„Weg von der Mangelverwaltung, hin zu neuem Gestaltungsfreiraum“, das sei der Weg, Kirche zukunftsfähig aufzustellen und attraktive Pfarrstellen zu schaffen, sagte Kreispfarrer Christan Scheuer (Sande) beim Pressegespräch zum Abschluss der zweitägigen Synode des Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven, die in Horumersiel tagte. Dass das keine Worthülsen sind, sondern ein gut durchdachtes Konzept dahinter steht, erklärte er gemeinsam mit seinem Stellvertreter Pastor Kai Wessels (Kirchengemeinde Fedderwardergroden) und der Synodenvorsitzenden Ingrid Klebingat (Kirchengemeinde Bant, Wilhelmshaven).
Bereits seit zwei Jahren arbeitet der Kirchenkreis am sogenannten Pfarrstellenverteilungskonzept. Hintergrund ist der massive Verlust an Mitgliedern in der evangelisch-lutherischen Kirche Oldenburg. Nach aktuellen Hochrechnungen werden im Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven bis zum Jahr 2030 die jetzt noch rund 80.000 Mitglieder auf dann knapp 65.000 geschrumpft sein. Gründe dafür sind einerseits der demografische Wandel und eine zunehmend weniger christlich orientierte Gesellschaft, in der es nicht mehr selbstverständlich ist, einer christlichen Kirche anzugehören.
Das hat finanzielle Engpässe zur Folge und damit auch eine radikale Kürzung der Pfarrerstellen. „Jede dritte Pfarrstelle wird wegfallen, das wird eine richtige Rosskur“, so Scheuer. Um sich auf die neue Situation einzustellen, wurde bereits jetzt von der Kreissynode, das Pfarrstellenverteilungskonzept verabschiedet. Schon jetzt wird bei jeder neuen Besetzung einer Pfarrstelle auf das große Ganze geblickt, man hat schon jetzt den gesamten Zeitraum bis 2030 im Blick.
Dabei geht es aber keineswegs nur um die Frage, welcher Kirchengemeinde noch welcher Pfarrer, welche Pfarrerin zugewiesen wird, es wird vielmehr ein kompletter Strukturwandel vollzogen, bei dem die Grenzen der Kirchengemeinden durchlässig werden sollen und sie in unterschiedlichen Bereichen näher zusammenrücken werden.
„Wir haben uns ein Reformprogramm verordnet“, so Scheuer. Zukünftig wird der Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven, zu dem 31 Kirchengemeinden gehören, in fünf Entwicklungsräume aufgeteilt: Friesische Wehde, Varel, Wilhelmshaven, Friesland Mitte (mit Sande, Schortens, Accum) und Jeverland / Wangerland (mit Jever, Cleverns/Sandel, Wangerland und Wangerooge). Die Pfarrstellen werden diesen Entwicklungsräumen zugeordnet. Von jetzt 36 Pfarrstellen werden im Jahr 2030 noch 26,5 verbleiben – alles unter der Voraussetzung, dass die angenommenen Zahlen stimmen.
Dabei soll es zukünftig in der Arbeitsverteilung gerechter zugehen, die Stellenzuschnitte fußen nämlich nicht mehr auf Gemeindegrenzen sondern auf der Grundlage, dass jedem Pfarrer rund 2.600 bis maximal 3.000 Mitglieder zugeordnet sind.
Das „Kirchturmdenken“ hat unter den neuen Voraussetzungen keine Zukunft mehr, auch wenn die Kirchengemeinden rechtlich selbstständig bleiben werden. Die pastorale Arbeit wird sich aber stark verändern, Strukturen sollen durchlässiger und flexibler werden, Kooperationen können gebildet werden. Es böten sich viele neue Chancen, erklärte das Trio. Denn bisher musste ein Pastor in seiner Gemeinde alles machen, von Aufgaben in der Kooperation mit Kindergärten bis zur Beerdigung und Geschäftsführung. Das neue Modell wird die Möglichkeit zur Schwerpunktbildung innerhalb des Entwicklungsraumes bieten. So könne zum Beispiel ein Pfarrer die Konfirmandenarbeit für den gesamten Entwicklungsraum übernehmen, wenn das gewünscht sei, erläuterte Kai Wessels. Auf dem Weg zum regionalen Denken und Handeln steht den Kirchengemeinden auf Wunsch eine Gemeindeberatung zur Verfügung.
Eine zusätzliche Herausforderung ist die Besetzung von freiwerdenden Stellen, denn Mitte der 2020er Jahre kommt eine Pensionswelle auf den Kirchenkreis zu. Zugleich wachsen aber nur wenige junge Leute in dem Beruf nach. Somit sei es von großer Bedeutung, attraktive Stellen zu schaffen, unterstrich Wessels. In der Möglichkeit zur Schwerpunktbildung sieht man einen wesentlichen Faktor. Dass mit dem Strukturwandel auch ein neuer Blick auf die Immobilien der Kirche nötig ist, ist bereits klar. Hier werde aber noch eine eigene Analyse folgen, sagte Kreispfarrer Scheuer, der bei der Synode für weitere acht Jahre in seinem Amt bestätigt wurde.
Ein Beitrag von Annette Kellin