Die Realität in der Kindertagesbetreuung ist durch eine immer größer werdende individuelle, soziale und kulturelle Vielfalt gekennzeichnet. Zugleich ist der kompetente Umgang mit Vielfalt und seinen zahlreichen Dimensionen für pädagogische Fachkräfte derzeit eine der zentralen Herausforderungen in der pädagogischen Praxis. Für Entwicklungsprozesse braucht es Zugehörigkeiten und Gemeinsamkeiten. Aber wie gehen diese Aspekte in der Auseinandersetzung mit Unterschieden bei Vielfalt zusammen?
Um diese und ähnliche Fragen ging es beim 5. Pädagogischen Fachtag, der am Samstag, 16. November, gemeinsam von der Ev. Familien-Bildungsstätte (EFB) Friesland-Wilhelmshaven und dem Familien-und Kinderservicebüro Wilhelmshaven angeboten wurde. Unter dem Motto „Umgang mit Vielfalt – Chancen und Herausforderungen in Haltung und Menschenbild“ wollten beide Veranstalter mit dem Fachtag Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten stärken und Möglichkeiten anbieten, sich dem Thema „Umgang mit Vielfalt“ auf unterschiedliche Weise auseinanderzusetzen.
Zur Einführung wies Elli Weiser von der EFB mit Blick auf „Haltung und Menschenbild“ darauf hin, dass „Vielfalt leben“ nicht einfach sei: „Verbiegen hilft da nicht. Konflikte drücken Bedürfnisse aus und ich kann lernen, dahinter zu sehen. Das gilt ebenso für eigene Widerstände und mulmige Gefühle.“ Ebenso wichtig sei es aber auch zu wissen, dass die eigenen Werte und Bedürfnisse nicht das Maß für „richtiges Verhalten“ sind. „Es geht darum, sich selbst und andere zu verstehen und miteinander in Beziehung treten. Dazu gehören auch die Werte und Bedürfnisse der anderen.“ Kein Kind sei von Grund auf böse. Manchmal sei es nur verstört, sodass es für seine Umgebung auffällig wird. Mit einem Zitat von Fritz Perls brachte es Elli Weiser auf den Punkt: „Nicht die Wut ist destruktiv, sondern der Axthieb. So wie es keinen Fisch ohne Gräten gibt, gibt es auch keinen Menschen ohne Fehler und genau das ist anstrengend.“
Zusammen mit Ilona Margowski-Möhlmann vom Wilhelmshavener Familien-und Kinderservicebüro konnte Elli Weiser Fachkräfte aus den Familienzentren, Kindertagesstätten der Kindertagespflege und anderen Einrichtungen bei dem Fachtag begrüßen. Anschließend trafen sich die knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den ganzen Tag über in vier thematischen Workshops.
Beim Workshop mit der systemischen Beraterin und NLP Practitioner Claudia Hollander ging es um eine Einführung in die sogenannte NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren). Dazu gehörte unter anderem eine kommunikationsfördernde Haltung und intensive menschliche Wahrnehmung. Daneben lernten die Teilnehmenden auch Misserfolgsvermeider und Erfolgssucher kennen. In praktischen konnten sie das Thema alltagsnah erleben und Impulse für die eigene Arbeitspraxis mitnehmen.
Tanja Kruhmann behandelte währenddessen mit einer anderen Gruppe das Thema „Beziehung statt Erziehung“. Dabei ging es um Fragen wie „Was bedeutet eigentlich Erziehung und welche Konsequenzen hat es, wenn wir unsere Kinder erziehen?“. Ein Blick auf die Leistungsfähigkeit des (klein)kindlichen Gehirn machte dabei deutlich, zu welchen Leistungen Kleinkinder und Kinder fähig sind und zu welchen noch nicht. Dabei zeigte sich, dass das übliche Repertoire an Strafen, Konsequenzen, Lob usw. den Umgang mit Kindern eher behindert und der Beziehung schadet. Nur eine tragfähige Beziehung und Verbindung lässt Kinder und Erwachsene aneinander wachsen.
Eine Einführung in die Marte-Meo-Methode in der pädagogischen Arbeit gab es im Workshop mit Sabine Boelsen-Borree. Zugleich konnten die Teilnehmenden hier erfahren, wie sie die Marte-Meo-Methode von Maria Aarts in Ihrer täglichen Arbeit einsetzen können. Marte-Meo ist eine Videounterstützte Interaktionsanalyse, die auf die positiven Fähigkeiten der Kinder blickt und dann die Entwicklungsschritte in Augenschein nimmt.
Die Workshops mit Elke Meiners richteten den Blick auf das „bedrohte System Familie“ in der aktuellen gesellschaftlichen Situation. Hier ging es darum, was passiert, wenn eine Familie zerbricht und welche emotionalen und rechtlichen Folgen dies für die Beteiligten hat. Auch das sogenannte Recht der Kinder auf Umgang mit den leiblichen Eltern und die Bedeutung einer Umgangsklage für das Kind wurden angesprochen, vor allem unter dem Blickwinkel, welche Haltung die pädagogischen Fachkräfte hier einnehmen können und wie sich dies konkret in der Praxis auswirkt.
Alle Teilnehmenden hatten Gelegenheit, nacheinander an zwei verschiedenen Workshops teilzunehmen. Neben der inhaltlichen Arbeit bestand ausreichend Gelegenheit zum fachlichen Austausch mit Fachkräften aus den unterschiedlichen pädagogischen Arbeitsfeldern.
Der 6. Pädagogische Fachtag von Ev. Familien-Bildungsstätte und Familien-und Kinderservicebüro Wilhelmshaven soll im Herbst 2020 dann im größeren Rahmen im Gorch-Fock-Haus stattfinden.