Seine große Besorgnis über den Zerfall gewachsener Strukturen und die Spaltung der Gesellschaft im Zusammenhang mit einem rasant steigenden Konsum von Medien, in denen immer häufiger ungefiltert Hassbotschaften einen Weg finden, äußerste Ex-Bundespräsident Christian Wulff bei einem Besuch in Wilhelmshaven in der Kirchengemeinde Bant.
Wulff folgte einer Einladung zur „Politikerkanzel“ unter dem Motto „Was mich treibt“. Die zehnteilige Reihe wird von Bruder Franziskus aus dem ökumenischen Rogate Kloster St. Michael am Standort Wilhelmshaven in Zusammenarbeit mit der evangelischen Erwachsenenbildung organisiert.
Vom Rand der Gesellschaft her wüchse die Macht, die Mitte der Gesellschaft aufzuwiegeln und Freiheit und Demokratie zu zerstören. Das sei überaus besorgniserregend. Viele machten regelrecht Geschäfte mit der Angst. Dabei gehe es Deutschland so gut wie nie zuvor, zugleich aber konsumierten die Menschen immer mehr Nachrichten mit negativem Inhalt.
Der Ex-Bundespräsident forderte zu mehr Optimismus auf. „Wir müssen viel mehr ins Gelingen verliebt sein“, sagte der 60-Jährige. Junge Menschen müssten begreifen, dass sie für genau die Welt eintreten und sich stark machen müssten, in der sie leben wollten. „Wir brauchen viele Menschen mit Haltung und Rückgrat, die damit einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten“, so Wulff. Jede Gesellschaft müsse für die Werte eintreten, in der sie leben wolle.
Auch zum Thema Migration bezog er Stellung. In seiner kurzem Amtszeit als Bundespräsident hatte er gesagt: „Der Islam gehört mittlerweile auch zu Deutschland“, hierüber hatte es viele Diskussionen gegeben, die von Kreispfarrer Christian Scheuer bei der „Politikerkanzel“ aufgegriffen wurden. Er stehe immer noch hinter diesem Satz, sagte Wulff. Allerdings müsse man ihn im Kontext betrachten, und da gehe es um Integration, Migranten müssten den Islam auch in Deutschland leben können, müssten sich allerdings auch zu den deutschen Grundrechten bekennen. Es gehe ebenso darum, dass Imame, die in Deutschland lehrten, auch hier ausgebildet würden und ihre Freitagsgebete in deutscher Sprache hielten.
Wulff zeigte sich überzeugt, dass man in 25 Jahren einen Festtag einrichten werde, um dem „Glücksfall“ des Migrantenzuzugs zu feiern. „Die nachfolgende Generation wird die erfahrene Barmherzigkeit zurückgeben.“
Ein Beitrag von Annette Kellin