Zum ersten Mal in der fast 40-jährigen Geschichte des Evangelischen Buchpreises hat ein Bilderbuch die renommierte Auszeichnung erhalten. Die Wiener Autorin und Illustratorin Helga Bansch nahm den Preis für ihr Buch „Die Rabenrosa“ am Mittwoch, 28. September, in der Oldenburger Lambertikirche entgegen. Der Preis wird jedes Jahr in einer anderen deutschen Stadt verliehen, für Oldenburg war die Verleihung ein Heimspiel: Vorsitzender des Ev. Literaturportals e.V. ist Bischof Jan Janssen, Juryvorsitzender der Oldenburger Pfarrer Jens Teuber.
Der Ev. Buchpreis wird genreübergreifend verliehen – eine Besonderheit bei Auszeichnungen dieser Art, die überwiegend nach Sparten kategorisiert werden. Gegen 98 andere Werke konnte sich „Die Rabenrosa“ durchsetzen. „Da muss man erstmal erklären, warum ein Bilderbuch den Preis eher verdient hat als ein mehrere hundert Seiten starkes Werk über Luther“, machte Jens Teuber deutlich. „Entscheidend für die Auszeichnung ist es, dass ein Buch die Menschen zum Nachdenken über Ethik und Theologie bringt. Für die Jury war die Frage: Welches Werk schafft das am besten? Und das war einfach dieses.“
„Die Rabenrosa“
Rabenrosa ist ein kleines Mädchen, das in einem Rabennest aufwächst und von den Rabeneltern – die entgegen dem Wortsinn in diesem Fall ganz vorbildlich agieren – ohne Wenn und Aber angenommen und geliebt wird. Die Umgebung reagiert mit Unverständnis und vielen mehr oder weniger gut gemeinten Ratschlägen, doch Rosa, ihre Geschwister und die Eltern lassen sich nicht beirren. Und im Laufe der Zeit erkennt Rosa, dass sie zwar vieles nicht kann, was ihre Rabengeschwister beherrschen, dafür aber andere praktische Fähigkeiten besitzt.
Text und Illustrationen verdichteten sich zu einem intensiven, unwiderstehlichen Leseerlebnis, hob Laudatorin Eske Nannen, Geschäftsführerin der Kunsthalle Emden, hervor. „In diesem Buch steckt so viel Lebensbejahendes, das ist einfach wundervoll“, begeisterte sie sich. Verlegerin Hildegard Gärtner, in deren Jungbrunnenverlag das Buch erschienen ist, bedankte sich in ihrem Grußwort für die „Würdigung der Arbeit und des Enthusiasmus, die in diesem Werk stecken“. „Die Rabenrosa“ zeige, dass etwas Großes auch ganz einfach sein könne.
„Das Anderssein wird in diesem Buch nicht groß thematisiert, Rosa ist einfach da, ganz selbstverständlich. Ich darf so sein, wie ich bin – das ist ein Gedanke, der zutiefst evangelisch ist“, betonte Bischof Janssen. „Es ist ein Buch, das uns allen guttut.“ Der Fokus sei zugespitzt auf die elementaren Themen des Lebens. „Menschen verlassen ihre Heimat – vielleicht sogar das letzte Bisschen Nestwärme – um Sicherheit und Geborgenheit zu finden. Das ist ein politisch hochbrisantes Thema.“
Dieses Hochpolitische sei gar nicht Ausgangspunkt des Buches gewesen, erklärte Autorin Helga Bansch. „Ursprünglich ist die Idee aus einer Naturbeobachtung entstanden. Und erst dann wurde mir klar, dass ich in einem fremden Umfeld als anders wahrgenommen würde.“ Menschen mit ihrem Anderssein anzunehmen ist ein roter Faden, der sich durch das Leben der Illustratorin und Autorin zieht: Helga Bansch hat 25 Jahre lang als Lehrerin gearbeitet, zehn Jahre davon in Integrationsklassen, ehe sie 2003 begann, für den Kinderbuchautor Heinz Janisch Texte zu illustrieren. 2007 brachte sie dann mit „Ein schräger Vogel“ erstmals ein eigenes Kinderbuch heraus.
Ihre Bücher sind vielfach ausgezeichnet worden, darunter mit dem österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis und dem Illustrationspreis der Stadt Wien. Der Evangelische Buchpreis ist die erste deutsche Auszeichnung für die 59-Jährige. Damit steht sie in einer Reihe mit namhaften Autorinnen und Autoren wie Cornelia Funke (für „Herr der Diebe“), Bernhard Schlink („Der Vorleser), Jenny Erpenbeck („Aller Tage Abend“) oder Monika Maron („Stille Zeile sechs“).
Seit 1979 wird der Preis vom Dachverband evangelischer öffentlicher Büchereien, dem Ev. Literaturportal, verliehen. Die Empfehlungen – Romane, Sachbücher, Lyrik, Kinder- und Jugendbücher – werden ausschließlich von Leserinnen und Lesern getroffen. Der Jury gehören vier Mitarbeitende evangelischer Bibliotheken, zwei Theologen, die Geschäftsführung des Ev. Literaturportals und zwei Jugendliche aus dem Bereich der Kirche der Verleihung an, in diesem Jahr aus Bad Zwischenahn und Varel. „Wir suchen Bücher, die das Miteinander und das Leben mit Gott thematisieren“, so Gabriele Kassenbrock, Geschäftsführerin des Ev. Literaturportals. Eingebettet ist die Buchauswahl in Veranstaltungen in evangelischen Gemeinden, für die ausgezeichneten Autorinnen und Autoren werden Lesereisen organisiert.
Wie wichtig die evangelischen Büchereien für die Literaturlandschaft sind, machte Margarethe Schöbel, Beauftragte für Büchereiarbeit der oldenburgischen Kirche, deutlich: Im Bereich der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg gibt es 40 Gemeindebüchereien, in denen sich rund 330 ehrenamtlich Mitarbeitende engagieren. Dazu gehören auch die Strandbücherei in Schillig – „Ein Unikum“, wie Schöbel betonte. Hinzu komme die Büchereiarbeit in vielen Krankenhäusern.
Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.