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In Kooperation zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und dem Lutherischen Verlagshaus Hannover widmeten sich am 2. September ehren- und hauptamtliche Publizisten aus dem nordwestdeutschen Raum der Zukunft des Gemeindeblattes. Den konkreten Anlass der Zusammenkunft bildete ein Jubiläum: „Nah dran“, das Magazin der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Osternburg, besteht seit nunmehr fünf Jahren. Diese Publikation verfügt in vielerlei Hinsicht über eine neue Form. Ihr galten zahlreiche Diskussionen und Informationsgespräche. Nach dem Vorbild von „Nah dran“ sind inzwischen sechs „Ableger“-Zeitungen entstanden und etabliert.

So bezeichnete Pfarrer Holger Rauer als Hausherr des in Kreyenbrück stattfindenden Workshops eingangs das Magazin „Nah dran“ als „Erfolgsmodell“. Gleichzeitig ist es nach modernen Zeitungskriterien ein „Produkt“ geworden, das sich auch den Fragen nach Wirtschaftlichkeit stellt. Trotz der allgemeinen Sparzwänge, so pflichtete der Pressereferent der oldenburgischen Kirche und „Macher“ von „Nah dran“, Pfarrer Hans-Werner Kögel, bei, ist dieses Magazin als „zeitgemäßer Gemeindebrief“ in der Lage, die überlieferten Aufgaben der evangelischen Gemeindezeitung auch weiterhin zu erfüllen: gemeindliche Identität schaffen und erhalten, Nähe und Lokalität vermitteln, über das Gemeindeleben (hinaus) informieren.

Vertrauensvorschuss nutzen

Im Anschluss an diese einführenden Darlegungen folgten zwei Vorträge, die es – jeder für sich – inhaltlich und stilistisch „in sich hatten“. Einen fulminanten und fesselnden Crash-Kurs zur zeitgenössischen Informationsgesellschaft lieferte Prof. Dr. Christoph Fasel aus Tübingen unter dem Titel „Die Bedeutung der Gemeindebriefe im heutigen Kommunikations- und Mediennetz“. Seine Ausführungen zur fachwissenschaftlich erforschten Informationsstruktur der heutigen Gesellschaft stellten zahlreiche „lieb gewonnene“ Standards protestantischer Publizistik in Frage.

Die Veränderungen des Bildungsniveaus hätten eine außerordentlich eingeschränkte Lesefähigkeit hervorgebracht. Eine erfolgreiche evangelische Medienarbeit ist, sofern sie sich nicht auf ausgesprochen evangelikale Verkündigung oder Missionierung reduzieren will, nach Meinung von Fasel, ohne Bilder nicht mehr denkbar. Mit einer Beschränkung auf Wortbezogenheit, Nüchternheit und Intellektualität werde der allergrößte Teil der Gesellschaft, so Fasel, nicht mehr erreicht, zumal der allgemeine „Medienmix“ inzwischen geradezu auch zu einer „Kakophonie“ kirchlicher Verlautbarungen geführt habe.

 

Je mehr Ausgewogenheit und Harmonie vermittelt werde (zum Beispiel in der und durch die evangelische Publizistik), desto geringer sei die Aufmerksamkeit des einzelnen Rezipienten wie auch das mediale Echo. „Berichtenswert ist nur der Regel-Bruch, nicht die Regel selbst“: So fasste Fasel seine allgemeine Argumentationskette zusammen.

Wer nun aber erwartet hatte, damit das Ende des traditionellen Gemeindebriefes zu erleben, sah sich getäuscht. Die Anschaulichkeit und Vielseitigkeit des Lokalen und des Geschehens vor Ort, so Fasel, bilde eine der größten Stärken des Gemeindeblattes, das eben nur nicht harmoniesüchtig im Sinne eines „Imagemagazins“, sondern offen für Konflikte, Probleme und Diskussionen sein soll. Nicht ausschließlich die ständige, normale Verlautbarung von Terminen soll ein Gemeindeblatt füllen. Mit zusätzlichen Themen-Setzungen in sowohl lesbarer als auch anschaulicher Form solle und könne „vor Ort“ gezeigt werden, dass die Kirche sich einmischt und über die spirituelle Komponente hinaus eine Rolle spiele.

