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Geschlagen, getreten, gewürgt: In Hannover soll ein Bundespolizist Flüchtlinge misshandelt und erniedrigt haben. Ob noch mehr Beamte beteiligt oder Mitwisser waren, sollen die Ermittlungen zeigen. Die Politik verlangt eine schnelle Aufklärung.

Hannover/Berlin (epd). Nach der mutmaßlichen Misshandlung von Flüchtlingen durch Polizisten in Hannover haben Bundespolitiker und Flüchtlingsorganisationen Aufklärung und Konsequenzen gefordert. Die Staatsanwaltschaft der niedersächsischen Landeshauptstadt ermittelt gegen einen Beamten der Bundespolizei, der Medienberichten zufolge seine Opfer unter anderem durch Schläge und Tritte erniedrigt haben soll. Das Bundesinnenministerium nannte die Vorwürfe am Montag «gravierend» und versprach Unterstützung bei den Ermittlungen. Die Organisation «Pro Asyl» erklärte, die Vorfälle zeigten ein entsetzliches Maß an Rassismus und Menschenfeindlichkeit.

Die Misshandlungen sollen sich Berichten des NDR zufolge bereits im vergangenen Jahr ereignet haben. Demzufolge schlug, trat und würgte der Beamte einen Flüchtling. Ein anderes Opfer sei gezwungen worden, sichtbar verdorbenes Schweinefleisch vom Boden zu essen. Seine Taten soll der Mann selbst über den Kurzmitteilungsdienst WhatsApp Kollegen geschildert haben.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft haben zwei Zeugen in der vergangenen Woche Anzeige wegen der mutmaßlichen Misshandlungen erstattet. Warum sie die Fälle erst so spät meldeten, ist bislang unklar. Durch Befragungen will die Staatsanwaltschaft außerdem herausfinden, ob noch andere Beamte an den Taten beteiligt waren oder davon wussten.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, seine Behörde und die Bundespolizei hätten ein Interesse daran, dass die Vorfälle schnell aufgeklärt werden. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, forderte die Bundespolizei zum Handeln auf: «Wenn es zutrifft, dass ein Beamter Flüchtlinge gequält, sich damit gebrüstet und die Misshandlungen sogar noch dokumentiert hat, muss die Bundespolizei über den Einzelfall hinaus Konsequenzen ziehen», sagte die Staatsministerin.

Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt forderte eine strafrechtliche Verfolgung auch von eventuellen Mitwissern. «Der Skandal im Skandal ist die Tatenlosigkeit der Mitwisser in Polizeiuniform», sagte er. Auch Polizeigewerkschaften reagierten mit Entsetzen. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, forderte eine «rückhaltlose» Aufklärung. Es erfülle ihn mit Scham und Wut, wenn gegen einen Polizisten staatsanwaltschaftlich ermittelt werde, weil er womöglich im Dienst mehrere Menschen gequält habe.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte im WDR Videokameras im Polizeigewahrsam, um polizeiliches Handeln zu dokumentieren. Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, sagte, es gebe durchaus die Möglichkeit, solchen Grenzüberschreitungen strukturell vorzubeugen und mit ihnen professionell umzugehen.

Auch auf Landesebene kamen am Montag Rufe nach Konsequenzen aus den Misshandlungsvorwürfen. Die niedersächsische Landesbeauftragte für Migration, Doris Schröder-Köpf (SPD), sagte, alle Tatsachen und Hintergründe müssten zügig und lückenlos aufgeklärt werden. Sie sprach von einer erschreckenden Rohheit und Grausamkeit. Der Niedersächsische Flüchtlingsrat erklärte, es habe immer wieder Gerüchte über Misshandlungen bei der Bundespolizei gegeben. Bislang hätten aber Beweise gefehlt.

Dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen zufolge gibt es gegen solche Übergriffe keine absolute Prävention. Es gebe bestimmte Vorgaben, wie beispielsweise Personenkontrollen ablaufen, welche Schutzmaßnahmen nötig seien oder dass ein Beamter nie mit einem Gefangenem allein sein dürfe, sagte der Direktor Thomas Bliesener am Montag in Hannover dem epd. «Das ist aber kein hundertprozentiger Schutz.»