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Über die Hintergründe der Weltuntergangsszenarien informiert der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Pastor Olaf Grobleben, in einem Aufsatz.

 

Er ist sich sicher, dass sich die Erde auch am 22. Dezember so wie immer um die Sonne drehen wird. "Zurückbleiben werden Medienberichte, Erklärungsversuche, getäuschte und enttäuschte Menschen. Apokalyptiker werden sicher schon bald nach einem neuen Untergangsdatum Ausschau halten. Dabei könnten sie sich die These einiger Forscher zunutze machen, die davon ausgehen, dass es beim Abgleich des Maya-Kalenders mit unserer Zeitrechnung zu Fehlern gekommen sei. Demnach würde der Maya-Kalender erst in 200 Jahren auslaufen, und viel Zeit für neue Spekulationen wäre gewonnen."

Den gesamten Aufsatz können Sie sich als pdf-Datei herunterladen.

 

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Mayakalender und kein Ende,

oder: Wann geht die Welt unter?


Ein kleines Dorf in Südfrankreich

Deutschland im Jahr 2012. Nicht nur hier bei uns, sondern weltweit sind Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen der Überzeugung, dass die Welt in diesem Jahr untergehen wird. Besonders der 21. Dezember wird als Untergangsdatum viel gehandelt. Angeblich soll die Welt dann untergehen aufgrund einer alten Prophezeiung in einem Maya-Kalender, wie unseriöse Medien nicht müde werden zu behaupten. Alle Menschen sollen dabei umkommen. Alle? Nein, denn in Bugarach, einem kleinen Dorf im Südwesten Frankreichs, haben sich einige Dutzend Esoteriker niedergelassen. Seit dem Jahr 2000 zieht der kleine Ort Esoteriker und Alienfans ‚magisch’ an, angeblich könne man dort den Weltuntergang überlegen. Warum das so sein soll, darauf gibt es in der Szene unterschiedliche Antworten. Die einen Vermuten den Schatz der Tempelritter auf dem Gipfel des Dorfbergs, des Pic de Bugarach, die anderen sind davon überzeugt, bei dem 1.230 Meter hohen Berghandele es sich um eine Alien-Garage. Wie dem auch sei: von dem Ort gehe eine magische Kraft aus, die zum Überleben im Chaos des Weltunterganges verhelfen würde.

Die Esoteriker aus Bugarach mögen ein besonders krudes Beispiel abgeben für die Kraft, die von Weltuntergangsszenarien ausgeht. Menschen fühlen sich davon bedroht und angezogen, vereinnahmt oder verunsichert. Dabei haben Weltuntergangsszenarien selbst eine Jahrtausende alte Geschichte, auf die ich im Folgenden mit einigen wenigen Hinweisen eingehen möchte. Und ich möchte einige Beispiele für religiös motivierte Weltuntergangsszenarien darstellen, bevor ich mich etwas ausführlicher mit dem Maya-Kalender und seine angeblichen Weltuntergangsprophezeiung auseinandersetze.


Weltuntergangsszenarien in der Geistes- und Religionsgeschichte der Menschheit

In der abendländischen Geistesgeschichte hat es seit jeher Aussagen gegeben über die Welt als Ganzes, darüber, was ihr zugrunde liegt, wo sie herkommt und was ihr Schicksal ist. Die griechische Philosophie bis etwa zum fünften vorchristlichen Jahrhundert ist von entsprechenden Aussagen und Denkbewegungen durchzogen, so war es z.B. ach Thales (um 580 v. Chr.) das Wasser, aus dem alles entstand. Szenarien, die den Untergang der Welt oder des gesamten Kosmos betreffen, wurden und werden in verschiedenen Religionen beschrieben. Dabei kennen nicht alle Religionen solche Szenarien. Östlichen Religionen liegt oft ein Verständnis von Geschichte als ewiger Wiederkehr des Gleichen zugrunde, und Erlösung bedeutet für das Individuum dann, aufgrund eigener Verdienste und Verhaltensweisen vom Joch der Wiedergeburt erlöst zu sein. Dabei werden dann i.d.R. keine Aussagen über die Welt oder die Schöpfung gemacht, deren ewige Existenz gedacht bzw. vorausgesetzt wird. Geschichte hat dann also kein Ziel und läuft nicht auf ein wie auch immer gedachtes Weltende bzw. Ende der gesamten Schöpfung bzw. des Kosmos hinaus.

