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Mittelalterliche Klänge empfangen die Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher, werden abgelöst vom muslimischen Aufruf zum Gebet, schließlich vom christlichen Kyrie eleison. Marschmusik, Schlachtrufe, die Bitte um Frieden – die Friedensmesse „The Armed Man“ von Karl Jenkins bietet ein intensives und gewaltiges Wechselbad der Gefühle. Am Sonntag, 26. Mai, wird sie in der Oldenburger Ansgari-Kirche aufgeführt. Die Ansgari-Kantorei, bekannt für große Oratorien und Messen, wird unterstützt vom Concenti-Ensemble Nordwest, dem Jugendchor der Kantorei. Für das Orchester mit Querflöte, Violoncello, Klavier, Orgel, drei Trompeten und vier Schlagzeugen konnte Kantor Johannes von Hoff erstklassige Musiker verpflichten, darunter Thomas Trumm, Burkhard Wild und André Saad vom Ensemble des Staatstheaters und den Schlagzeuger Axel Fries.

Der walisische Musiker und Komponist Karl Jenkins hat dieses Konzert den Opfern des Kosovo-Krieges gewidmet. Gleichzeitig aber ist die Musik eine Zeitreise durch die Jahrhunderte, die eines eint: Glaubenskriege, Kampf und Mord im Namen Gottes. „Mich hat zunächst die Musik gereizt“, sagt Kirchenmusiker Johannes von Hoff, Leiter der Ansgari-Kantorei und frühere Landeskirchenmusikdirektor der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. „Schon seit Jahren habe ich die Noten in meinem Bücherschrank stehen, weil ich die farbige Vielfalt, das eindringliche Spiel der Gegensätze sofort ganz faszinierend fand.“ Doch auch die politische Aussagekraft sei besonders: „Die Friedensmesse wirbt für Toleranz zwischen Christen, Muslimen und Juden.

 

Auch heute noch bieten unterschiedliche Religionen und ihre Abgrenzung gegeneinander unendlich viel Zündstoff. Es kann gar nicht genug Impulse geben, diesem Wahnsinn zu widersprechen“, findet von Hoff. Die Begegnung von Christentum und Islam reizt nicht nur die evangelische Gemeinde: Mit Malik Muaz Özden von der Mevlana-Gemeinde in Delmenhorst wirkt ein Muezzin bei „The Armed Man“ mit, der sich sofort bereit erklärt habe, so von Hoff, weil er die menschliche Botschaft, die hinter dieser Musik steht, voll mittrage.

„Dass Religion, dass die Religionen ihren besonderen Anteil am Morden und Schlachten hatten, wird niemand bestreiten können“, schreibt Prof. Dr. Christoph Markschies in seiner Einführung zu „The Armed Man“. Die Friedensmesse konfrontiere uns mit der Frage, in welcher Form sich die Religionen gemeinsam für den Frieden einsetzen können, so der evangelische Theologe und ehemalige Präsident der Berliner Humboldt-Universität weiter.

 

Es ist eine spannende, auch provokante Mischung, die das Publikum mit der Friedensmesse erwartet. Verse der englischen Barockdichter John Dryden und Jonathan Swift, des Kolonialdichters Rudyard Kipling, dazu Texte aus dem traditionellen Kanon des christlichen Gottesdienstes – vieles davon modern vertont. Aber auch, so Markschies, viel musikalisch nachgestaltete Dramatik des Krieges, „bevor nach dem Höllenlärm Stille ausbricht – die furchtbare Stille nach der Schlacht.“ Diese Dramatik werde die Zuhörerinnen und Zuhörer einnehmen, so von Hoff. „Ich erwarte nicht, dass das Publikum nach der Messe kommentarlos geht wie nach einem normalen Konzertabend – aber das ist auch durchaus so erwünscht.“

„The Armed Man“ wird am 26. Mai um 17 Uhr in der Kirche St. Ansgar, Edewechter Landstraße, in Oldenburg-Eversten aufgeführt. Karten sind erhältlich in der Buchhandlung Libretto, Theaterwall 34, in Oldenburg (Tel. 04 41/1 38 71) und an der Tageskasse (ab 16 Uhr).

Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.

„Ein deutliches Wort zum Frieden“

Kirchenmusiker Johannes von Hoff im Gespräch

 

Kirchenmusiker Johannes von Hoff, Leiter der Oldenburger Ansgari-Kantorei und frühere Landeskirchenmusikdirektor der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, inszeniert am Sonntag, 26. Mai, die Friedensmesse „The Armed Man“ von Karl Jenkins. Mit Johannes von Hoff sprach die Oldenburger Journalistin Anke Brockmeyer.

Eine Friedensmesse mit muslimischer Beteiligung in einer evangelischen Kirche: Worin liegt für Sie der besondere Reiz dieser Aufführung?

