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Tausende Teilnehmende in Niedersachsen und Bremen

In Zeiten zunehmender Militarisierung sind am Karsamstag auch in Niedersachsen und Bremen wieder die Ostermarschierer auf die Straße gegangen. Im Mittelpunkt ihres Protestes standen die Aufrüstung und die proklamierte «Kriegstüchtigkeit».

Hannover/Bremen (epd). Mehrere Tausend Menschen haben am Karsamstag bei den Ostermärschen in Niedersachsen und Bremen für Frieden und Abrüstung demonstriert. Allein in Hannover kamen laut Polizei rund 1.000 Demonstranten unter dem Motto «Mit Frieden gewinnen» zusammen. In Bremen versammelten sich rund 800 Teilnehmer unter der Parole «Kriege stoppen - Nein zu Kriegsvorbereitung und 'Kriegstüchtigkeit'». In Unterlüß bei Celle zogen nach Polizeiangaben rund 100 Menschen zu einem Werk des Rüstungskonzerns Rheinmetall - die Veranstalter sprachen von 160 Teilnehmern. In Braunschweig beteiligten sich rund 300 Personen, in Goslar 70. Die Kundgebungen verliefen ohne besondere Vorkommnisse.

Die Friedensbewegung hatte insgesamt elf Ostermärsche für Niedersachsen angekündigt. Auch in Emden, Göttingen, Lingen im Emsland und auf der Nordseeinsel Norderney sowie in Oldenburg, Osnabrück und Wolfsburg gingen die Ostermarschierer auf die Straße. Im Land Bremen fand eine weitere Veranstaltung in Bremerhaven statt. Bundesweit gab es rund 100 Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen. Im Mittelpunkt stand die Kritik an den deutschen und weltweiten Aufrüstungsplänen sowie die Forderung nach einem Ende der Kriege in der Ukraine und in Gaza.

In Hannover zogen die Demonstranten von der Ruine der kriegszerstörten Aegidienkirche bis zum Bahnhof. «Wir wollen daran erinnern, wie sehr Krieg und Rüstung unser Leben belasten», erklärten die Initiatoren vom Friedensbüro Hannover. Eine Last sei insbesondere das «riesige Schuldenpaket» der künftigen schwarz-roten Bundesregierung für Verteidigung. Konflikte müssten nicht durch mehr Waffen, sondern durch Verhandlungen gelöst werden: «Nicht kriegstüchtig, friedensfähig wollen wir sein.»

In Bremen führte der Protestzug vom Friedenstunnel zum Marktplatz. Die Teilnehmer forderten eine Demontage aller Mittelstreckenraketen in Europa und ein Ende der Rüstungsexporte in die Ukraine und nach Israel. Veranstalter war das Bremer Friedensforum. Im gefährlichsten Jahrzehnt seit dem Ende des Kalten Krieges wachse die Gefahr einer konventionellen und atomaren Eskalation, hieß es: «Wir brauchen eine globale Sicherheitsarchitektur auf der Grundlage konstruktiver, friedensorientierter Verhandlungen mit Russland und China.»

Vor dem Rheinmetall-Werk in Unterlüß skandierten die Teilnehmenden «Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg» und forderten Diplomatie statt Waffen und einen Stopp der deutschen Waffenexporte. In der Lüneburger Heide befinde sich die größte militärische Konzentration der Bundesrepublik, hieß es. Der Gewerkschafter Heinz-Dieter Braun sprach von Panzern als «Mordfahrzeugen» und forderte eine Umstellung der Produktion auf zivile Güter. Weil für den Ausbau der Fabrik ein großer Kleingarten weichen musste, stand die Demonstration unter dem Motto «Tomaten statt Granaten».

Die Theologin Margot Käßmann forderte unterdessen erneut mehr Diplomatie zur Beendigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Bisher sei «nicht genug Diplomatie eingesetzt worden», um das Sterben in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden, sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und hannoversche Landesbischöfin im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB).

In der Bundesrepublik führte der erste Ostermarsch 1960 mit rund 1.500 Teilnehmern zum Truppenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide. Dort hatte die Nato Raketen stationiert, die auch Atomsprengköpfe aufnehmen konnten. Beflügelt auch von den Protesten der Studierenden, hatten die Ostermarschierer in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre enormen Zulauf. 1967 beteiligten sich 150.000 Demonstranten an Oster-Aktionen in mehr als 200 Städten, ein Jahr später waren es doppelt so viele.

Eine Renaissance erfuhren die Ostermärsche um 1980 mit der Debatte über die Aufrüstung der Nato mit atomaren Mittelstreckenwaffen. Zehntausende versammelten sich damals an den geplanten Standorten für Cruise Missiles und Pershing-II-Raketen. Die Kriege in Jugoslawien und im Irak mobilisierten in den 1990er und 2000er Jahren noch einmal zahlreiche Menschen. Danach pendelte sich die Zahl der Ostermarschierer bei einigen Tausend ein.

Das Stichwort: Ostermärsche

Hannover/Bremen (epd). Seit 65 Jahren gehen Menschen in Deutschland an den Ostertagen für Frieden und Abrüstung auf die Straße. Inspiriert wurden die friedlichen Demonstrationen von einem Protestmarsch gegen Atomwaffen an Ostern 1958 in Südengland. Großen Zuspruch erlebte die Ostermarsch-Bewegung in Deutschland vor allem im Zuge der Massenproteste gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Westeuropa Anfang der 1980er-Jahre, damals beteiligten sich Hunderttausende an den Friedensaktionen. Stärkeren Zulauf erlebte die Friedensbewegung auch bei Krisen wie den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und am Golf.

Seit vielen Jahren stagniert allerdings die Zahl der Teilnehmenden: Höchstens mehrere zehntausend Menschen kommen jedes Jahr zu den bundesweit gut hundert klassischen Aktionen wie Kundgebungen, Mahnwachen, Blockadeaktionen, Fahrradtouren und Wanderungen sowie Friedensgebeten und Friedensfesten. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Nahost-Krieg lösten zuletzt keine breitere Beteiligung aus. Als ein Grund gilt, dass viele Ostermarschierer in die Jahre gekommen sind und klassische Protestformen jüngere Menschen eher weniger ansprechen. Dennoch sind die Ostermärsche für die Friedensbewegung weiter identitätsstiftend.

Ein zentrales Thema der diesjährigen Ostermärsche ist die als maßlos kritisierte Aufrüstung mit hohen Milliardensummen in Deutschland und Europa. Mit Blick auf den 80. Jahrestag der US-Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August bekräftigen die Veranstalter zudem ihre Forderung nach einer atomwaffenfreien Welt, es dürften keine neuen US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland aufgestellt werden. Verlangt werden auch Verhandlungslösungen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie ein Verzicht auf eine Wehrpflicht in Deutschland.