Berlin/Hannover (epd). In der Debatte um die Zukunft der Organspende appelliert der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger an die Bundestagsabgeordneten, sich nicht der neuen Initiative zur Einführung einer Widerspruchslösung anzuschließen. Es gebe nach wie vor keine wissenschaftlich fundierten Nachweise dafür, dass eine Widerspruchslösung in anderen Ländern zu einer signifikanten Erhöhung der tatsächlich erfolgten Transplantationen geführt habe, schrieb Pilsinger in einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten, das dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» (Samstag) vorliegt.
«Einen solch gravierenden Einschnitt in die Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte der Menschen in unserem Land halte ich daher weiterhin für politisch und ethisch nicht legitim», mahnte der CSU-Politiker laut dem Bericht. Hinzu komme, dass sich die Wirkungen der Anfang 2020 beschlossenen Änderungen an der Entscheidungslösung bis heute noch gar nicht hätten entfalten können.
«Lassen wir lieber die Akteure der Exekutiven, unter anderem die Länder, ihre Hausaufgaben machen, wenn es zum Beispiel darum geht, die Zahl der Entnahmekrankenhäuser und der dortigen Transplantationsbeauftragten signifikant zu erhöhen», betonte Pilsinger, der selbst Arzt ist. Das sei bisher leider noch nicht geschehen.
Dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» sagte Pilsinger, die Lektion aus Corona-Pandemie sei, dass gravierende Einschnitte in die Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte nur aufgrund evidenzbasierter Erkenntnisse mit einem klaren Mehrwert für die Bevölkerung vorgenommen werden dürften. «Keine Evidenz, keine Freiheitseinschränkung», betonte Pilsinger.
Mitte Juni hatte eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten einen Antrag zur Einführung einer Widerspruchslösung vorgestellt. Sie begründeten den Vorstoß mit den weiter schwachen Spenderzahlen. Dem Antrag zufolge soll jeder volljährige und einwilligungsfähige Mensch zum Organspender werden, der dem zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Aktuell ist es andersherum: Potenzieller Organspender ist, wer selbst zu Lebzeiten oder wessen Angehörige nach dem Tod zustimmen.
Ein erster Anlauf für eine solche Reform war 2020 gescheitert. Stattdessen verabschiedete das Parlament vor vier Jahren eine Erweiterung der Zustimmungslösung, die regelmäßige Abfragen der Spendebereitschaft und die Einrichtung eines Online-Registers vorsah. Das Register ist in diesem März an den Start gegangen.