Urlaub am Meer – endlich freie Zeit, alle Gedanken einmal loswerden, keine Termine, an nichts denken müssen. Und dann, ganz nach Temperament und Veranlagung, entweder die Zeit im Strandkorb genießen und die Füße hochlegen oder richtig durchstarten mit einem Sport- und Fitnessprogramm am Strand oder auf den Wellen, mit neuen Eindrücken bei Wattwanderungen oder einer Radtour entlang der Küstenorte. Darf man den Urlaubern da überhaupt mit Fragen nach Gott und dem Sinn des Lebens kommen?
Viel Erfahrung in der Urlauberseelsorge haben Sabine Kullik, Pastorin der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und Pfarrer Lars-Jörg Bratke (römisch-katholisch), beide sind im Wangerland, Landkreis Friesland, in verschiedenen Kirchengemeinden in direkter Nähe zur Nordseeküste tätig. Vor zehn Jahren entschieden sie sich, für die Urlauberseelsorge ökumenische Angebote zu machen, die „Ökumenische Sommerkirche Horumersiel-Schillig“ war geboren. Den ganzen Sommer über bieten sie Urlaubern und Einheimischen die unterschiedlichsten Gelegenheiten, den wichtigen Fragen des Lebens nachzugehen. Mal am Strand, auf dem Deich, im Watt, auf dem Rad quer durch das Wangerland. Und ja, manchmal auch in der Kirche, vor allem, wenn es dauerhaft regnet. Aber meist eben außerhalb von Kirchenmauern.
Und ihre Erfahrung ist: „Man kann den Leuten im Urlaub durchaus mit solchen Fragen kommen. Viele machen nämlich die Erfahrung, dass sie wegfahren, den Urlaub genießen wollen – aber die Probleme, die Fragen, die sie zuvor verdrängt haben, kommen ganz einfach mit. Und werden im Urlaub vielleicht sogar noch größer, weil sie da nicht so leicht durch die Alltagsroutine weggeschoben werden können.“ Viele Urlauber suchten dann das Gespräch und seien dankbar für einen Menschen, der Zeit dafür habe oder auch für eine tiefe Erfahrung bei einer Veranstaltung.
Nach zehn Jahren ist es für Sabine Kullik und Lars-Jörg Bratke Zeit, Bilanz zu ziehen. „Es hat sich von Anfang an gelohnt“, sind sich beide einig. Es gebe viel Synergieeffekte, denn „auch wenn wir hier nicht immer zu zweit stehen, sondern einer allein eine Veranstaltung organisiert, so erleben uns Urlauber und Einheimische nie als getrennt, jeder vertritt alle Christen und Christinnen und natürlich sind wir auch für andere Konfessionen offen, wir haben immer ein offenes Ohr für die Menschen“, so Bratke.
Von Pfingsten an bis zum Ende der Sommerferien gibt es Woche für Woche zahlreiche Angebote. Manche kehren immer wieder, wie Andachten in aller Frühe – direkt mit dem Meeresrauschen und Vogelgezwitscher im Ohr oder zur Abendstunde am Strand, mal bei malerischem Sonnenuntergang, mal mit Windböen im Gesicht, Gottesdienste oder Radtouren auf dem Pilgerweg. Andere sind einmalig, wie literarische Abende, Konzerte, ein Tango-Gottesdienst oder „Watt’n Blech“, der Bläsergottesdienst im Watt. „Hier besuchen uns viele Leute, die selten oder gar nicht in eine Kirche gehen – Einheimische wie auch Urlauber“, erklärt Kullik. „So etwas erleben wir zuhause nicht, sagen uns viele Besucher. Viele wundern sich sogar, dass Kirche auch so sein kann“, weiß Lars-Jörg Bratke. Und er sagt: „Nicht nur die Besucher sind hier anders, offener, in direktem Kontakt mit der Schöpfung, auch ich selber bin ganz anders gestimmt, am Strand, draußen in der Natur, im Watt und kann somit auch die christliche Botschaft ganz anders vermitteln.“
Das persönliche absolute Lieblingsstück der Sommerkirche? „Watt’n Blech – wenn wir draußen im Watt sein können und nicht wie dieses Jahr wegen des Regens doch in die Kirche müssen“, sind sich die beiden Geistlichen einig. „Wenn die Choräle bis zum Horizont tragen, wenn die Wolken ihr Spiel treiben und das Watt unter den Füßen zu spüren ist – Man ist dann so eins mit der Natur und sich selber, das ist in Worte kaum zu fassen“, sagt Sabine Kullik. „In solchen Momenten sieht man auch auf den Gesichtern der Menschen die Sehnsucht nach der Leichtigkeit des Sommers, die uns in den letzten beiden Jahren so fehlte“, hat Lars-Jörg Bratke erfahren.
Ein Beitrag von Annette Kellin