Den drei großen Buchreligionen, dem Judentum, dem Christentum und dem Islam, liegt hingegen ein anderes Geschichtsverständnis zugrunde. Hier ist Gott jeweils in spezifischer Weise als Herr der Geschichte gedacht, die durch sein Eingreifen an ein Ende kommt.
Der Glaube an den Jüngsten Tag ist eine von den sechs Glaubensgrundsätzen des Islam. Dieser Glaubens-Aspekt beinhaltet, dass Muslime mit Gewissheit den Glauben verinnerlichen an die verborgenen, nach dem Tod eintretenden Ereignisse und an den Jüngsten Tag. Mit diesem Glauben werden im Koran diverse Aspekte in Verbindung gebracht, wobei der ‘Jüngste Tag’ jeweils mit unterschiedlichen Namen benannt wird. Beispiele hierfür sind: Tag der Auferstehung, die Letzte, der Tag der Abrechnung, der Tag der Versammlung, Tag der Vergeltung, Tag des Sieges, Tag des Zusammentreffens, der Tag an dem die betrogenen Menschen ihre Betrüger anklagen, die Stunde, Tag der Ewigkeit, Tag des Verlassens der Gräber, das Unheil, der betäubende Ruf.
Es ist Bestandteil der Lehre des Koran, dass Gott nicht nur die materielle und die immaterielle Welt geschaffen hat, sondern dass er sie auch beenden wird.
Auch das Judentum hat Vorstellungen vom Ende der Schöpfung bzw. der Geschichte entwickelt.
Der Glaube an eine Kommende Welt (Olam ha-Bah) bzw. an eine Welt des ewigen Lebens ist ein Grundprinzip des Judentums. Dabei wird niemandem nach jüdischer Lehre das Heil dieser kommenden Welt abgesprochen. Juden glauben, dass allen Menschen ein Anteil der kommenden Welt zuteil werden kann. Es gibt zwar viele Vorstellungen der kommenden Welt, aber keine kanonische Festlegung ihrer Beschaffenheit; d.h., das Judentum kennt keine eindeutige Antwort darauf, was nach dem Tod mit uns geschieht. Die Frage nach dem Leben nach dem Tod wird auch als weniger wesentlich angesehen, als Fragen, die das Leben des Menschen auf Erden und in der Gesellschaft betreffen.
Als Anbruch einer neuen Zeit kann jedoch die Herrschaft des Messias (hebr. der Gesalbte) gewertet werden. Alle Menschen werden den Messias als Herrscher anerkennen und nur den einen Gott anbeten und deshalb moralischer und spiritueller leben. Krieg und Elend wird es dann auf der Welt nicht mehr geben, sondern Wohlstand und Glück für alle Menschen. Nach der Ankunft des Messias auf Erden werden schließlich auch die Toten auf der ganzen Welt wieder auferstehen. Im Judentum handelt es sich dabei auch um die tatsächliche physische Auferstehung. Die Vorstellung eines jüngsten Gerichts, in dem abschliessend über Menschen gerichtet und geurteilt wird, hat das Judentum nicht entwickelt.
Wann der Messias kommen wird ist ungewiss, nicht aber, dass er kommt. Im Prinzip ist sein Kommen jederzeit möglich, allerdings soll er laut der Schrift noch vor dem jüdischen Jahr 6000 kommen (wir schreiben 2010/2011 das jüdische Jahr 5771).
Christliche Vorstellungen vom Weltende sind zunächst einmal geprägt durch das biblische Zeugnis des bevorstehenden Weltendes am Tag der Wiederkunft Jesu Christi. Durch ihn erweist sich Gott als Herr der Geschichte, der Satan besiegt hat und nach dem Weltgericht die Welt erneuern wird: ‘Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der esrte Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr:’ (Apk 21,1, vgl. Jes 65,17; 66,22). Endzeit ist dabei im Verständnis christlicher Eschatologie der Zeitraum, der der zweiten Gegenwart oder Wiederkunft Christi vorhergeht. Im Anschluss an die Wiederkunft Christi kommt nach christlicher, biblischer Verheißung das Weltgericht (Jüngstes Gericht), das mit der Auferstehung von den Toten erfolgen soll (Buch Daniel, Offenbarung des Johannes).
Die wird begleitet von Naturkatastrophen (Sieben Plagen der Endzeit) wie Erdbeben, Überschwemmungen, Blitz und Donner, Geschwüre, Trockenheit, Seuchen, dem 10-Staatenbund mit dem Antichristen sowie Ungerechtigkeit, politischer und sozialer Unordnung bis hin zum Endkrieg, der in der Bibel als Schlacht von Harmagedon beschrieben wird. Am Ende steht die Errichtung des neuen Himmels und der neuen Erde, eines allumfassenden christlichen Friedensreiches.

