Vor 180 Gästen aus Kirche, Wirtschaft, Verwaltung und sozialer Arbeit sprach Johanna Will-Armstrong beim Abend der Begegnung über die aktuellen Herausforderungen für die diakonische Arbeit. Will-Armstrong, Vorstand der Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, betonte, dass Kirche und Diakonie nur miteinander ihre christliche Verantwortung in der Welt gestalten können. Die Reformation verleihe die nötige Kühnheit, um Antworten auf die Problemlagen unserer Zeit zu finden. Auch wenn die Diakonie ein „spät geborenes Kind der Reformation“ sei. Zunächst seien die Verkündigung und die Sakramente das zentrale Thema gewesen. Im Augsburger Bekenntnis werde nichts zur Diakonie gesagt. „Als ob Kirche ohne Diakonie sein könnte.“
Drei aktuelle Herausforderungen benannte Will-Armstrong: Pluralisierung, Ergebnisorientierung und Inklusion. Noch nie seien so viele Menschen mit Behinderungen aus Westfalen zum Kirchentag gefahren, wie in diesem Jahr, erzählte sie erfreut. Dies sei sehr wichtig, um Flagge zu zeigen, nicht nur zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetztes. „Denn das Projekt Inklusion trifft in eine Gesellschaft, die zunehmend exklusiv wird, sich auseinander entwickelt, ausdifferenziert.“ Die Inklusion sei ein Generationenprojekt, für das es weitere Ressourcen und einen Wandel im Bewusstsein brauche. Die Fokussierung auf Inklusion in der Schule schade dem Thema. Die Botschaft der Reformation von Achtung, Anerkennung, Liebe und Würde, die beim Evangelischen Kirchentag erfahrbar gewesen sei, sei dagegen für die Bethel-Gruppe eine „ganz aktuelle Botschaft“. Gegen die Angst ausgeschlossen oder angepöbelt zu werden.
Ein starker Rückhalt diakonischer Arbeit seien die Mitarbeitenden. In Befragungen zeige sich, dass Mitarbeitende mit einer diakonischen Haltung im Unternehmen tätig sein wollen. „Der Beruf ist der je persönliche Ort der Lebensführung. Das bedeutet: Ich bejahe die Übernahme von Verantwortung für meinen Nächsten. Die Berufung für ein besonderes geistliches Amt verliert den Vorrang. Berufsverantwortung trägt jeder Christ und jede Christin“, so Will-Armstrong.
Bischof Jan Janssen dankte den Mitarbeitenden der Diakonie in seiner Andacht: „Denn Ihr Tun ist ein Stück Gottesdienst in dieser Gesellschaft, weil es Dienst am Nächsten in der Nachfolge Jesu ist. Ihr Tun wird auch von dem Ineinander von Kirche und Diakonie begleitet, befähigt und hoffentlich befruchtet.“
Diakonie-Vorstand Thomas Feld ging in seinen Oldenburger Schlaglichtern anhand der im Rahmen der Aktion „Türen öffnen, Gerechtigkeit leben“ gestaltet Türen aus den verschiedenen Einrichtungen des Diakonischen Werkes auf die wichtigen Themen diakonischer Arbeit ein. „Sie finden auf diesen Türen alle Fragen, die mit dem Thema Gerechtigkeit zusammenhängen: Bürgerkrieg, Leiden unter terroristischen Attacken, Kriege in Syrien, dem Irak und Afghanistan sowie die Bedrohung durch wieder erstarkende nationalistische und rechtsextreme Tendenzen. Sie finden auf diesen Türen aber auch Darstellungen, die das große Thema Gerechtigkeit hinunter brechen bis in den Alltag unserer Kindertagesstätten, Schulen und Altenpflegeeinrichtungen.“
Vor allem für die kreisdiakonischen Werke und die offene kirchliche Sozialarbeit, sei das Thema der Verteilungs- und Bedarfsgerechtigkeit zentral. „Unsere Beraterinnen und Berater sind immer wieder aufs Direkteste damit konfrontiert, wie sich vorübergehende oder anhaltende Armutslagen auf das Leben betroffener Menschen auswirken. Hierzu nur eine Zahl, über die ich in den letzten Tagen gestolpert bin: Immer mehr Kinder in Deutschland sind von Hartz IV abhängig. Waren es im Dezember 2015 noch rund 1,54 Mio. so stieg die Zahl bis Dezember 2016 auf rund 1,6 Mio. Bei den Schicksalen, die dahinter stehen, geht es dann tatsächlich oft um das Paar Schuhe, das die Kinder brauchen und das nicht bezahlt werden kann oder um wichtige Utensilien, die man zum Schulbesuch benötigt. Oder auch um die warme Mahlzeit, die Kinder für ihr Wohlergehen brauchen. Ich bin sehr froh, dass wir an dieser Stelle immer wieder wirksam Hilfe leisten können, aufgrund großzügiger Spenden, Stiftungen oder auch durch die Mittel, die uns durch die NWZ Weihnachtsaktion für die konkrete Sozialarbeit zur Verfügung gestellt wird.“
Um Teilhabegerechtigkeit geht es auch im Geschäftsbereich Sucht. „Kaum etwas isoliert Menschen so sehr und nimmt sie aus allen normalen gesellschaftlichen Bezügen heraus wie eine fortgeschrittene Suchterkrankung. Wir konnten am 27. April unsere neue Suchtklinik in Kreyenbrück einweihen. Die ersten Patienten konnten diesen Neubau am 2. Mai beziehen. Mittlerweile ist schon die erste Routine im Klinikablauf hergestellt“, freute sich Feld.