 

Johannes von Hoff: Rein musikalisch in der Vielfalt, der mitreißenden Farbigkeit der Sätze und der Kombination alter Texte aus verschiedenen Kulturen mit überwiegend moderner Musik. Politisch finde ich es wichtig, mit dieser Messe die Möglichkeit zu nutzen, Toleranz praktisch zu leben.

Rund 10.000 getötete oder verletzte jugoslawische Soldaten, 1.500 getötete Zivilistinnen und Zivilisten, mehr als 850.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo – Zahlen eines Krieges vor nicht einmal 15 Jahren auf europäischem Boden. Warum gehört eine musikalische Aufarbeitung dieses Themas in eine Kirche?

 

Johannes von Hoff: Christliche Religionen waren jahrhundertelang auch Auslöser von Gewalttaten. Und auch heute bieten unterschiedliche Religionen und ihre Abgrenzung gegeneinander noch immer unendlich viel Zündstoff. Es kann gar nicht genug Impulse geben, diesem Wahnsinn zu widersprechen. Der Aufruf zu Toleranz, zum friedlichen Miteinander von Christen, Muslimen und Juden, der sich durch diese Friedensmesse zieht, ist für mich ein immens wichtiger Punkt.

In „The Armed Man“ singt auch das Concerti-Ensemble Nordwest, ein Chor von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 13 und Mitte 20. Wie haben sie auf das Thema reagiert?


Johannes von Hoff: Sie haben den Kosovo-Krieg nicht oder nicht bewusst mitbekommen. Während der Proben wurde das Thema Krieg, die für sie unvorstellbare entfesselte Gewalt, immer wieder intensiv besprochen. Es war uns – insbesondere Chorleiterin Birgit Wendt-Thorne – wichtig, den jungen Leuten zu erklären, was Krieg mit all seinen Auswirkungen bedeutet.

Die Friedensmesse ist in ihrer musikalischen Ausgestaltung durchaus provokant – zumindest für deutsche Hörgewohnheiten: Marschmusik, das indische Mahabharata, islamische Gottesanbetung. Welche Reaktionen der Zuschauenden erwarten Sie?


Johannes von Hoff: Aufführungen in anderen Kirchen haben gezeigt, dass die Besucherinnen und Besucher sich schnell einnehmen lassen von der Musik. Militärische Märsche, Trompeten, die zum Angriff blasen, die Bitte um Frieden – all das nimmt die Zuhörenden mit. Ich erwarte nicht, dass das Publikum nach der Messe kommentarlos geht wie nach einem normalen Konzertabend – aber eine anschließende Diskussion ist auch durchaus erwünscht.

In „The Armed Man“ wirkt auch ein Muezzin mit. War es schwierig, von islamischer Seite jemanden zu finden, der sich an der Messe beteiligt?

 

Johannes von Hoff: Der Kontakt ist über den Islambeauftragten der oldenburgischen Kirche, Pastor Michael Munzel, geknüpft worden. Er kannte die Delmenhorster Gemeinde, aus der dieser knapp 20jährige Muezzin kommt, als sehr offen. Und tatsächlich war die Bereitschaft mitzuwirken gleich da, weil die muslimische Gemeinde einig war: Wir können die menschliche Botschaft, die hinter dieser Musik steht, voll unterschreiben.

Der Ruf „Allahu Akbar – Gott ist groߓ, dazu das islamische Glaubensbekenntnis in einer christlichen Kirche: Verlangen Sie da nicht zu viel Toleranz von christlicher Seite?

 

Johannes von Hoff: Wir predigen immer Respekt vor anderen Religionen, mit dieser Messe wollen wir ein ganz praktisches Zeichen der Begegnung setzen. Nicht jeder muss davon begeistert sein – aber wenn wir zum Nachdenken anregen, zur Diskussion, ist schon viel erreicht.

Eine Friedensmesse in einem Gotteshaus, während weltweit immer wieder Kriege im Namen Gottes geführt werden – Was kann die Kirche tatsächlich beitragen zu mehr Frieden in der Welt?


Johannes von Hoff: Die Kriege in aller Welt dienen in erster Linie wirtschaftlichen Interessen. Auch Deutschland verkauft Waffen, und das immer auch mit dem Hinweis, man sichere dadurch Arbeitsplätze. Es ist natürlich eine Illusion zu glauben, man könne mit einer Friedensmesse grundlegend etwas ändern. Aber ein deutliches Wort der Kirche, immer wieder und zu unterschiedlichen Anlässen, ist ganz wichtig.



Die Ansgari-Kantorei ist bekannt für große Oratorien und Messen. Foto: Ansgari-Kantorei
Johannes von Hoff. Foto: ELKiO/Uwe Haring
Johannes von Hoff. Foto: ELKiO/Uwe Haring