Das neuzeitliche, gegenwärtige Christentum kann natürlich von den mittlerweile gewonnenen wissenschaftlichen Einsichten in die physikalische Natur des Kosmos nicht absehen. Die Theologie interpretiert heute die biblischen Bilder eines Weltendes bzw. –untergangs als kulturelle und zeitbedingte Versuche, den im römischen Reich verfolgten Christen Mut zum Glauben zu machen und Trost dadurch zuzusprechen, dass am Ende der Zeiten eben nicht der römische Kaiser, sondern Gott triumphieren und sein Reich kommen werde. Evangelische Theologie entwickelt ihre Vorstellung vom Weltende als Vollendung der Welt eben nicht im Rahmen einer naturwissenschaftlich gedachten Kosmologie, sondern von Jesus Christus her und dem in ihm erfahrbaren, weil begründetem neuem Sein. Denn in christlichem Verständnis erfahren wir in Jesus Christus die Nähe Gottes. Durch seine Auferstehung vom Tode ist die generelle Vergänglichkeit des Seins aufgehoben.  Wer als Christ auf die Auferstehung Jesu Christi vom Tod vertraut, darf auch darauf vertrauen, dass Gott diese Welt, ja sie Schöpfung verwandeln wird zu einer neuen Erde und einem neuen Himmel, die mit dem Bild von Gottes ‚Ewigkeit’ beschrieben werden kann.

Trotz allem Fortschritt auch in der Theologie: Vorstellungen von einem nahen Weltende bilden eine beständige Begleiterscheinung der Kirchen- bzw. Religionsgeschichte.


