Nach rund einjähriger Restaurierung ist damit ein weiteres zentrales Element des umfassenden Ensembles des Bildhauers Ludwig Münstermann in Rodenkirchen fertig gestellt worden. Bereits in den vergangenen Jahren waren der Münstermann-Altar sowie unter anderem Chorgestühl und Beichtstühle, Kommunionbänke, Chorraum, Querschiff, Portale und Glockenturm restauriert worden.
Die Kanzel zeige sieben ausgewählte Portionen des Wortes Gottes und teile sie an die Gemeinde aus, erläuterte Janssen. Und es sind schon damals markante Geschichten, die selbst der moderne Mensch als Kernbotschaften der Geschichte Gottes mit den Menschen in Erinnerung behalten hat. Ob Paradies oder Geburt in Bethlehem, ob zehn Gebote oder Kreuz und Auferstehung. Gute, kraftvolle, nahrhafte Botschaft, die die Sorgen und die Sehnsüchte des Menschen aufnimmt, aufhebt und neu ausrichtet, so Bischof Janssen. Er war der Einzige, der an diesem Vormittag von der restaurierten Kanzel sprach.
Niemand habe die künstlerische Landschaft dieser Zeit nachhaltiger geprägt als der Bildschnitzer Ludwig Münstermann, betonte Dr. Stefan Winghart, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege. Diese Kunstwerke der wohl begehrtesten Künstlerpersönlichkeit dieser Epoche hätten sich aber nicht nur der Adel, sondern auch viele kleine und größere Gemeinden geleistet. Die Kanzel in Rodenkirchen zeichne sich insbesondere durch die Reichhaltigkeit der Figuren aus. Winghart stellt weiterhin die neu erschienene Dokumentation Die Kanzel von Ludwig Münstermann in Rodenkirchen: Den Himmel sichtbar machen vor.
Gemeindepastor Werner Könitz betonte, dass die Restaurierung der Kanzel die letzte große Herausforderung gewesen sei, nachdem innerhalb des letzten Jahrzehnts bereits der Altar wieder in den ursprünglichen holzsichtigen Zustand versetzt worden war. Die Kirche sei kein Museum, hier werde lebendig Gottesdienst gefeiert, so Könitz. In diesen Kontext habe Münstermann sein Werk gestellt. Der Künstler habe den Himmel auf die Erde gebracht und mit Bildern und Worten eine Predigt die erste Reformationspredigt in Bildern im Oldenburger Land geschaffen. Nach der Entfernung zahlreicher alter Lackschichten würden die Kunstwerke nun wieder die zentralen Aussagen Münstermanns zugänglich machen, so der Gemeindepastor.
Pfarrer Könitz dankte in seiner Ansprache insbesondere dem Ehrenvorsitzenden des Kirchbauvereins der Gemeinde, Rolf Oellerich, für sein langjähriges Engagement. Für mich ist dies der Tag von Rolf Oellerich, der ganz maßgeblich zum Erfolg aller Arbeiten beigetragen habe, so Könitz. Allein für die Restaurierung der Münstermann-Kanzel hat der Kirchbauverein knapp 43.000 Euro der Gesamtkosten von rund 65.000 Euro aufgebracht. Weitere Zuschüsse kamen von der Kirchengemeinde, der oldenburgischen Kirche und dem Land Niedersachsen. Mit 10.000 Euro förderte die Kirchbaustiftung der oldenburgischen Kirche die Restaurierung. Für die Rekonstruktion von Liedertafel und Epitaph brachte der Kirchbauverein weitere 5.000 Euro auf.
Weitere Einblicke in die Bedeutung der Kunstwerke Münstermanns, die theologische Bedeutung der Kanzel sowie die Restaurierungsarbeiten gaben Prof. Dr. Rolf Schäfer aus Oldenburg, Dr. Peter Königfeld aus Hannover sowie Diplom-Ingenieur Achim Knöfel vom Oberkirchenrat in Oldenburg.