Fasel sprach dem kirchlichen Gemeindeblatt ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal zu, das aus der – erwiesenen, weil nachgewiesenen – Fähigkeit besteht, alle gesellschaftlichen Gruppen in einer Gemeinde zu erreichen, und zwar kirchennahe wie auch weniger kirchenverbundene soziale Gruppierungen. An dieser Stelle bezeichnete Fasel den „traditionellen Gemeindebrief“ in zeitgemäßer Form sogar als „Leuchtturm“ evangelischer Publizistik. Diese vorhandene Akzeptanz und – vielleicht mit Abstrichen – Beliebtheit werde jedoch durch die allermeisten Gemeindeblätter nicht genutzt. Der Vertrauensvorschuss in Richtung Glaubwürdigkeit und Vertrautheit werde häufig achtlos vertan mit nichtssagenden, allgemein-pastoralen, überlangen oder gar langweiligen Texten sowie kleinen, qualitativ schlechten Abbildungen.

Dem „sperrigen Produkt“ Kirche, so lautete ein abschließendes Fazit von Prof. Fasel, sei mit einer sperrigen medialen Vermittlung, die gleichsam zwischen Banalität und elitärem Glaubensgetue hin und her schwankt, innerhalb einer in starker Veränderung befindlichen vielschichtigen Gesellschaft nicht gedient. Dies wiege umso schwerer, als die Chancen des Mediums Gemeindeblatt heute, so formulieren es übereinstimmend die kommunikationswissenschaftlichen Ergebnisse, deutlich besser sind als in den zwanzig Jahren zuvor, allerdings nur „auf der Basis eines soliden journalistischen Handwerks“.

 

 

 

Auf die eigenen Stärken besinnen – den Gemeindebrief

Aus ähnlicher Richtung, aber doch mit vollkommen anderen rhetorischen Mitteln und inhaltlichen Schwerpunkten näherte sich im zweiten Hauptvortrag Christof Vetter dem Thema. Der Geschäftsführer des Lutherischen Verlagshauses Hannover beschäftigte sich mit dem Neben-, Mit- und Gegeneinander von Internet und Gemeindebrief als Medien der gemeindlichen Öffentlichkeitsarbeit.

Nach einem intensiven Studium des weltweiten Web-Netzes im Hinblick auf evangelisch-kirchliche Präsenz kam Vetter zu dem Schluss, dass die kommunikativen Strukturen und einzelnen Netzwerke wie Facebook oder ICQ, die sich in ständiger Veränderung und Weiterentwicklung befinden, seitens der Kirche zwar aktiv begleitet werden müssten, für die einzelnen Kirchengemeinden jedoch keine Alternative zum gedruckten Gemeindeblatt darstellen sollten oder könnten. Ihm pflichtete Pfarrer Andreas Zuch bei, der Beauftragter der oldenburgischen Kirche für übergemeindliche Zusammenarbeit ist. Zuch warnte davor, „nicht immer und überall der allgemeinen Entwicklung hinterherlaufen zu wollen“, sondern eine eigene Strategie zu entwickeln.

Da im Internet „einfachste Regeln der Publizistik und des Journalismus nachhaltig über Bord gegangen sind“, so Vetter, soll sich die Kirchengemeinde, allein oder im Verbund mit anderen im Sinne von Regionalisierungsmodellen, auf ihre Stärken besinnen und mit einem journalistisch möglichst professionell erstellten Gemeindeblatt ihr eigenes, unverwechselbares Profil schärfen. Die vorhandenen Ressourcen innerhalb der Gemeinden reichten ohnehin zumeist gerade dafür aus, eine Art „Visitenkarte“ auch ins Internet zu stellen: Diese soll allerdings schon in jedem Fall vorhanden sein.

An dieser Stelle blieb bei allen Teilnehmenden eine gewisse Ratlosigkeit zurück, man war sich allerdings einig darüber, lieber überhaupt keine aktuellen Termine in der Internetpräsentation einer Gemeinde zu haben als ständig inaktuelle – oder gelegentlich hochgeladene PDF-Dateien von papierenen Gemeindebriefen, die von den Nutzern als nicht mediengerecht empfunden werden und deshalb kontraproduktiv bis imageschädigend wirken.

Beide Vortragenden waren sich einig in ihren Forderungen, regelmäßig und aktuell Gemeindeblätter herauszubringen. Deren inhaltliche Füllung darf freilich nicht „nebenbei“ vom geistlichen Personal betrieben und mehr oder weniger als lästige Pflicht betrachtet werden, wie dies leider allzu häufig der Fall ist, sondern muss ernst genommen werden im Sinne seriöser, professionalisierter Vermittlungsarbeit. Die Hefte oder Magazine können zudem, sofern guter Wille und ein Mindestmaß an Flexibilität vorhanden sind, mit einem den heutigen Sehgewohnheiten und Wahrnehmungserwartungen entsprechenden Layout ausgestattet werden. Dem pflichtete Hans-Werner Kögel bei, dessen „Magazin-Modell“ erwiesenermaßen den heutigen Lesegewohnheiten breiterer Kreise entgegenkommt. Das Internet bleibt davon unberührt eine ergänzende Informations-Plattform.