Aktuelle religiös geprägte Weltuntergangsszenarien

Neben den angeblichen Untergangsprophezeiungen der Mayas – dazu gleich mehr – gibt es z.B. aktuell die Vorhersage von José Luis de Jesús Miranda, Gründer (1988 in Miami/USA) und spiritueller Führer der Bewegung ‚Growing in Grace International’. Die Bewegung ist ebenso bekannt unter den Namen ‚Regierung Gottes auf Erden’ und wird volkstümlich auch als 666-Sekte bezeichnet. Jesús Miranda behauptet von sich selbst, er sei der Antichrist und habe erkannt, dass die jüdischen Lehren über Jesus falsch seien. Das habe ihm der Apostel Paulus offenbart, mit dem er in ständigem Kontakt stehe und dessen Lehren die einzig wahren wären. Jesús Miranda zufolge sollte es am 30. Juni 2012 eine Art ‚Transformation’ geben, die alle Ungläubigen vernichten, seine Anhänger hingegen – und natürlich nur diese! – verwandeln sollte. Seine Anhänger sollten dann zukünftig Superkräfte haben, sollten z.B. fliegen, durch Wände gehen oder laufen können ohne zu ermüden… Wir wissen, all’ das ist nicht eingetreten. Aber ‚Growing in Grace’ hat gegenwärtig übrigens immer noch Mitglieder in mindestens zehn Ländern!
Eine weitere schillernde Persönlichkeit in diesem Zusammenhang ist der am 19. Juli 1921 in Boulder/Colorado geborene us-amerikanische Radio-Prediger Harold Camping. Ursprünglich Bauingenieur, war er 1958 einer der Gründer des christlich-konservativ geprägten Radiosenders Family Radio. 1988 verließ Camping die Christian Reformed Church in North America und nutzte Family Radio für Verkündigungssendungen und eigene biblische Auslegungen. Schließlich gelang es ihm, durch seine Prophezeiungen eines nahe bevorstehenden Weltunterganges und damit verbundener Entrückungsvisionen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Camping behauptete zunächst, der Weltuntergang bzw. die Entrückung werde am 6. September 1994 stattfinden, wobei er diese Zahl mit numerologischen Spekulationen über biblische Texte begründete. Nachdem sich diese Vorhersagte als falsch erwiesen hatte, nannte er als neues Datum der Entrückung schließlich den 21. Mai 2011. Zahlreiche Anhänger glaubten ihm und seiner Prophezeiung auch weiterhin. In us-amerikanischen Großstädten wurde mit öffentlichen Plakaten auf den angeblich bevorstehenden Weltuntergang hingewiesen. Menschen kündigten ihre Arbeitsstellen, trennten sich von ihren Partnern oder spendeten Campingganz ganz einfach erheblich Summen, um sich so auf das Weltende vorzubereiten.
Wiederum fiel die Entrückung aus, was Camping mit einer Fehlinterpretation erläuterte: zwar sei die Entrückung am 21. Mai nicht eingetreten, doch habe Jesus Christus an genau diesem Tag sein endgültiges Urteil über die Menschheit gefällt. Fest hielt Camping am 21. Oktober 2011 als neuem Datum für den bevorstehenden Weltuntergang, der bekanntlich zum wiederholten Mal auf sich warten ließ. Nun wurde er von Prediger-Kollegen stark kritisiert und verlor seine Glaubwürdigkeit auch unter seiner Anhängerschaft. Schließlich zog Camping 2012 seine Untergangsvorhersagen insgesamt zurück.
Die Vorstellung eines nahe bevorstehenden Weltendes spielt auch eine große Rolle in der Lehre der ‚Zeugen Jehovas’ (ZJ). Diese glauben daran, dass vor Beginn eines tausendjährigen Friedensreiches zwangsläufig eine apokalyptische Entscheidungsschlacht stattfinden muss, das sog. ‚Harmagedon’ (vgl. Apk 16,16), zwischen Gott, vertreten durch Jesus Christus, und gottfeindlichen Mächten, wozu z.B. Staaten mit ihren ökonomischen und kulturellen Organisationen zählen, aber auch andere Kirchen und Religionsgemeinschaften, die zum ‚Weltreich der falschen Religion’ gezählt und als ‚Hure Babylon’ bezeichnet werden. Gott bzw. Jesus Christus wird in der Schlacht siegen, die Erde wird zur paradiesischen Heimat für die ‚treuen Diener Jehovas’, also die Mitglieder der ZJ, werden, wobei eine Gruppe von 144.000 Zeugen sogar mit Christus als Könige und Prieser im Himmel herrschen werden. Im Laufe des Friedensreiches weden Milliarden Toter auferstehen und müssen sich vor Christus bzw. seinen Mitpriestern verantworten, ob sie den ‚Gesetzen Jehovas’ gehorchen wollen oder nicht. Christus bzw. seine Mitpriester sprechen dann das Urteil: alle, die nicht diesen Gesetzen gehorchen, gilt die ewige Verdammnis, allen anderen, sprich: den Mitgliedern der ZJ, winkt das ewige Leben.
Mit Hilfe numerologischer Spekulationen haben die ZJ immer wieder versucht, aus der Bibel heraus den Zeitpunkt dieser Entscheidungsschlacht zu errechnen. Eine Reihe von Daten wurden bisher genannt, so 1914, 1925 oder 1975. Insbesondere betonen die ZJ, dass Christus im Jahr 1914 ‚die Königsherrschaft über Himmel und Erde’ angetreten habe. Seit 1964 brachte die Zeitschrift ‚Erwachet!’ bis zur Ausgabe vom 22. November 1995 jeweils auf Seite 4 folgenden Hinweis: ‚Vor allem aber stärkt diese Zeitschrift das Vertrauen zum Schöpfer, der verheißen hat, noch zu Lebzeiten der Generation, die die Ereignisse von 1914 erlebt hat, eine neue Welt zu schaffen, in der Frieden und Sicherheit herrschen werden.’ Mittlerweile heißt es nun: ‚Vor allem aber stärkt sie (scil. diese Zeitschrift) das Vertrauen in den Schöpfer, der versprochen hat, schon bald alles Böse zu beseitigen und eine friedliche und sichere neue Welt zu schaffen.’
Immer wieder haben sich die ZJ mit ihren Untergangsprognosen geirrt, was zu internen Diskussionen, Austritten und allgemeiner Verunsicherung geführt hat. Der Heilsplan Gottes lässt sich eben nicht so berechnen, wie die ZJ es vorgaben. Aber der Gedanke eines nahe bevorstehenden Weltendes bleibt zentraler Bestandteil der Lehre der ZJ.