In allen Kirchspielen des reichen Marschenlandes an Unterweser und Jadebusen, in Butjadingen und im Jeverland habe in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine nicht zu übersehende Aufbruchstimmung geherrscht, berichtete Experte Achim Knöfel. Die Kirchen hätten für den lutherischen Gottesdienst umgestaltet oder neu ausgestattet werden müssen. Man habe die Chance genutzt, um einerseits in einer Zeit konfessioneller Hochspannung die verbindlichen Glaubensinhalte in einer schier überwältigenden Fülle von Bildern und Symbolen anschaulich zu machen und andererseits auch sehr selbstbewusst zu zeigen, wer man war und was man hatte.
Was bei der Restaurierung des Altarretabels und der Kanzel geleistet worden sei, könne als Pionierarbeit auf dem Weg zum holzsichtigen Kunstwerk bezeichnet werden, so Knöfel.
In Zeiten zurückgehender Gemeindegliederzahlen, zunehmender Strukturschwäche des ländlichen Raumes und knapper werdender finanzieller Mittel sei es etwas sehr Bemerkenswertes, wenn sich eine Kirchengemeinde auf ein so umfassendes, lang andauerndes und anspruchsvolles Restaurierungsprojekt einlasse, wie dies in Rodenkirchen geschehen sei. Das Resultat sei eine Kirche, die in der Vollständigkeit und sorgfältig aufgearbeiteten Qualität der Werke Ludwig Münstermanns ihresgleichen suche. Raum und Ausstattung bildeten ein beeindruckend harmonisches Miteinander, geradezu ein Paradebeispiel lutherischer Sakralkunst im Nordwesten Deutschlands. Die Matthäus-Kirche zu Rodenkirchen sei eine der Schönsten im ganzen Land, so Knöfels Urteil.
Der frühere Oldenburger Oberkirchenrat Prof. Dr. Rolf Schäfer betonte, dass es Münstermann gelungen sei, in seiner Kanzel mit seiner Bildkunst das Christentum im Ganzen so darzustellen, dass Menschen, die die Bibel kennen, mit einem Blick erfassen könnten, was sie in langen Jahren und mit viel Zeitaufwand durch die Wortkunst der Bibel in sich aufgenommen hätten. Münstermann habe dies als evangelischer Künstler getan, der den Glauben von innen her kennt, so Schäfer.
Münstermanns theologisches Programm verlaufe im Geist der Reformation parallel zur Predigt und verwirkliche mit den Mitteln der bildenden Kunst, was die Predigt der Natur der Sprache gemäß in der Zeit entfalte. Dieses Programm ist kein theoretisches Konstrukt, sondern verfolgt auf seine Weise das Ziel, um dessentwillen es in dieser Kirche eine Kanzel gibt, betonte Schäfer.
Laut Dr. Peter Königfeld sind die Werke Münstermanns heute fast ausnahmslos in den Kirchen des Oldenburger Landes erhalten, davon allein acht noch vor Ort befindliche Kanzeln (Varel, Schwei, Apen, Hohenkirchen, Rodenkirchen, Heppens, Holle und Blexen).
Die monumentalste Kanzel im Oeuvre von Ludwig Münstermann in Rodenkirchen zeige einen besonderen Reichtum an bildschnitzerischem Schmuck, mit dem sie sich von allen übrigen Kanzeln des Hamburger Meisters unterscheide, so der Experte für Denkmalpflege. Sechseckig angelegt, ist sie geschickt mit nur einer Ecke an den rückwärtigen Wandpfeiler angebunden, so dass alle Felder des Kanzelkorbes für die Dekoration zur Verfügung standen. Sie steht damit fast frei vor der Wand und wirkt trotz ihrer Größe grazil.
Klare, auf antiker Überlieferung aufbauende Ordnung kennzeichne das Werk von Münstermann, der künstlerisch also auf der Höhe seiner Zeit gewesen sei. Seine Attraktivität habe seine besondere bildnerische Auffassung, sein persönlicher Stil und die hohe künstlerische Qualität ausgemacht.
In seinem Vortrag machte Königfeld auch auf den neu hergestellten Zeigefinger von Johannes dem Täufer am Kanzelfuß aufmerksam. Die auf den Gekreuzigten am Kanzelkorb weisende linke Hand von Johannes dem Täufer sei ganz wesentlich für das an der Kanzel vorgeführte theologische Programm. Bei einer älteren Ergänzung sei die Hand missverständlich erneuert worden, so habe der bedeutungsvolle Zeigegestus des Täufers gefehlt.