Jubiläen motivieren, Geschichte zu recherchieren. Schließlich möchte man wissen, woher man kommt und wie vorhergehende Generationen die Herausforderungen ihrer Zeit gemeistert haben. So auch in Rastede. Dort können in diesem Jahr der Ort und die St.-Ulrichs-Kirche auf 950 Jahre zurückschauen. Da lag es nahe, kirchengeschichtlich auch einen Zeitabschnitt zu thematisieren, der als Last auf der deutschen Geschichte liegt die Ära des Nationalsozialismus, hier insbesondere die Bekennende Kirche in ihrem Selbstverständnis und Verhältnis zu Staat und Gesellschaft.
Diese Epoche ist lange Zeit unter dem Begriff Kirchenkampf behandelt worden ein wenig mit dem Unterton, als hätten Christen das Desaster von Diktatur, Judenverfolgung und Krieg besser überstanden. Dieser Anschein prägte die Geschichtsschreibung bis in die 1980er Jahre. Dann setzte ein neues Interesse für die nationalsozialistische Herrschaft unter Allgemeinhistorikern und in der Regionalgeschichte ein mit dem Ergebnis, dass der Bekennenden Kirche nun Anpassung, ja Unterstützung der Hitlerdiktatur unterstellt wurde. Das hat Zeitzeugen zu Protest veranlasst. Doch der Paradigmenwechsel hatte zur Folge, dass die klassischen Nachschlagwerke bewusst auf den Begriff Kirchenkampf verzichtet haben. Mithin wurde das Phänomen, dass es dem NS-Staat nicht gelungen ist, die Kirchen und ihre Mitglieder in Gänze gleichzuschalten, nicht mehr wahrgenommen. Insofern war und ist weitere Forschung notwendig, um Licht in die Historie zu bringen.
Das ist aus Anlass des Orts- und Kirchenjubiläums in dem Beitrag von Reinhard Rittner (reinhard.rittner@gmx.de) geschehen. Er geht vom allgemeinen Forschungslage aus und untersucht am Beispiel der Gemeinde Rastede und ihres Pastors Hermann Folkers (1891-1968) und seiner Vikare bisher unbekannte Zeugnisse von Zivilcourage und Glaubenstreue, die sich nicht anders als mit dem inkriminierten Begriff Kirchenkampf zusammenfassen lassen.
Der Aufsatz ist erschienen in den Rasteder Sternstunden, herausgegeben im Auftrag der (politischen) Gemeinde Rastede von Michael Kusch, Isensee Verlag Oldenburg 2009 (ISBN 978-3-89995-613-9).
Hier können Sie den Aufsatz herunterladen.