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„Migration als Protestform“, der Titel ließ aufhorchen: Flüchtende Menschen sind nicht nur passive Opfer. In ihrer Entscheidung zur Flucht steckt auch der Protest gegen untragbare Zusammenhänge unserer Welt.

Internationaler Einfluss mächtiger Interessen und die medial vermittelten Lebensstile der sogenannt entwickelten Weltregionen, auch der unseren, verhindern breite, selbstbewusste und authentische Entwicklung in den Herkunftsländern.

Auf diesem Hintergrund brachten die Veranstalter in Europa lebende fluchterfahrene Expertinnen und Experten mit den Teilnehmern aus der hiesigen Gesellschaft zu gemeinsamem Nachdenken.

Die „italienisch-deutsche“ Kamerunerin Eunis Lambuni Sakah mit Studium der Migration und Sozialarbeit berichtet nicht nur autobiografisch von Fluchtursachen und ihrem Fluchtweg von Kamerun über Italien nach Deutschland. Als ausgewiesene Expertin macht sie zugleich beeindruckend und bedrückend klar, mit welch hohem Aufwand die Militarisierung der Grenzen rund um Europa, in Afrika und auch in den USA und betrieben wird.

Der Menschenrechtsaktivist und Journalist Peter Donatus, vor 28 Jahren aus Nigeria nach Eu-ropa geflüchtet, benutzt den Begriff „Ökozid-Krieg“. Am Beispiel seines Herkunftslandes erklärt er, wie die Rohstoffpolitik der „westlichen“ Länder Flucht und Migration zur Folge hat. Verheerende Eingriffe auswärtig dirigierter Produktion in dortige ökologische Zusammenhänge zerstören die Möglichkeit, dort die Natur nachhaltig zu nutzen und zu entwickeln. So werden Bedingungen geschaffen, die dauerhaft Böden, Leben und Bleiben zerstören. „Ökozid“ ist zusammengesetzt aus Ökologie und Genozid. Bei einem Krieg kann man zumeist Aggressoren ausmachen. Beim Ökozid aber handeln Vertreter globaler, gesichtsloser, kapitaler Machtinteressen und -strukturen. Rechtlich kaum zu fassen, veranlassen sie ohne offensichtliches Handeln dennoch Krieg und nehmen dabei Vertreibung und Flucht in Kauf.

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes, machte die schwer durchschaubare Gemengelage internationaler Interessen am Syrienkrieg deutlich. Mit diesem Beispiel appelliert er an unsere Gesellschaften, Fluchtursachen von der der Wurzel her anzupacken: Profitorientiert Entwicklungspolitik von oben herab etwa, Rüstungsexporte, Schuldenpolitik und bedenkenloser westlicher Lebensstil-export müssen von uns im Sehen und Hören auf die Menschen / Experten der Herkunftsländer gemeinsam mit ihnen kritisch gesehen, benannt und umgesteuert werden.

Den nach vorn weisenden Abschluss der Veranstaltung machten die Poetry-Slamvorträge des Braunschweigers Dominik Bartels gemeinsam mit Julia Balzer und Sebastian Hahn. Ihre Beiträge brachten es fertig, die Informationsschwere der Veranstaltung aufzuheben und einem mehrheitlich jüngeren Publikum das nicht leicht verdauliche Thema außergewöhnlich gut und ermutigend zu öffnen.

Migration als Protestform in der bau_werk Halle (v.l.): Marcel Hackler, Eunis Lambuni Sakah, Clemens Ronnefeldt, Dominik Bartels und Peter Donatus. Foto: akademie / Jörg Hemmen
Migration als Protestform in der bau_werk Halle (v.l.): Marcel Hackler, Eunis Lambuni Sakah, Clemens Ronnefeldt, Dominik Bartels und Peter Donatus.
Eunis Lambuni Sakah macht in der bau_werk Halle beeindruckend und bedrückend klar, mit welch hohem Aufwand die Militarisierung von Grenzen stattfindet. Fotos: akademie / Jörg Hemmen