 

Arbeitsgruppen und die Praxis

Den Vorträgen schlossen sich drei Workshops an, in denen die Thematik maßgeblich vertieft wurde. Die Pfarrer Holger Rauer und Andreas Zuch informierten die Teilnehmenden über die regionale Zusammenarbeit bei Gemeindebrief-Projekten und berichteten von konkreten, schwierigen wie auch gelungenen Beispielen. Die Beteiligten einiger nach dem Modell von „Nah dran“ entstandenen Gemeindezeitungen – gleichsam zwischen Emden und Osterholz-Scharmbeck – brachten ebenfalls ihre zumeist positiven Erfahrungen ein. Das Grundkonzept erscheint ihnen als stimmig und übertragbar.

Ein zweiter Workshop unter der Leitung von Prof. Christoph Fasel thematisierte verschiedenste Fragestellungen zu den Problembereichen Sprache und Foto im Gemeindeblatt sowie zur rechtlichen Situation. Die Besonderheiten des „ehrenamtlichen Journalismus“ bilden auf diesem Gebiet ein nicht immer einfach zu handhabendes Spezial-Thema.

Im dritten Workshop stand die konkrete Bearbeitung des gedruckten Gemeindeblattes im Mittelpunkt. Unter dem Titel „Blattkritik – Arbeiten am eigenen Gemeindebrief“ gab Michael Eberstein, Chefredakteur der Evangelischen Zeitung, Hannover, zahlreichen Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre eigene Arbeit zu reflektieren. Mit konkreten Ratschlägen hinsichtlich Layout, Schrift und Bild wies Eberstein in gut nachvollziehbarer Form einen Weg hin zu mehr Professionalität und Anschaulichkeit, aber auch Vermittlungstiefe. Die ehrenamtlichen „Blattmacher“ brachten dabei vielfältige Probleme ein, die in intensiven Diskussionen einer möglichen konstruktiven Lösung zugeführt wurden. Deutlich wurde gerade hier, dass sich die Probleme der Erstellung von Gemeindeblättern innerhalb der „Landschaft“ der Kirchengemeinden durchaus spürbar voneinander unterscheiden können.

Eine kleine Abendandacht, die gleichzeitig als „Jubiläums-Dank-Gottesdienst“ für die MitarbeiterInnen, insbesondere AusträgerInnen des Magazins „Nah dran“ fungierte, bildete den Übergang zu einer Betriebsführung in der Firma WE-Druck. Deren Geschäftsführer Hans-Peter Rosdorff informierte die Teilnehmenden ausführlich über die Produktionsumstände ihrer eigenen Blätter. Im Oldenburger Norden werden die neuen Gemeindeblätter-Magazine im kleinen Zeitungs-Format produziert. Sie können, sofern die Auflagen groß genug sind, im Rotationsdruck bemerkenswert kostengünstig bei der Fertigung von Tageszeitungen „mitlaufen“. Der bisher übliche Bogen-Offsetdruck gerät aus wirtschaftlicher Sicht immer mehr ins Hintertreffen. In finanzieller Hinsicht sind hier die Vorteile klar erkennbar, in qualitativer Beziehung der Abbildungs-Güte wird sicherlich noch die eine oder andere Verbesserung möglich sein.

Der Tag darf wohl als sehr gelungenes Beispiel gelten für den häufig nur allzu leicht dahin gesagten Leitspruch: „Kirche auf dem Weg“.
Ein Beitrag von Kurt Dröge

Gemeindebriefe haben die nachgewiesene Fähigkeit, alle gesellschaftlichen Gruppen in einer Gemeinde zu erreichen, unabhängig von ihrer Kirchennähe oder -ferne.
Arbeitsgruppe mit Prof. Dr. Christoph Fasel.
Für Christof Vetter, Geschäftsführer des Lutherischen Verlagshauses Hannover, müssen die neuen Internetformen zwar aktiv begleitet werden, aber sie sind für die einzelnen Kirchengemeinden jedoch keine Alternative zum gedruckten Gemeindeblatt.
In dem Workshob „Blattkritik – Arbeiten am eigenen Gemeindebrief“ gab Michael Eberstein, Chefredakteur der Evangelischen Zeitung, Tipps zum Layout, zu Schrift und Bildern.
Pfarrer Andreas Zuch informiert die Teilnehmenden über die regionale Zusammenarbeit bei Gemeindebrief-Projekten.
Pfarrer Holger Rauer und Pressereferent Hans-Werner Kögel haben mit dem Gemeindemagazin „Nah dran“ ein zeitgemäßes Modell für Gemeindebriefe entwickelt.