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Klares Votum der mehr als 150 Teilnehmenden: „Zusammenarbeit zwischen Gemeinden – keiner muss alles machen.“ Diese Empfehlung gab am Samstag eine engagierte Diskussionsrunde beim Zukunftskongress der oldenburgischen Kirche und folgte damit der Überschrift „Weniger ist mehr“. Unter diesem Motto hatte Organisationsberater Dr. Steffen Bauer aus Friedberg dafür geworben, Qualität anzustreben statt Quantität.

 

Der frühere Pfarrer verwies dabei sowohl auf Erfolgsgeschichten verschiedener Gemeinden als auch auf banale Situationen aus dem Alltag: „Als ich im Elektronikmarkt einen Fernseher kaufen wollte, stand ich hilflos vor einer flimmernden Wand aus mehr als 100 Geräten.“ Da habe er die Orientierung verloren und gar keinen Apparat gekauft. Also empfiehlt Bauer ratsuchenden Kirchengemeinden „neue Orientierung“ und ehrenamtlich wie auch hauptamtlich Aktiven „Konzentration auf unsere Begabungen“. Ein Pfarrer müsse im Alltag Allroundkraft sein – „aber wer kann schon alles?“, so der Studienleiter für Ehrenamt und Gemeindeleitung am Institut für Personalentwicklung, Organisationsberatung und Supervision in der Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau.

 

Wer eine Neuorientierung vornimmt, dürfe aber sich und andere ausdrücklich nicht überfordern mit einem ständigen Mehr an Aufgaben und Verantwortung. Daher Steffen Bauers Rat an Gemeinden, gleichzeitig mit dem Test eines neuen Angebots auf ein altes zu verzichten: „So gewinnen wir inmitten aller Veränderungen auch eine neue Beweglichkeit.“ Parallel dürfe eine ehrliche Evaluierung nicht vergessen werden. Stichwort Ehrlichkeit: „Damit Neues gelingt, müssen die Rahmenbedingungen klar sein – muss der Rahmen stehen und verlässlich stimmen.“

 

Als gelungenes Vorbild für eine Neupositionierung wurde via Film eine Kapellengemeinde im Herzen Heidelbergs vorgestellt. Sie konzentriert sich bewusst auf einen diakonischen Schwerpunkt, hat Armut und Migration als größtes Problem erkannt. Also richtet sie ihre Angebote präzise auf diese Zielgruppe aus und hat damit das Gemeindeleben grundlegend verändert – mit mehr Ehrenamtlichen und mehr Spendern, mit mehr Kirchgängern in international gestalteten Gottesdiensten. Ein Beleg für Steffen Bauers These „Wir treffen eine kluge Auswahl und gewinnen dabei an Tiefe“.

 

Doch der Organisationsberater verschwieg auch nicht, dass das Reduzieren von Angeboten häufig Konflikte auslöse – und riet dazu, diesen Prozess als Chance zu verstehen. Bauer: „Wir trauern, um uns dann wieder zu trauen.“ Schließlich seien „wir als Kirche doch die Fachleute für Trauer“. Dazu gehöre allerdings auch zwingend die Einsicht, „Widerständler als Experten“ einzubinden.

 

Das Publikum nutzte die vielen Impulse für Diskussionen in den „Murmelpausen“, wie Pfarrer Holger Rauer den Gedankenaustausch in kleinen Gruppen nannte. Und das Ergebnis bezeichnete der Moderator als „total Mut machend“. Schließlich habe das Plenum die vermeintliche Not der knapper werdenden Ressourcen als Tugend verstanden und sich für ein neues Miteinander gerade auch über bisherige Grenzen hinweg ausgesprochen. Das Ziel „Zusammenarbeit zwischen Gemeinden – keiner muss alles machen“ bekam beim Voting mit farbigen Bällen die meisten Punkte und ist nun ein Auftrag an die Synode auf dem Weg in „ ...ein Land, das ich Dir zeigen will“.

 

800 Delegierte und 300 Mitwirkende nehmen am Zukunftskongress der oldenburgischen Kirche am 6. und 7. Juli in der Oldenburger Weser-Ems Halle teil. Unter dem Motto „… ein Land, das ich dir zeigen will“ (1. Mose 12,1) beraten sie über den Weg der Kirche in das Jahr 2030 beraten. Alle 117 Kirchengemeinden der oldenburgischen Kirche haben eine Delegation entsandt. Offiziell endet der Zukunftskongress am Sonntag, 8. Juli, mit dezentralen Gottesdiensten in allen Kirchengemeinden der oldenburgischen Kirche.

 

Interessierte können den Kongress unter www.zukunft-oldenburg.de verfolgen. Hier finden Sie aktuelle Berichte, Interviews und Videoclips.

Intensive Diskussionen zwischen den Teilnehmenden beim Podium "Weniger ist mehr - mehr ist weniger".
Zuhören und bedenken - Zwischen den Wegweisern des Podiums "Weniger ist mehr - mehr ist weniger".
Studienleiter für Ehrenamt und Gemeindeleitung am Institut für Personalentwicklung Dr. Steffen Bauer.