kernbotschaft in säkularer Zeit, die Frauen, die Überwindung von Spaltung, die Bildung, die Freiheit, die Rechtfertigung in der Erfolgsgesellschaft und die Globalisierung. Mit der Dekade werde das Ziel verfolgt, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was es heiße, evangelisch zu sein. Dabei sei es entscheidend, eine Sprache zu finden, „die den Glauben in die heutige Zeit vermittelt, so wie es Luther und auch Zwingli auf je eigene Weise vermochten. Dem ‚Volk aufs Maul schauen’ bedeutete dabei nicht, ihm nach dem Mund zu reden.“

Dem historischen Rückblick, der auch Luthers Haltung zu Judentum und in den Bauernkriegen nicht aussparte, folgte ein Impulsreigen, welche Akzente das Jubiläum für Kirche und Gesellschaft setzen könne. Ein wichtiger Punkt ist für Margot Käßmann die Überwindung der Spaltung unter reformatorischen Kirchen. Immer wieder gebe es im Protestantismus Abspaltungen, wie etwa jüngst in der lutherischen Kirche in den USA über die Frage der Homosexualität. In Europa sei die Leuenberger Konkordie von 1973 ein starkes Signal, „dass und auch wie solche Spaltung überwunden werden kann. Trotz aller Differenzen können sich Reformierte, Lutheraner und Unierte auf der Grundlage der Konkordie gegenseitig als Kirchen anerkennen, die Ämter anerkennen und miteinander Abendmahl feiern. Es ist ein gelebtes Modell, Spaltung zu überwinden. Das Verschiedene muss nicht trennend sein.“

Beim Reformationsjubiläum sei auch die – hochaktuelle – reformatorische Forderung nach Bildung für alle zu feiern. Käßmann verwies darauf, dass Glaube gleich gebildeter Glaube sei, der Fragen und Debatten zuließe. Oder die Freiheit: Es sei heute als zentrale Leistung der Reformation zu sehen, dass Glaube und Vernunft beieinander bleiben und auch den Weg zur Aufklärung vorbereitet haben. Es sei für beide Seiten gut, dass Staat und Religion getrennt seien. Eine Art „Gottesstaat“ oder auch „Diktat der Religion“ fördere die Freiheit nicht.

 

„Nach der Erfahrung des Versagens der Kirche und auch ihrer Verführbarkeit in der Zeit des Nationalsozialismus wurde gelernt, dass Kirche zum freien Wort greifen muss, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Das sind Erfahrungen der Kirche in der DDR. Das sind auch Erfahrungen in aller Welt: in Südafrika, in Argentinien, im Iran etwa.“ Das Reformationsjubiläum 2017 müsse auch „die politische Dimension des reformatorischen Freiheitsbegriffes“ aufzeigen, forderte Kaßmann. Zur Rechtfertigung sagte sie: „Die Lebenszusage, die Luther gefunden hat: Gott hat dir schon lange Sinn zugesagt, ganz gleich, was du leisten kannst, gilt es für unsere Zeit zu übersetzen.“ Vor Gott aber sei jeder Mensch anerkannt.

Die Evangelische Kirche in Deutschland freue sich, dass es kein innerprotestantisches Jubiläum sein werde, sondern eines, das offen ist für die weltliche Beteiligung, die ökumenische Dimension und den internationalen Horizont, betonte Käßmann zum Schluss.

 

Adventsempfang der oldenburgischen Kirche (von li. nach re.): Synodenpräsidentin Sabine Blütchen, EKD-Botschafterin Prof. Dr. Margot Käßmann und Bischof Jan Janssen. Fotos: ELKiO/D.-M. Grötzsch
Gastreferentin an diesem Abend: die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann.
Bischof Jan Janssen dankte in seiner Andacht „für jedes Licht, das an Menschen weitergereicht wird.“
Adventsempfang in der Oldenburger St.-Lamberti-Kirche