Zum Hauptinhalt springen

Nikolaus Schneider beschreibt seinen Glauben mit klaren Worten: „Glaube ist für mich in erster Linie eine Beziehung – eine Beziehung zu Gott und zu Jesus Christus.“ Passend dazu definiert der rheinische Präses und EKD-Ratsvorsitzende die Institution Kirche als „von Jesus gestiftete und begleitete Gemeinschaft von Menschen“. Keinesfalls dürfe Kirche in erster Linie als moralische Instanz gesehen werden.

 

Mit dieser Position stieg Schneider am Samstag vor gut 120 Gästen in eine Podiumsdiskussion während des Zukunftskongresses der oldenburgischen Kirche ein. Deutlich warnte der Präses vor einer „Diktatur der Ethik“. Kirche und Glaube müssten frei sein von „ethischem Rigorismus“. Dazu verriet Schneider, dass früher auch in seiner Familie diskutiert worden sei, „ob man als Christ sonntags stricken darf“.

 

Kritisch äußerte sich Nikolaus Schneider zum Glaubensbekenntnis „Glauben – trotz allem“. Natürlich müssten Christinnen und Christen „unseren Glauben in unserer Zeit in unseren Worten“ formulieren und leben. Das menschliche Maß sei dabei wichtig, die heutige „Maßlosigkeit ein riesiges Problem“. Sein Appell im Gespräch um Glaubensbekenntnisse: „Es kann kein angemessenes und sinnvolles Bekenntnis geben ohne den Bezug auf Jesus Christus.“ Das sei zwingend für jeden Gottesdienst.

 

Einen anderen Blick auf Identitäten und Relevanz der Kirche vermittelte Martina Reichel-Hoffmann, Diakonin und Rektorin einer evangelischen Grundschule in Cloppenburg. Die meisten Kinder an ihrer Schule hätten Migrationshintergrund, viele Familien lebten von staatlichen Leistungen. Der Pädagogin war „bewusst, dass allein eine Schule mit der Lösung der entsprechenden Probleme überfordert“ sei. Also warb Reichel-Hoffmann für eine „Vernetzung mit außerschulischen Partnern“, in ihrem Fall mit Kirche und Diakonie. Konkret stellte sie Idee und Praxis im Cloppenburger Schwedenheim vor.

 

Engagierte Arbeit parallel in Kirche und Kommune kennt Tim Staudt aus dem Alltag in seinem Freiwilligen Sozialen Jahr in Bad Zwischenahn. Der 19-Jährige hat sich aber auch unter anderen FSJlern umgehört und mit ihnen über Glauben und Werte gesprochen. Wichtig seien demnach in seiner Generation Freunde und Familie. Und wenn der Glaube für einen jungen Menschen wichtig sei, dann längst nicht in Verbindung mit der Institution Kirche. Auch deshalb regte Tim Staudt „modernere und flippige Gottesdienste nach amerikanischem Vorbild“ an. Häufig höre er von Gleichaltrigen: „Wenn Kirche sich nicht ändert, trete ich aus.“

 

Auch Ann-Marlien Basshusen fragte sich und die Runde: „Warum muss man auf Tradition pochen, wenn dadurch immer mehr Menschen die Kirche verlassen?“ Sie habe Gottesdienste oft als sehr langweilig erlebt, so die 20-Jährige. „Wir gehen so selten oder gar nicht in die Kirche, weil sie uns nichts bietet.“ Als Einrichtung sei Kirche unbedeutend. „Man wird ja kein Christ, nur wenn man in die Kirche geht – wie man kein Auto wird, nur wenn man in eine Garage geht.“

 

Annette Denker aus Wardenburg sprach Präses Schneider an und betonte, Gott dürfe nicht als Vater gesehen oder bezeichnet werden: „Gott ist weder männlich noch weiblich.“ Von Kirche forderte sie durchaus ethische Programme, auch für sie als engagierte Christin seien Werte wichtig. Und im Bekenntnis „Glauben – trotz allem“ habe sie „viel Wertvolles entdeckt“.

 

Mit all diesen Impulsen nicht nur im Hinterkopf, befasste sich das Publikum abschließend mit Thesen als Vorlage für die Synode. Eindeutiges Ergebnis: Die oldenburgische Kirche soll solidarische Gegenwelten zur durchökonomisierten Welt bilden und soziale Bindungskräfte fördern, sie soll diakonisch handeln und sich Benachteiligten zuwenden, sie soll aber auch ihre institutionellen Strukturen überprüfen und sich von Sachzwängen lösen. Großer Zuspruch zu drei konkreten Thesen als „Wegweiser in ein Land, das ich Dir zeigen will“.

 

800 Delegierte und 300 Mitwirkende nehmen am Zukunftskongress der oldenburgischen Kirche am 6. und 7. Juli in der Oldenburger Weser-Ems Halle teil. Unter dem Motto „… ein Land, das ich dir zeigen will“ (1. Mose 12,1) beraten sie über den Weg der Kirche in das Jahr 2030 beraten. Alle 117 Kirchengemeinden der oldenburgischen Kirche haben eine Delegation entsandt. Offiziell endet der Zukunftskongress am Sonntag, 8. Juli, mit dezentralen Gottesdiensten in allen Kirchengemeinden der oldenburgischen Kirche.

 

Interessierte können den Kongress unter www.zukunft-oldenburg.de verfolgen. Hier finden Sie aktuelle Berichte, Interviews und Videoclips.

Präses Nikolaus Schneider (l.) diskutiert auf dem Podium "Woran glauben wir? Woranzweifeln wir? Und wen interessiert das? - Identitäten und Relevanz der Kirche" intensiv mit.
Präses Nikolaus Schneider (l.) diskutiert auf dem Podium "Woran glauben wir? Woranzweifeln wir? Und wen interessiert das? - Identitäten und Relevanz der Kirche" intensiv mit.