 


Mayakalender und kein Ende, oder: warum der 21. Dezember 2012 doch kein besonderes Datum ist


Das Thema ‚Weltuntergang 2012’ wird vor allem auch in Zusammenhang gebracht mit dem Maya-Kalender. Weniger seriöse Zeitschriften und Internetforen behaupten , dass am 21. Dezember 2012 der Maya-Kalender ende und damit der Untergang der Welt verbunden sei, der mit Asteroideneinschlagen, Angriffen von Außerirdischen oder einer Flut daherkomme, vielleicht aber auch als ‚Aufstieg der Erde in höhere Dimensionen’ zu beschreiben sei. Die esoterische Szene ist sich hier alles andere als einig.
Die Maya lebten von etwa 3000 vor bis etwa 1200 nach Christus in Mittelamerika, auf Teilen der heutigen Gebiete von Mexiko, Guatemala, Honduras, El Salvador und Belize. V.a. vom fünften bis zum neunten Jahrhundert n. Chr. Entwickelten sie eine Hochkultur, die durch ein komplexes Schriftsystem gekennzeichnet war und durch eine anspruchsvolle Mathematik. Ein hoch entwickeltes Kalendersystem stellte so etwas wie die Basis ihrer Wissenschaften dar. Es warb selbst geprägt durch präzise Himmelsbeobachtung, die es andererseits selbst erst ermöglichte.
In der sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden befindet sich eine von überhaupt nur vier erhaltenen Mayahandschriften. Sie besteht aus 39, doppelseitig beschriebenen und ursprünglich als Leporello gefalteten Blättern aus Feigenbaumrinde, die miteinander durch ‚Scharniere’ aus Tierhaut verbunden sind und 20,5 x 9 cm groß sind. Ursprünglich haben diese Blätter eine Gesamtlänge von 3,56 m. Dieser ‚Codex Dresdensis’ könnte um 1200 n. Chr. in Yucatán verfasst worden sein.
Die Maya benutzten zwei wichtige, verschiedene Kalender: die Tzolkin-Zählung für rituelle Zwecke und den Haab-Kalender für den zivilen Gebrauch.

Der Tzolkin-Kalender der Maya hat eine Periode von 260 Tagen, der Haab-Kalender basiert auf dem scheinbaren Umlauf der Sonne um die Erde und hat deswegen eine Periode von 365 Tagen. Man kann ein Datum also nun entwender im Tzolkin-System (z.B. 6 Edznab) oder als Haab-Datum (z.B. 11 Yax) angeben. Starten beide Kalender am gleichen Tag, dann dauert es 52 Jahre, bis sich eine Kombination aus Haab- und Tzolkin-Angabe wiederholt.

Innerhalb dieser 52 Jahre lässt sich ein Tag durch Angabe von Haab und Tzolkin also eindeutig beschreiben. Will man allerdings auch längere Zeiträume behandeln, wird es schwierig. Das wäre so, als würden wir nur Tag und Monat angeben, aber kein Jahr. Wenn man dann vom 18. Februar spricht, weiß niemand, welcher Tag genau gemeint ist. Dazu muss auch das Jahr bekannt sein.

Deswegen gibt es bei den Maya auch noch einen dritten Kalender - den sg. "long count" bzw. die Lange Zählung. Basierend auf dem Zwanzigersystem (im Gegensatz zu unserem Dezimalsystem) durchlaufen hier 5 Ziffern jeweils die Zahlen von 0 bis 19 (bzw. 4; eine Stelle läuft nur bis 17). Der 20. Januar 2009 kann dann beispielsweise als 12.19.16.0.9 geschrieben werden (bzw. als 12 Baktun 19 Katun 16 Tun 0 Uinal 9 Kin).

Mit dieser Zählung lässt sich ein viel längerer Zeitraum abdecken. Nun legten die Maya den beginn ihrer Zeitrechnung auf 0.0.0.0.0. fest, im Tsolkin Kalender wird dieser Tag mit ‚4 Ahau’ benannt. Dieser Tag nun gilt als mythologischer Schöpfungstag, wie dem Epos ‚Poopol Wuuj’ zu entnehmen ist. Diese Kombination ist nun praktisch einzigartig, sie taucht erst nach ‚13 Baktun’ wieder auf, also am 13.0.0.0.0. – 4 Ahau. Das lässt den Schluss zu, das dieser Tag die gleiche Bedeutung hat wie der Anfangstag und dass also danach eine neue Epoche wieder bei 0.0.0.0.0. beginnt. Wann genau der Nullpunkt der langen Zählung war, ist ebenfalls nicht ganz sicher. Die meisten Forscher glauben, dass es der 11. August 3114 v. Chr. war. Und wenn das stimmt, dann fällt 13.0.0.0.0. – 4 Ahau der langen Zählung genau auf den 21.12.2012.

