Mit einem großen Open-Air-Gottesdienst wurden am Sonntagnachmittag, 21. Mai, auf dem Oldenburger Lamberti-Marktplatz mehrere hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Kirchentag in Berlin und zum Reformationsjubiläum in Wittenberg verabschiedet.
Mit Blick auf die Losung des Kirchentages vom 24. bis 28. Mai in Berlin und Wittenberg „Du siehst mich!“ betonte Bischof Jan Janssen in seiner Predigt auf dem Markt, dass in Gottes Schöpfung jedes Geschöpf ein Ansehen erhalte und somit Wahrnehmung und Würde, Gesehenwerden und Sehen. „Öffnen wir unsern Blick für die ewig Übersehenen und die scheinbar unsichtbaren Gesichter, mit denen wir in nah und fern auf diesem Globus doch als Menschen verbunden sind. Wir sehn uns!“, so Bischof Janssen.
Großer Reformationssommer
Alle zwei Jahre findet der Deutsche Evangelische Kirchentag in einer anderen deutschen Großstadt mit über 100.000 Dauerteilnehmenden statt. In diesem Jahr fällt der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag zusammen mit dem 500-jährigen Reformationsjubiläum, sodass an vielen Orten ein großer Reformationssommer gefeiert wird, zu dem auch viele Menschen aus der Region reisen werden.
Der Open-Air-Gottesdienst in Oldenburg stimmte die Menschen auf den Reformationssommer ein und sie wurden an die verschiedenen Veranstaltungsorte entsendet. An diesem Gottesdienst wirkten nicht nur ein großer Posaunenchor mit über 60 Bläsern unter der Leitung von Landesposaunenwart Christian Strohmann mit, sondern auch die Berliner Band „Patchwork“, die auch auf dem Kirchentag zahlreiche Konzerte geben wird.
Unsere Gesellschaft braucht mehr Respekt für die Würde aller Menschen
Martin Luthers Reformation habe viel mit neuem Hinsehen zu tun, betonte Janssen in seiner Predigt (zu 1. Mose 33,1-11 und Johannes 16,22-24). „Das Entdecken, dass Gott uns zuerst gnädig ansieht. Die Überraschung, dass Gott von unseren Fehlern absieht. Das neue Lesen, Übersetzen, Verstehenwollen der Bibel. Das Erkennen der Freiheit eines Christenmenschen, die zur dienstbaren Verantwortung für die Gemeinschaft führt.“
Angesichts der zunehmenden Abschottung und der permanenten Polarisierung in westlichen Gesellschaften betonte Janssen: „Unsere Gesellschaft braucht nötig mehr gegenseitige Wahrnehmung, mehr Respekt für die Würde all der Menschen, deren Gesichter wir sehen.“ Im Ansehen, im Aufeinanderzugehen wachse Versöhnung, so Janssen.
„Gott wird in, mit und hinter dem Gesicht eines Menschen ansichtig, erahnbar, erkennbar, verständlich für uns. Dieser Grundgedanke leuchtet ein, für den lohnt sich zu werben, in unsere Gemeinden mit den vielen Gesichtern einzuladen, unsere Gesellschaft mitzugestalten und ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – ein menschlicheres Gesicht zu geben.“
Ein Auge füreinander haben
Mit Blick auf Alltagshektik und zunehmende Fokussierung der Menschen auf die Kommunikation per SmartPhones rief Bischof Janssen dazu auf, statt der stetigen Blicke auf Handys und Bildschirme noch ein Auge füreinander zu haben. „So wächst Zugehörigkeit, die Zuwendung möglich macht – im Eingehen auf Andere und im Verstehen ihrer Anliegen. So findet sich Gemeinschaft mit Christus und miteinander.“
Am Mittwoch gehe der Kirchentag in Berlin los. Am Sonntag „feiern wir in Wittenberg Gottesdienst und 500 Jahre Reformation, wo so viele mitdenken, mitwirken, mitfeiern, so Janssen.
Wir nehmen die Impulse der Reformation auf
Dankbar äußerte sich Bischof Jan Jassen über die guten ökumenischen Erfahrungen in Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017. So werde aus reformatorischer Freiheit auch eine Horizonterweiterung zu anderen christlichen Kirchen. „Und ich meine: wir nehmen die Impulse der Reformation gut auf, wenn wir heute den Blick für die Mehrsprachigkeit des Glaubens weiten. Wenn wir einander mit neuen Augen sehen, nicht gegeneinander unterwegs durch die Welt sind, sondern gemeinsam Gottes gute Nachricht wahrnehmen, wirksam werden lassen und weitersagen. Ist doch wahr: wir gehören nicht bloß zu einer kleinen, engen Konfession, wir gehören in erster Linie zu Christus! Warum sollte nicht auch in den Glaubenssprachen der Anderen Christus wirksam sein, dessen Geist sich zu Pfingsten so vielsprachig und doch so verständlich zeigt?“, so Janssen.
In dem Open-Air-Gottesdienst auf dem Oldenburger Markt kamen auch verschiedene Teilnehmende am Kirchentag zu Wort, wie z.B.
- für die vielen hundert ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen für den Kirchentag: Leon Remde und für die Pfadfinderinnen und Pfadfinder: Sandra Seemann,
- die Posaunenchorleiterin Anne Jütting, die zum Kirchentag auf dem Weg nach Leipzig (26.-27.5.) reist,
- der Wildeshausener Kirchenmusikdirektor Ralf Grössler, der für den Festgottesdienst mit rund 120.000 Teilnehmenden in Wittenberg die musikalische Leitung hat,
- für die Johanniter, die einen Dienst auf der Weltausstellung Reformation (20.5.-10.9.) in Wittenberg tun: Marcel Colter, der eine Woche Urlaub genommen hat, um gemeinsam mit rund 2.300 Johannitern die Sanitätsversorgung abzusichern.
Reformationsbrötchen
Als „Wegzehrung“ für alle Gäste wurden im Gottesdienst Reformationsbrötchen verteilt, die erst am Samstag, 20. Mai, am Rande der Eröffnung der Weltausstellung Reformation in der Lutherstadt Wittenberg in einer lokalen Bäckerei gebacken worden waren.
Weitere Informationen zum Kirchentag finden Sie unter: www.kirchentag.de
Eine Zusammenstellung der Kirchentags-Angebote mit oldenburgischer Beteiligung finden Sie hier: www.kirche-oldenburg.de/themen/bildung/kirchentag/oldenburger-beteiligung-auf-dem-kirchentag.html
Hier finden Sie den Wortlaut der Predigt von Bischof Jan Janssen im Format PDF.