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„Größeres Risiko für Bürgerkriege“ titelten Tagesschau und Tageszeitungen Anfang der Woche. Der Weltklimarat hatte seinen Bericht vorgelegt und Bürgerkriege, Hungersnöte und Überflutungen prognostiziert, wenn es nicht gelinge, sofort und effizient umzusteuern.
 
Es schien so, als hätten der Ev.-luth. Kirchenkreis Ammerland und das Evangelische Bildungswerk Ammerland – mit Unterstützung von Oldenburger Freiheitsraum Reformation – es geahnt, dass die Weltnachrichten an diesem Tage die Thematik des dritten Abends in der Reihe „Reformation und Politik“ in Barßel aktueller denn je machen sollten.
 
Pastor Dr. Geiko Müller-Fahrenholz griff in seinem Vortrag am Montag, 31. März, den Bericht der 500 Klimaexperten auf. „Unser Überleben erfordert eine radikale Hinwendung zum gerechten Frieden“, so die unmissverständliche Forderung des Referenten. Für Christinnen und Christen gebe es keine Option, nur die eigene Seele „ins Jenseits zu retten“, sondern es gehe darum „mit der Kraft Gottes für Frieden auf Erden zu arbeiten“.
 
Während bei „Frieden“ häufig nur an den politischen Frieden im Gegensatz zu Krieg gedacht werde, geht es nach Müller-Fahrenholz um alle Ebenen des Friedens: Vom eigenen Seelenfrieden über den familiären Frieden, den Frieden in der Arbeitswelt und mit der Natur bis hin zum Frieden zwischen den Völkern. Ohne Gerechtigkeit gebe es zum Beispiel keinen Frieden in der Arbeitswelt. „Wenn wir Bekleidungspreise in Europa zu Lasten der Näherinnen in Pakistan gestalten, hat das mit Gerechtigkeit in der Arbeitswelt nichts mehr zu tun“, so Müller-Fahrenholz.
 
Eine Ernährung, die das Roden von Urwäldern im großen Stil voraussetze, zunächst für die Fleischproduktion, dann für den Sojaanbau (und danach versteppten die Flächen), würde ebenso wenig zu einem Frieden mit der Natur führen wie Massentierhaltung in Europa, wo die Menschen gar nicht mehr hingucken mögen, wenn darüber berichtet wird.
 
Eine besondere Herausforderung stelle die „Mächtigkeit der Menschen“ und ihre gleichzeitige Ohnmacht dar. Seit 1945 hätten es die Menschen in der Hand, die Erde mit einem Schlag mit Atomwaffen oder schleichend zum Beispiel mit ungezügeltem CO2-Ausstoss zu zerstören. Viele Menschen hätten aber gleichzeitig das Gefühl, an dieser Stelle ohne Macht – ohnmächtig – zu sein. „Eine solche Situation erfordert als ersten Schritt eine Positionierung. Wir müssen zu erkennen geben, wie wir uns eine gerechte und friedliche Welt vorstellen.“ Dann würde schnell klar, wie viele Menschen das gleiche Ziel verfolgen, „vielleicht nicht auf der gleichen Straße, aber in die gleiche Richtung“, betonte der Referent.
 
„Wir brauchen dazu ein festes und gleichzeitig ein offenes Herz. Mit dem festen Herzen vertrauen Christinnen und Christen auf Gott, mit dem offenen Herzen sind sie sensibel, aufmerksam und bereit, über die Schöpfung nachzudenken und diese auf dieser Erde zu bewahren.“ Dabei würde die gelebte christliche Überzeugung sich meist „sehr viel mehr beim Widerstand“ wiederfinden „als nur ein bisschen Politikberatung“ betreiben.
 
Als Kirchenältester konnte Geiko Müller-Fahrenholz auch über ganz konkrete Schritte berichten. „Die Betonflächen um unser Gemeindehaus verwandeln wir gerade zurück zu einem Obstgarten.“ Das habe Impulswirkung für die Menschen in der Umgebung. Sehr viel schwieriger sei aber der Umbau der Heizung. „Unsere Gemeinde zahlt jedes Jahr über 20.000 Euro für Heizöl, um mit der Verbrennung fossiler Energieträger zum CO2-Ausstoß beizutragen.“ Es sei ein Skandal, dass der dringend notwendige ökologische Umbau in kirchlichen Einrichtungen immer noch so behandelt werde, als gäbe es Entscheidungsalternativen. Und damit schloss sich der Kreis zu den aktuellen Meldungen des Weltklimarates, der als Folgen des ungezügelten CO2-Ausstoßes Bürgerkriege, Hungersnöte und Überflutungen voraussagt.
 
Der Referent freute sich übrigens sichtlich, in heimatlichen Gefilden referieren zu können. Er begann seinen Vortrag auf Platt und erzählte, dass er – wäre es nach den Vorstellungen seines Vaters gegangen – als ältester Sohn eigentlich den elterlichen Hof in Bentstreek hätte übernehmen sollen. Nach dem Abitur kam aber stattdessen das Theologiestudium, das Auslandspfarramt in Oxford, die Tätigkeit beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf und die Professur in Costa Rica. „Statt Buer in Ostfreesland is ut mi een Weltenbummler worrn“ schloss Dr. Geiko Müller-Fahrenholz die Vorstellung seiner Person, um den inhaltlichen Vortrag dann auf Hochdeutsch zu halten.
 
Die Reihe „Reformation und Politik“ wird am 29. April 2014 um 20.00 Uhr in der St. Johannes Kirche in Wiefelstede fortgesetzt. Der ehemalige Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Dr. Konrad Raiser, wird unter dem Titel „Reformation. Macht. Politik.“ sprechen über „Die Kirche darf, kann, soll, ja: muss sich in politische Prozesse einmischen!“. Der Eintritt ist frei.

Ein Beitrag von Peter Tobiassen vom Evangelischen Bildungswerk Ammerland.

(von li. nach re.): Kreispfarrer Lars Dede, Pfarrer Ludger Becker, Pastor Dr. Geiko Müller-Fahrenholz, Peter Tobiassen und Pastor Thomas Perzul. Fotos: Ev. Bildungswerk Ammerland
Pastor Thomas Perzul von der Ev.-luth. Gemeinde Elisatbethfehn eröffnet die Veranstaltung.
Pastor Dr. Geiko Müller-Fahrenholz
Interessiertes Publikum im kath. Pfarrheim St. Ansgar in Barßel