So weit die Fakten. Der 21.12.2012 hatte für die Maya keine besondere religiöse Bedeutung. Weil die Maya den Anfang ihrer Zeitrechnung festlegten und ein besonderes Kalendersystem entwickelt haben, läuft der jüngste kalendarische Zyklus am 21. Dezember 2012 aus und eine neue Epoche kann rechnerisch beginnen. Eine besondere Prophezeiung für das Weltende gibt es im Maya-Kalender jedenfalls nicht, darüber sind sich alle Wissenschaftler einig. Wir kennen das aus eigener Anschauung: 1999/2000 ging die Welt auch nicht unter, es begann lediglich ein neues Jahrtausend.
Nun verweisen Apokalyptiker zur angeblichen Unterstützung der Weltuntergangshypothese gern noch auf eine Inschrift in Totuguero/Mexiko. Und interpretieren diese dahingehend, als würde der Gott Bolon Yokte im Dezember auf die Erde herabsteigen, was mit einer Sintflut verbunden sei. Aber das ist mehr als dürftig; denn dieser Gottheit wohnen nicht nur zerstörerische, sondern auch konstruktive, schöpferische Kräfte inne. Archäologen und Historiker kritisieren diese Interpretation und sind sich darin einig, dass die Maya keine Endzeitvorstellungen entwickelt haben.
Viele Esoteriker sagen auch kosmische Katastrophen voraus; so würde der Planet Nibiru, auch Planet X genannt, die Erdachse berühren, dadurch einen Polsprung verursachen und somit eine Katastrophenflut auslösen. Das wird von Astronomen als lächerlich angesehen, ebenso wie die Behauptung, am 21. Dezember 2012 zeige die Erdachse genau in die Mitte unserer Galaxis. Und überhaupt: was könnte das mit einer Katastrophe zu tun haben? Auch Sonnenstürme werden angekündigt, ebenfalls mit katastrophalen Folgen für unseren Planeten. Doch dieses Phänomen ist bekannt und kann die Erde nicht gefährden.
Gehen wir einmal davon aus: auch am 22. Dezember wird sich die Erde so wie immer um die Sonne drehen. Zurückbleiben werden Medienberichte, Erklärungsversuche, getäuschte und enttäuschte Menschen. Apokalyptiker werden sicher schon bald nach einem neuen Untergangsdatum Ausschau halten. Dabei könnten sie sich die These einiger Forscher zunutze machen, die davon ausgehen, dass es beim Abgleich des Maya-Kalenders mit unserer Zeitrechnung zu Fehlern gekommen sei. Demnach würde der Maya-Kalender erst in 200 Jahren auslaufen, und viel Zeit für neue Spekulationen wäre gewonnen…

 

Pastor Olaf Grobleben
Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg

Ausschnitt einer Maya-Handschrift, sogenannter Codex Tro-Cortes, entstanden im 14. Jahrhundert vermutlich in Yucatan. Nach esoterischen Auslegungen des Maya-Kalenders wird um den 21. Dezember 2012 herum Ungeheuerliches passieren. Die Prognosen reichen vom Ende der Menschheit bis zur Ankunft von Außerirdischen. Seriöse Wissenschaftler bleiben gelassen. Apokalyptisches Denken ist nach Ansicht von Historikern vor allem ein Phänomen von Krisenzeiten. Besonders in Phasen gesellschaftlicher oder politischer Umbrüche tauchen apokalyptische Szenarien auf, die zwar Schreckensvisionen verbreiten, den Menschen aber auch Hoffnung in ihrer Not vermitteln sollen. Das Wort "Apokalypse" kommt aus dem Griechischen und bedeutet Enthüllung. Die Welt wird danach durch Gott von Grund auf verwandelt. Das Böse soll keine Macht mehr über die Menschen bekommen. Jüdisch-christliche Apokalyptik hofft darauf, dass Gott der sozialen, wirtschaftlichen, politischen und religiösen Gewalt ein Ende setzt. epd-Bild
Ausschnitt einer Maya-Handschrift, sogenannter Codex Tro-Cortes, entstanden im 14. Jahrhundert vermutlich in Yucatan. epd-Bild